Impfreisen
EU und Regierung haben mit Blick auf die Corona-Impfung versagt. Das ist das Resümee des neuen Portals von Verleger Mucha, der das Impfchaos jetzt für eine Geschäftsidee nutzt. Angeboten werden üppige Reisen ins Blaue inklusive „Jaukerl“ im Arm. Kritik gibt es am Portal – aber auch an der Regierung.
Wien, 05. Februar 2021 | „Äußerst bedauerlich“ sei es, dass die EU nicht ausreichend Impfstoff besorgt habe und die „Regierung nicht auf die Idee gekommen ist, uns und unsere Mitbürger zu schützen.“ Das ist die Einleitung des neuen Portals von Verleger Christian Mucha (67), der jetzt das Impfversagen für eine pfiffige Geschäftsidee nutzt. Dabei gehe es um eine „soziale Motivation“, „Profitmaximierung“ sei nicht der vordergründige Anreiz. In einem persönlichen Statement schreibt er: „Vielleicht ist die Glücksfee gnädig zu Ihnen“, denn jeder 10. Fall soll für Bedürftige und sozial Schwache kostenlos abgewickelt werden.
Woher kommt der Impfstoff?
Doch wie seriös ist die Reise ins Blaue, die 3.000 bis 30.000 Euro zu Buche schlägt (ZackZack berichtete bereits über Privatimpfungen in Dubai)? Für die Reisenden verspricht das Portal ein Rundum-Sorglospaket: So soll es neben Unterbringung, An- und Abreise in allen Flugklassen auch ein „professionelles Ärzteteam“ vor Ort geben. Dieses verabreiche die Impfung „mit garantiert originalem Impfstoff“. Das lässt die Alarmglocken läuten, denn die Impfhersteller schließen bis dato nur Verträge mit staatlichen Stellen ab. Eine Möglichkeit also: Muchas Portal bezieht den Stoff von Behörden der Reiseländer. Ist das so? Dazu wollte Mucha bislang nicht Stellung nehmen.
Der Veranstalter ist laut Website ein konzessiertes Reisebüro, das auf die Impfung nur „indirekten Einfluss“ habe. Auf „impfreisen.at“ heißt es, „Wir bringen Sie zu einer Destination, wo Impfstoff ohne Einschränkungen verabreicht werden darf.“ Ein Land, das angesteuert wird, ist laut „Oe24.at“ Israel. Hier wird aufgrund der hohen Impfquote (über 80 Prozent der Ü60-Gruppe mit Erststich versorgt) wohl bald die Herdenimmunität erreicht. Und: „ARD“-Recherchen zufolge sind die Lager so vollgepackt mit Impfstoff, dass das Produkt von Moderna noch gar nicht verimpft wird. Ob Israel, Ägypten und Dubai ihren übriggebliebenen Stoff eher an Private als an andere Länder verscherbeln?
Kritik und Zweifel
Die Apothekerkammer warnte jedenfalls kürzlich in einer Aussendung vor nicht-staatlichen Impfangeboten: “Bestellen Sie keinen Corona-Impfstoff übers Internet. Corona-Impfungen werden aktuell nur an offiziellen, von den Bundesländern vorgesehenen Stellen durchgeführt.” Weil beim Versand nach Bestellung die notwendige Kühlkette unterbrochen sei, könne es sich bei Angeboten aus dem Netz nur um Fälschungen handeln. Zumindest das Problem besteht bei den Mucha-Impfreisen nicht: die physische Reise zum rettenden „Jaukerl“ kann mit Urlaub kombiniert werden. Die Impfung selbst werde in einer „modern ausgestatteten Klinik“ verabreicht.
Im Internet macht das Portal schon die Runde. Ein Twitter-Nutzer schreibt: „Die Regierung schafft es nicht, genügend Impfstoff zu beschaffen… Das kommt dann dabei raus.“ Dabei werden sowohl das Portal, als auch der Auslöser der Unternehmung kritisch gesehen: „Kreative Unternehmer finden mittlerweile Wege, mit der Inkompetenz der österreichischen Regierung Geld zu verdienen. Das unterstütze ich zwar nicht, poste es aber zu Informationszwecken“, schreibt ein anderer. Mit der Motivation des Verlegers dürften einige d’accord gehen: Allein schon die Existenz so einer Seite bestätige laut eines Twitter-Nutzers das politische Versagen. Manche nehmen es dagegen mit Humor:
Reisen als rechtlicher Graubereich
Rechtlich ist nicht klar, wie Reisen derzeit einzuordnen ist. “Die geltende Verordnung enthält nämlich eine wenig intuitive, aber ausdrückliche Bestimmung, die den Aufenthalt in Hotels mit dem privaten Wohnraum gleichsetzt. Dieser Hotelaufenthalt zur Erholung ist zwar in Österreich verboten, in manchen anderen Ländern jedoch nicht”, sagte uns Rechtsanwalt Florian Horn im Zuge einer anderen Recherche: ZackZack berichtete unter anderem über die Karibik-Reise eines ÖVP-Großspenders, mitten im Lockdown. Ob er sich vor Ort auch impfen ließ, ist nicht bekannt.
Philip Kucher, Gesundheitssprecher der SPÖ, sieht das soziale Gefälle in der Krise durch so ein Portal noch weiter wachsen: „Während Millionen Menschen noch sehr lange auf ihre Impfung warten werden, richten sich’s die Freunde von Sebastian Kurz & Co. wieder und fliegen mal schnell zum Impfen nach Dubai oder in sonstige Luxusdestinationen. Das ist ein Skandal. Wir werden uns auch anschauen, wie das rechtlich einzuordnen ist“, so Kucher.
(wb)
Titelbild: APA Picturedesk