Donnerstag, November 14, 2024

Hatte Wirecard Insiderwissen bei ÖBB-Deal? Türkiser Berater im Zwielicht

Türkiser Berater im Zwielicht

Ein E-Mailverkehr zwischen ÖBB und Wirecard soll zeigen, dass der insolvente Zahlungsdienstleister bei einer ÖBB-Ausschreibung Insiderwissen gehabt haben könnte. Kontaktvermittler soll ein ÖVP-naher Berater gewesen sein.

Wien, 06. März 2021 | ORF, “profil” und “Standard” haben Zugriff auf E-Mails zwischen den ÖBB und dem mittlerweile insolventen deutschen Zahlungsabwickler Wirecard. Man vermutet, dass Wirecard bei einer Ausschreibung des ÖBB-Personenverkehrs 2015 mit Insiderwissen “getrickst” haben könnte, um den Zuschlag zu erhalten.

24 Mio. Auftragsvolumen

Bei der EU-weiten Ausschreibung im Mai 2015 mit einem Auftragsvolumen von 24 Mio. Euro ging es um die Abwicklung des elektronischen Zahlungssystems für den ÖBB-Personenverkehr. Das Angebot von Wirecard dürfte anfangs zu teuer gewesen sein. Die Personenverkehrstochter der ÖBB zog die Ausschreibung zurück und bei der neuen Ausschreibung erhielt Wirecard den Zuschlag. Aufgrund der E-Mail-Korrespondenz kann man vermuten, dass der nun auf der Flucht befindliche damalige Wirecard-Vertriebschef Jan Marsalek Insiderwissen hatte.

Seltenes Bild von Marsalek: der mittlerweile flüchtige Wirecard-Ex-Finanzchef (links) mit Wolfgang Sobotka (ÖVP, rechts) bei einem Empfang der österreichischen Botschaft in Moskau im Mai 2017. Foto: ZackZack.

Der Einspruch eines Mitbewerbers blieb erfolglos. Mit der Erfüllung des Vertrags durch Wirecard waren die ÖBB später nicht zufrieden, den Berichten der in die Auswertung der Mails involvierten Medien zufolge bezahlte Wirecard bis 2019 Vertragsstrafen von mehreren Hunderttausend Euro.

Aus dem zuständigen Verkehrsministerium hieß es am Samstag, man habe unmittelbar nach Bekanntwerden der Informationen reagiert und im Wege des Aufsichtsrats einen unabhängigen Bericht durch einen Wirtschaftsprüfer beauftragt. “Dieser soll alle Ereignisse und Vorgänge nochmals extern umfassend überprüfen”, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA.

Türkiser Berater im Zwielicht

Den Kontakt zwischen ÖBB und Wirecard soll ein ÖVP-naher Berater hergestellt haben. So soll er laut „Standard“ ein Treffen seines Freundes, dem damaligen ÖBB Personenverkehr-Chef Georg Lauber, mit Jan Marsalek vermittelt haben. Bei dem Treffen soll es um eine Komplettlösung bezüglich Zahlungsabwicklung im Personenverkehr gegangen sein, wie die E-Mails zeigen sollen. Der ÖVP-nahe Berater erklärte gegenüber dem Recherchenetzwerk, er habe dafür weder einen Vertrag gehabt noch Geld bekommen. Der damalige ÖBB-Chef und spätere SPÖ-Bundeskanzler Kern erklärte, er sei in den Deal nicht eingebunden gewesen.

Für ÖVP und FPÖ war dies Grund für Reaktionen: Der ÖVP-Vertreter Wolfgang Gerstl wollte in einer Aussendung einmal mehr versuchen, drohendes Ungemach in eine politisch andere Richtung zu drehen. Kern müsse dem Ibiza-Ausschuss “Rede und Antwort stehen”. Was das mit dem Thema des Ibiza-Ausschusses, nämlich der mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung, zu haben soll, erklärte Gerstl nicht.

Aus Sicht von FPÖ-Chef Norbert Hofer war es “die ÖVP, die hier im Hintergrund die Strippen gezogen hat”. Bei dem angeblich kontaktvermittelnden PR-Mann handle es sich nach FPÖ-Informationen nämlich um einen langjährigen Mitarbeiter der ÖVP-Innenminister Ernst Strasser und Liese Prokop, der dann zum Funk-Unternehmen Alcatel wechselte – das die umstrittene Blaulicht-Funk-Ausschreibung gewonnen habe.

(red/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Ben Weiser

    Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4

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