Mord an Frauen hat ein System
Nur weil sie Frauen sind, mussten sie sterben. „Nehmt ihr uns eine, antworten wir alle“, hieß es gerade erst gestern bei der Demonstration in Wien gegen Femizid und Männergewalt. Heute gestand ein Mann in Graz den Mord an seiner Frau – wieder wurde eine Frau von ihrem Partner in den eigenen vier Wänden kalt ermordet. Sexuelle und körperliche Gewalt durch Männer an Frauen ist in Österreich keine Seltenheit und durch den Lockdown werden solche Übergriffe auch noch verstärkt.
Wien, 07. April 2021 | Gewalt gegen Frauen ist hierzulande keine Seltenheit und nach wie vor trauriger Alltag. Von sexuellen Übergriffen und Misshandlungen bis hin zum Mord – und am Mittwoch ist es schon wieder passiert: Ein 43-jähriger Mann hat in Graz in einer Wohnung in der Idlhofgasse seine 38-jährige Frau getötet. Der Mann gestand den Mord an seiner Frau, hieß es seitens der Landespolizeidirektion Steiermark. Laut Polizeisprecher Fritz Grundnig wurde danach die Leiche der Frau in der Wohnung gefunden.
Die Tat dürfte ersten Erhebungen zufolge in den Morgenstunden verübt worden sein. Die vier Kinder des Paares waren zum Tatzeitpunkt in der Schule. Wie genau es zu den Gewalthandlungen kam, müsse noch ermittelt werden, doch die mutmaßliche Tatwaffe wurde in der Wohnung entdeckt: ein Messer mit Holzgriff, sagte Polizeisprecher Fritz Grundnig.
“Nehmt ihr uns eine, antworten wir alle”
Erst gestern gab es am Wiener Karlsplatz eine Demonstration gegen Männergewalt und Femizid, also die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Ausschlaggebend war dafür unter anderem eine Trafikantin, die nach dem versuchten Femizid an ihr in Wien einen Monat lang um ihr Leben gerungen hat und gestern an den Folgen verstarb. Sie wurde von ihrem Ex-Partner mit Benzin überschüttet und angezündet. Nach dem Motto “Keine einzige weniger” wollten die Protestantinnen und Protestanten auf die immer stärker zunehmenden Femizide aufmerksam machen. Keine weitere Frau solle, vor allem aufgrund ihres Geschlechtes, körperliche Gewalt erfahren oder sogar umgebracht werden.
Demonstration am Karlsplatz in Wien / Fotos: ZackZack
Jede fünfte Frau in Österreich Opfer von männlicher Gewalt
Das Ausmaß an häuslicher Gewalt an Frauen, sexuellen Übergriffen und Femizide ist erschreckend. Hier ein paar Zahlen: Laut veröffentlichten Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat war Österreich 2017 das einzige EU-Land, in dem mehr Frauen als Männer durch ein Gewaltverbrechen zu Tode kamen. Von 48 Mordopfern waren 27 weiblich.
Jede fünfte Frau – also 20 Prozent der Frauen, die in Österreich leben – ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und/oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Jede dritte Frau erlebt physische und/oder sexuelle Gewalt. Jede 3. Frau wird sexuell belästigt. Das geht in einer Erhebung der EU-Grundrechtsagentur zu geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen hervor.
Im Jahr 2020 wurden laut polizeilicher Kriminalstatistik 31 Frauen – häufig von ihren (Ex–)Partnern oder Familienmitgliedern – ermordet. Allein in den letzten vier Monaten gab es sieben Morde an Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Der Mord in Graz ist nun der achte. Jedoch werden nicht alle Übergriffe erfasst. Die Dunkelziffer könnte daher noch viel höher sein.
“Brutale Frauenmorde gehen in Österreich ungebrochen weiter”
Vor einem Monat, am 5. März 2021, wurde eine 35-jährige Trafikantin in Wien von ihrem Ex-Partner an ihrem Arbeitsplatz angegriffen, mit einer Flüssigkeit übergossen und angezündet. Der mutmaßliche Täter versperrte anschließend das Geschäft und lief davon. Seither schwebte sie in Lebensgefahr. Ein Monat lang kämpfte Nadine um ihr Leben – vorgestern ist die 35-jährige ihren Verbrennungen erlegen.
Der Verdächtige behauptete keine Tötungsabsicht gehabt zu haben.
„Bei so einer brutalen Tat nicht von einer Tötungsabsicht auszugehen, ist eine Ungeheuerlichkeit und eine Verhöhnung des Opfers. Wer jemanden anzündet und dann noch die Tür verschließt, kann nicht ernsthaft davon ausgehen, dass die Person das überlebt“,
so Viktoria Spielmann, Frauensprecherin der Grünen Wien. Hier sei die Justiz gefordert, sich klar gegen Femizide einzusetzen und diese Tat nicht zu verharmlosen.
„Femizide – Frauenmorde – sind keine Einzelfälle, sondern haben System und müssen endlich klar als solche benannt werden. Sie sind die Spitze des misogynen und patriarchalen Eisbergs der Männergewalt gegen Frauen“,
so Spielmann.
“Wir dürfen bei Männergewalt gegen Frauen nicht wegschauen”,
drängt Vorstandsmitglied der Grünen Frauen Wien, Monika Kreutz.
Frauen in der Lockdown-Falle der häuslichen Gewalt
Derzeit kommt es aufgrund des Lockdowns innerhalb vieler Familien verstärkt zu Übergriffen an Frauen in den eigenen vier Wänden. Anfang Juni 2020 hat die Technische Universität München die erste große Studie über Covid-19 und häusliche Gewalt in Deutschland veröffentlicht. Diese erste große repräsentative Umfrage zu häuslicher Gewalt während der Corona-Pandemie in Deutschland zeigt auf, dass rund 3 Prozent der Frauen während der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen zu Hause Opfer körperlicher Gewalt wurden. 3,6 Prozent der Frauen wurden von ihrem Partner vergewaltigt. In 6,5 Prozent aller Haushalte wurde Gewalt gegen Kinder verübt.
Deutlich höher noch lagen die Zahlen, wenn die Frauen in Quarantäne waren oder die Familien finanzielle Sorgen hatten. Nur ein sehr kleiner Teil der betroffenen Frauen nutzte die vorhandenen Hilfsangebote. Doch auch dieser Anstieg wird in der Statistik von einem vermutlich leider noch weit höheren Anstieg im Bereich der Dunkelziffer begleitet.
(jz)
Titelbild: APA Picturedesk