Samstag, Dezember 14, 2024

Pilz am Sonntag – Exekution bei Kurz!

Pilz am Sonntag

Sebastian Kurz pfeift auf den Verfassungsgerichtshof und verweigert die Herausgabe seiner Mails. Jetzt entscheidet der Bundespräsident: Er kann Kurz zur Herausgabe zwingen und klarstellen, dass die Gesetze auch für den Bundeskanzler gelten.

Wien, 02. Mai 2021 | Sebastian Kurz hat vier Feinde: unabhängige Journalisten, den Rechtsstaat, parlamentarische Kontrolle und die Wahrheit. Unabhängige Journalisten sind bereits die Ausnahme. Der Rechtsstaat wird inzwischen nicht nur von der WKStA erfolgreich verteidigt. Aber am gefährlichsten ist die Wahrheit. Sie kommt immer öfter ans Licht. Dazu haben wir ZackZack gegründet. Und dafür sorgt der Untersuchungsausschuss im Nationalrat.

Am 4. März 2021 gibt Kurz-Büroleiterin Lisa Wieser, die „LW“ aus dem Projekt Ballhausplatz, im Ibiza-Untersuchungsausschuss die Existenz eines dritten, geheimen E-Mail-Postfachs des Kanzlers zu.

SPÖ, Neos und FPÖ sind sich schnell einig. Der U-Ausschuss hat das Recht, die Kanzler-Mails einzusehen. Der Beschluss der drei Oppositionsparteien geht als Antrag an der Verfassungsgerichtshof. Die Verfassungsrichter entscheiden schnell und beschließen:  Kurz muss bis 26. April die Mails vorlegen. Aber nichts kommt – kein Sputnik-Impfstoff und keine Kanzler-Mails. Kurz lässt den Termin verstreichen. Der Kanzler beschließt, den Verfassungsgerichtshof zu pflanzen und lässt dem Gerichtshof statt der Kurz-Mails 682 Mails von Mitarbeitern des Kanzleramtes zukommen. Darin steht 682 mal, dass bei einem „umfassenden Suchprozess“ keinerlei „abstrakt relevante Akten und Unterlagen“ für den Ausschuss gefunden worden sind.

Die Verfassungsrichter finden sich in der Situation eines Gastes, der ein Schnitzel bestellt und einen Rasierapparat auf den Tisch gelegt bekommt. Aber die Richter wissen, dass es jetzt an ihnen liegt – und am Bundespräsidenten.

Van der Bellen kann exekutieren

Es gibt einen Weg, den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs durchzusetzen. Verfassungsexperte Heinz Mayer beschreibt ihn am 28. April bei Thomas Walach im ZackZack Club: „Die Verfassung sieht vor, dass der Verfassungsgerichtshof die Exekution seiner Erkenntnisse und seiner Beschlüsse beim Bundespräsidenten beantragen kann. Der Verfassungsgerichtshof hat hier einen Beschluss gefasst, und den Bundeskanzler beauftragt, die Mails vorzulegen. Das ist ein Leistungsbeschluss, der kann vom Bundespräsidenten exekutiert werden.“

Aber wie soll das gehen? Mayer erklärt: „Wenn die zuständige Referentin des Verfassungsgerichtshofs den Exekutionsantrag stellt, dann ersucht der Bundespräsident die WKStA, das zu machen. Ich kenne in dem Fall keine andere Behörde, die ohne Weiteres in der Lage wäre, im Bundeskanzleramt allfällige Daten zur Sicherung festzustellen.“ Genau das regelt der Artikel 146 der Bundesverfassung. Für die Exekution der Beschlüsse des VfGH sind die Gerichte zuständig. Wo sie nicht zuständig sind, kommt der Bundespräsident zum Zug:

Art 146 (2) Die Exekution der übrigen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes liegt dem Bundespräsidenten ob. Sie ist nach dessen Weisungen durch die nach seinem Ermessen hiezu beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres durchzuführen. Der Antrag auf Exekution solcher Erkenntnisse ist vom Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten zu stellen.

Mayer hält den Innenminister für diese Aktion für ungeeignet: „Das Innenministerium? Das wird man vielleicht aus guten Gründen nicht nehmen. Die WKStA, das wäre eine Möglichkeit, das könnte der Bundespräsident machen.“

In Van der Bellens Umgebung wird der Vorschlag mit Interesse registriert. Wer den Bundespräsidenten kennt, weiß, dass er den Fall genau prüfen lässt, bevor er eine Entscheidung trifft.

Die Entscheidung wird jetzt an drei Orten getroffen:

  • im Parlament. Dort können SPÖ, Neos und FPÖ den Verfassungsgerichtshof um die Exekution seines Beschlusses ersuchen;
  • im VfGH selbst. Dort können die Höchstrichterden Gang zum Bundespräsidenten beschließen;
  • und in der Hofburg selbst. Dort kann Van der Bellen beweisen, dass er die Bundesverfassung auch gegen den Bundeskanzler verteidigt.

Dafür ist Alexander Van der Bellen am 4. Dezember 2016 zum Bundespräsidenten gewählt worden.

Titelbild: ZackZack

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