Herr der Nachrichten
Zehn Jahre Viktor Orban haben die Presselandschaft Ungarns nachhaltig verändert. Die großen Medien sind auf Linie, die verbliebenen kritischen Medien kämpfen ums Überleben.
Wien/Budapest, 03. Mai 2021 | Zehn Jahre Viktor Orban an der Macht haben die Presselandschaft in Ungarn nachhaltig verändert. Die klassischen Medien Print, Radio und Fernsehen sind zum großen Teil in Hand von regierungsnahen Unternehmern. Relevante Nachrichten findet man nur noch in kleineren Online-Portalen. Und diese kämpfen ums Überleben.
Kaufrausch
Attila Babos fing 2004 bei der Lokalzeitung „Dunántúli Napló” (Transdanubien-Journal) an. Leicht sei es nie gewesen, der Kommunalverwaltung auf die Finger zu schauen, erzählt er der “Deutschen Welle”. Doch es habe zunächst funktioniert. Ende 2016 wurde er dann aber zusammen mit anderen Kollegen über Nacht entlassen.
Orbans Medieninvestor, der Österreicher Heinrich Pecina, kaufte das Blatt 2014 und veräußerte es 2016 an die Opimus Group weiter, die im Besitz eines Orban-nahen Oligarchen, Lőrinc Mészáros, steht. Der Investor eignete sich neben anderen Lokalzeitungen auch die „Népszabadság“, eine der letzten oppositionellen Zeitungen, an. Direkt nach dem Kauf wurde die Zeitung eingestellt.
Babos gründete mit Kollegen das unabhängige Internet-Portal “Szabad Pécs” (Freies Pécs). Zuerst finanzierte man das Onlinemedium selbst, dann kamen Spenden von Lesern hinzu. Aber der Druck ist groß: Ein Sponsor sprang wieder ab, weil er unverzüglich aus regierungsnahen Kreisen Drohungen erhalten hatte.
Schikanen gegen freie Medien
Man schafft es aber weiterhin, Korruption aufzudecken: Eine Story wird bereits länger vor Gericht verhandelt. Volvo-Nahverkehrsbusse für Pécs sollen überteuert angekauft worden sein. Tief verstrickt in „Volvo-Gate“ ist die Stadtverwaltung der Orban-Partei Fidesz.
Die „Szabad Pécs“ ist allerdings ein Einzelfall. Die öffentlich-rechtlichen Medien sind schon seit Machtantritt Orbans im Jahre 2010 zu Hofberichterstattern umfunktioniert worden. Die meisten privaten Medien wurden von superreichen Verbündeten des Ministerpräsidenten aufgekauft. Zusätzlich konnte man noch Druck durch staatliche Werbefinanzierung aufbauen. Wer falsch berichtete, wurde von der Einnahmequelle abgeschnitten, heißt es. Auch die Medienbehörde NMHH tue ihr übrigens. Auf Anraten der Behörde verlor beispielsweise das Budapester „Klubrádió“ zuerst die Sendefrequenzen außerhalb Budapests, im Februar 2021 dann auch noch die Frequenz in der Hauptstadt selbst.
Das zeigt sich auch im Pressefreiheits-Index: Seit 2013 ist Ungarn in der Rangliste der „Reporter ohne Grenzen“ um 36 Plätze gefallen. Mittlerweile rangiert man, zwischen Peru und Serbien, auf Platz 92.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk