Samstag, Juli 27, 2024

Trump-Botschafter Traina: So eng war er mit ÖVP-Kreisen und der Wirecard-Spitze

Interner Mailverkehr zeigt, wie Trainas Unternehmen scheinbar bedenkenlos Kunde der Wirecard-Bank werden sollte. Auch als das Kartenhaus bereits in sich zusammenfiel, traf Traina auf CEO Braun. In elitären Runden kamen die beiden mit Schütz, Lobbyist Rosam und auch Kanzler Kurz zusammen.

 

Benjamin Weiser

Wien, 07. Mai 2021 | Trump-loyale Botschafter wie Trevor Traina in Wien oder Richard Grenell in Berlin pflegten vor allem Kontakte zu konservativ-rechten Kreisen. „Rockstar“ Sebastian Kurz, wie Grenell den österreichischen Kanzler bejubelte, war für Trumps Europa-Agenda äußerst wertvoll.

ZackZack liegen Dokumente und Zeugenaussagen vor, die belegen, dass Trevor Traina zu den ÖVP-Großspendern Markus Braun und Alexander Schütz, aber auch zum ÖVP-nahen Lobbyisten Wolfgang Rosam engen Umgang pflegte. Besonders die zeitliche Abfolge der Treffen ist brisant. Sie fanden statt, nachdem Trainas Unternehmen Kunde bei der Wirecard-Bank werden sollte.

Botschafter, CEO und Kunde bei Wirecard

15. November 2018: Monate nach Trainas Amtsantritt berichtet ein Spezialist der Wirecard-Bank in einem internen Mailverkehr, man habe bei einem potenziellen Neukunden (ifOnly) eine „politisch exponierte Person“ („PEP“) identifiziert. Botschafter Traina, der Gründer und laut Mailverkehr CEO der Luxusplattform ifOnly, sei allerdings soweit nicht negativ aufgefallen. Einen Tag später stimmen Wirecard-CFO Alexander von Knoop und Vorstandskollege Rainer Wexeler der Aufnahme des Neukunden zu: „Aus meiner Sicht okay“, „für mich auch in Ordnung“.

Banken und andere Finanzdienstleister müssen bei „PEP“ gemäß einer entsprechenden EU-Richtlinie besondere Maßnahmen ergreifen, um Schutz vor Korruption, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu gewährleisten.

Welcome to Vienna: Zu Gast im Rosam-Schloss

Für Traina beginnt die Zeit als Botschafter in Wien standesgemäß: am 21. Dezember 2018 ist er zu Gast bei Wolfgang Rosams „Falstaff“-Weinverkostung, bei der sich die Teilnehmer später uneins über den angeblich privaten Charakter der Veranstaltung sein werden. Laut einem Ex-Mitarbeiter von Braun habe es derlei Treffen sehr oft gegeben, häufig deklariert als „Weinproben“. In einem „Falstaff“-Interview vom Juni 2019 wird Traina jedenfalls als ein „Conaisseur für Wein und Kulinarik“ portraitiert. Dieses Interview findet in der Botschaftsresidenz von Traina statt, doch zumeist trifft man sich bei Rosam nur eine Straße weiter.

Laut dem Braun-Insider ist auch der Wirecard-CEO Stammgast bei Rosam. Dieses Privileg teilt Braun offenbar mit Kurz: „Bundeskanzler Sebastian Kurz war regelmäßig Gast des Hauses“. Sicherheitsleute von Kurz und der Secret Service hätten das Schloss-ähnliche Anwesen von Rosam beim Zusammentreffen von Traina, Kurz und Braun quasi zu einer Festung umfunktioniert, schildert der Ex-Braun-Gefährte ZackZack. Bis auf wenige Ausnahmen habe es sich dabei immer um Männerrunden gehandelt. „Rein privat“, sagt Rosam auf Nachfrage. Er bekräftigt, es habe sich dabei nicht um Weinverkostungen gehandelt. Dass über Geschäftliches gesprochen worden sei, schließt Rosam ebenfalls aus.

Elitäre Runden im Angesicht des Wirecard-Aufpralls

Nachdem Wirecard im März 2019 einräumt, „einzelne lokale Angestellte in Singapur“ könnten sich „möglicherweise nach lokalem Recht strafbar gemacht haben“, erhärten sich Ende April 2020 die Zweifel an der Existenz der hohen Wirecard-Umsätze. Mangelhafte externe Prüfberichte lösen eine Börsenpanik aus. CEO Markus Braun steht unter Druck, Anfang Mai 2020 wird er in wichtigen Bereichen entmachtet.

Da trifft es sich gut, dass Braun zusammen mit Traina, Schütz und Rosam von einem deutschen Pharmaerben für den 24. Mai 2020 nach Wien-Döbling eingeladen wird und im Rahmen eines „relaxed grill afternoon“ auf andere Gedanken kommen soll. Das berichteten auch „Stern“ und „Capital“. Sowohl Braun als auch Schütz wollten keine Stellungnahme abgeben.

Zwischen dem Gespann besteht so enger Kontakt, dass der Ex-Braun-Mann im Gespräch mit ZackZack unzählige Treffen erwähnt. Mehrere davon sind durch zahlreiche Dokumente belegt, etwa auch eine auf ausgerechnet 18. Juni 2020 datierte Einladung von Traina an Braun zu „Tacos & Cocktails“ – dem Tag, als aufgrund der verschobenen Veröffentlichung der Jahresbilanz das Wirecard-Haus zusammenbricht.

Dem Insider zufolge sei der Freundeskreis auch regelmäßig zu Gast in der Opernball-Loge von Braun gewesen – zu diesen Anlässen ausnahmsweise mit weiblicher Begleitung. Dort soll dann ausgiebig zelebriert worden sein. Einer der Gäste habe sich laut Ex-Braun-Mitarbeiter allerdings über den schlechten Jahrgang des Schampus beschwert.

Wirecard-Bank als „Geldwaschmaschine“

Knapp ein Jahr später sollten Zeugen im deutschen U-Ausschuss Wirecard als Geldwaschmaschine bezeichnen. Die Wirecard-Bank habe laut „Berliner Zeitung“ dazu gedient, die Gelder aus dubiosen Zahlungsströmen und Geschäften der Wirecard AG in Umlauf zu bringen. Zu von Knoop und Wexeler, die der Aufnahme von Traina als Neukunden zustimmten, schreibt die Zeitung: „Er (Wexeler, Anm.) zeichnet nachträglich Kredite an seltsame Wirecard-Töchter ab, die auf Wunsch der Manager der Wirecard AG Jan Marsalek und Burkhard Ley von der Wirecard Bank zu vergeben waren – ein beispielloser Vorgang: Weder Marsalek noch Ley hatten operative Funktionen in der Wirecard-Bank“.

Ein Wiener Spitzendiplomat kann über Trainas Aufnahme als Neukunden nur den Kopf schütteln: „Das ist auch für amerikanische Verhältnisse ungewöhnlich bis bedenklich. Es ist unter allen US-Präsidenten üblich gewesen, dass Business-Leute (meist Wahlkampf-Spender) Botschafter wurden.“ Bislang sei es aber üblich gewesen, dass sich diese während ihrer öffentlichen Funktion ihrer geschäftlichen Tätigkeiten enthielten, sie etwa an Familienangehörige oder Trusts abtraten. „Das hat sich unter Trump – der ja selbst versucht hat, schamlos von seinem Amt zu profitieren – geändert.“ Ob Traina tatsächlich über die volle Dauer seiner Amtszeit gleichzeitig in operativer Funktion für “ifOnly” tätig war, wollte das US State Department nicht beantworten.

„Wir sind alle Opfer“

Auch Sebastian Kurz war zu keiner Stellungnahme bereit. Der Kanzler versucht sich seit Platzen der Wirecard-Blase von Markus Braun, der Teil des Beratergremiums „ThinkAustria“ im Kanzleramt war, zu distanzieren. Braun hatte für den Wahlkampf 2017 70.000 Euro an die ÖVP gespendet. Danach war er seinem ehemaligen Mitarbeiter zufolge mindestens „vier bis fünf Mal im Kanzleramt“. ZackZack berichtete bereits über ein Dinner „für HBK Sebastian Kurz und Susanne Thier“, bei dem Großspender Braun auf seinen Spendenempfänger getroffen war.

Wolfgang Rosam möchte mit der Wirecard-Affäre indes nichts zu tun haben: „Wir sind alle Opfer des größten Kriminalfalles in Nachkriegsdeutschland“, so Rosam auf Twitter. Diese Ansicht teilt er mit Markus Braun, der sich als CEO von seinem ehemaligen Unternehmen ebenfalls betrogen fühlt. Seine Ex-Chefjuristin, Andrea Görres, sieht das anders. Sie belastete Braun in einer Befragung: „Ich wusste, dass Herr Braun sich die Wahrheit öfter mal so hingedreht hat, wie er sie gerne haben wollte.“ Derzeit sitzt Braun in deutscher U-Haft, die Vorwürfe lauten unter anderem Marktmanipulation, Geldwäsche, Untreue. Am schwersten wiegt aber der Vorwurf des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs, wie das „Handelsblatt“ schreibt. Bis zu zehn Jahre Haft können allein darauf stehen. Für Braun gilt die Unschuldsvermutung.

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Ben Weiser

    Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

17 Kommentare

17 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Die Ergebnisse der Pilnacek-Kommission

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!