Montag, März 24, 2025

Hanger wirft Staatsanwalt »politische Befangenheit« vor

Andreas Hanger (ÖVP) hat dem WKStA-Staatsanwalt Matthias Purkart am Dienstag „politische Befangenheit“ unterstellt. Das Justizministerium zeigt sich empört. Die SPÖ sieht bei der ÖVP „alle Hemmungen fallen“.

Wien, 01. Juni 2021 | ÖVP-Hanger hat am Dienstag in einer Pressekonferenz erneut „Fehlleistungen“ der Justiz angeprangert. WKStA-Oberstaatsanwalt Matthias Purkart, der mit seiner Aussage im Ibiza-U-Ausschuss letzte Woche für Aufsehen gesorgt hatte, warf er „politische Befangenheit“ vor. Aus dem Justizministerium heißt es, dass man “unsachliche Unterstellungen und pauschale Vorwürfe, Staatsanwaltschaften würden politisch motiviert agieren”, entschieden zurückweise.

Attacke gegen Häupl

Dass sich Purkart gegen die Lieferung der Katzian-Schmid-Chats an den U-Ausschuss entschieden hatte, sei für Hanger der Beweis, „politisch befangen“ zu sein. Zur Erinnerung: Der U-Ausschuss untersucht die „mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“. Diese Chats sah der Staatsanwalt als nicht „abstrakt relevant“ für den Ausschuss. Er will, dass Zadic tätig wird, auch die Fachaufsicht soll sich laut Hanger mit Purkart befassen.

Auch gegen die Ermittlungen gegen Kanzler Kurz teilte Hanger aus. So habe die Staatsanwaltschaft nach einer Befragung von Alt-Bürgermeister Michael Häupl im Jahr 2019 keine Ermittlungen eingeleitet. Für Hanger wäre dies aber notwendig gewesen, da der SPÖ-Altstar laut der ÖVP „ganz klar die Unwahrheit gesagt“ habe. Er erwarte sich, dass die Staatsanwaltschaft nun von selbst tätig werde. Es geht um ein Telefongespräch zwischen der damaligen Stadträtin Sonja Wehsely und dem Bürgermeister. Dieser gab damals an, sich nicht daran erinnern zu können. Im Raum stand eine Bauzeitverlängerung für das Krankenhaus Nord.

Ob die ÖVP der Auslieferung ihrer Justizsprecherin Michaela Steinacker zustimmen wird, sagte Hanger nicht. Sie steht aktuell im Visier der WKStA. Für Hanger sei die Auslieferung „eine hochkomplexe Frage“.

Kritik aus Justizministerium

Umgehende Kritik an Hanger kam aus dem Justizministerium. Zadic-Sprecherin Christina Ratz wies sowohl Vorwürfe, die Justiz würde die Aufklärung durch zögerliche Vorlage behindern, zurück, als auch den gegenteiligen Vorwurf, die Justiz würde überschießend vorlegen. Außerdem nehme die Justiz „keine eigene Reihung oder Wertung“ bei der Vorlage der Unterlagen an den U-Ausschuss vor.

“Vielmehr handeln die Justizbehörden in Entsprechung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes”, verwies Ratz darauf, dass demnach alle “abstrakt relevanten” Unterlagen vorzulegen sind. Das seien deutlich mehr als jene, die strafrechtlich relevant sind. Die Justiz prüfe daher Unterlagen von beachtlichem Umfang und lege sie in der Reihenfolge vor, die der U-Ausschuss festgelegt hat. Um dies rasch erledigen zu können, seien den Staatsanwaltschaften vom Justizministerium zusätzliche Mitarbeiter zur Verfügung gestellt worden.

Zudem hielt Ratz fest, dass die Staatsanwaltschaften gesetzlich zur Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit verpflichtet seien: “Wer den Staatsanwaltschaften politische Motive unterstellt, verdreht die Prinzipien des Rechtsstaats und der Strafverfolgung, wie sie im Gesetz definiert sind”, schickte sie in Richtung ÖVP.

Hanger-Brutal

Staatsanwälte seien gesetzlich verpflichtet, bei entsprechender Verdachtslage – etwa nach einer Anzeige – alle Schritte zur Aufklärung eines Sachverhalts zu setzen. Dabei würden sie alle Umstände prüfen, die gegen einen Beschuldigten sprechen, aber auch alle, die sie entlasten. “Dies geschieht ohne Ansehen der Person und gilt für die Ermittlungstätigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen – auch in besonders sensiblen Bereichen wie der Politik”, unterstrich Ratz.

Auch aus der SPÖ kam scharfe Kritik an Hanger: “Bei der türkisen Truppe fallen alle Hemmungen”, empörte sich Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch in einer Aussendung über “die Brutalität Hangers”, der “einzelnen Staatsanwälten offen Befangenheit” vorwerfe. Ein “erbärmliches Ablenkungsmanöver” sei es, wenn der türkise Politiker versuche, andere Parteien und Akteure “in den türkisen Sumpf hineinzuziehen”.

“Die Einschüchterungsversuche auf die Justiz im Stakkato und der Druck auf einzelne Personen sind völlig inakzeptabel. Die ÖVP hält nicht nur die Justiz von ihrer eigentlichen Arbeit ab, sie gefährdet auch Rechtsstaat und Demokratie in einer Art und Weise, bei der längst eine rote Linie überschritten wurde. Mit dieser versuchten Orbanisierung muss sofort Schluss sein”, meinte Justizsprecherin Selma Yildirim in einer Aussendung.

(ot/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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