Brüssel kocht: Laut Verdacht will die Regierung von Johnson den brisanten Nordirland-Teil des Brexit-Abkommens missachten. Scheidungsdrama, nächster Akt.
London/Brüssel, 18. Juni 2021 | Der Scheidungskrach zwischen der EU und Großbritannien geht weiter. Seit dem Brexit scheppert es ordentlich, jetzt droht Brüssel einmal mehr mit harten Strafen.
Nordirland-Pakt heikelster Teil
Jetzt erwägt die Union Sanktionen gegen das ehemalige Mitglied Großbritannien. „Briten-Trump“ Boris Johnson will EU-Kommissar Maroš Šefčovič zufolge das brisante Nordirland-Teilabkommen des Brexit-Vertrages nicht akzeptieren. Es gebe laut Papier, das den EU-Botschaftern vorgelegt wurde, zwar „entsprechende Lippenbekenntnisse“. Das berichtete der deutsche „Spiegel“. Doch die Warnungen von Šefčovič sind in den europäischen Hauptstädten bereits voll eingeschlagen.
Der Teil zu Nordirland ist der heikelste im Brexit-Abkommen. Dabei soll sichergestellt sein, dass es zwischen Nordirland und Irland keine harte Grenze geben wird. Der Trick: Die Zollgrenze zwischen Nordirland und der EU soll einfach ins Wasser verlegt werden. Durch den Pakt soll unregulierter Import in den EU-Binnenmarkt verhindert werden, doch die Briten sehen ihre Einheit gefährdet.
Vertragsverletzungsverfahren im Gange
Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen London hat die EU bereits eingeleitet, weil Großbritannien keine Lust auf Kontrollen bei Agrar- und Lebensmittelexporten hat. Auch bei der Verlängerung der Übergangsfrist für gekühltes Fleisch, die Großbritannien haben will, ist man sich uneins.
Laut „Spiegel“ hegen Brüsseler Kreise schon länger den Verdacht, dass London wegen des Nordirland-Paktes auf Konfrontationskurs gehen will. Premier Johnson habe dieses nie wirklich umsetzen wollen, hieß es. Man wolle jetzt alle verfügbaren Hebel in Bewegung setzen, dass die Vertragsverpflichtungen erfüllt werden. Nachverhandlungen kämen für die EU nicht infrage.
(wb)
Titelbild: APA Picturedesk