Big-Tech-Geheimtreffen
Der Kanzler startet seine Sommer-Tournee in Amerika. Statt Präsident Biden trifft er in den Rocky Mountains auf Ex-Google-Chef Schmidt. Der geheime Rückzugsort des Tech-Giganten steht wegen Lobbying in Kritik.
Wien, 09. Juli 2021 | Willkommene Ablenkung von den Ermittlungen: Bundeskanzler Kurz startet seine große Sommer-Tournee und fliegt am Sonntag in die USA.
Digitales „Bilderberger“
Zumindest auf der Hinreise fliegt der Kanzler nicht mit dem Privatjet des Oligarchen Dmytro Firtasch, sondern Linie (Austrian Airlines). Auf der Rückreise trennen sich allerdings die Wege von Kurz und seiner Delegation. Während letztere die Heimreise am Donnerstag antritt, fliegt der Kanzler weiter in den amerikanischen Norden. Im Rocky-Mountain-Staat Montana findet eine informelle Konferenz mit Entscheidungsträgern statt, es soll um Digitalisierung gehen. Dass Kurz dort aufschlägt, überrascht nicht. „Schattenkanzlerin“ Antonelle Mei-Pochtler, die gute Kontakte zu den Tech-Oligarchen pflegt, hatte Kurz‘ erste Teilnahme bei der konspirativen Runde im Jahr 2018 organisiert.
Die Plattform „Tech Transparency Project“ hat den geheimen Rückzugsort unter die Lupe genommen. Seit acht Jahren lädt Ex-Google-Chef Eric Schmidt dort Politiker, CEOs und Künstler ein. Skifahren, Golfen, Fischen – all das ist dort möglich, um die Gedanken leichter zirkulieren zu lassen. Schmidt soll seine Geheimtreffen im Luxus-Resort „Yellowstone Club“ allerdings nutzen, um gegen Regulierungen für die großen Tech-Firmen zu lobbyieren. Laut dem Portal soll Google die Treffen auch nutzen, um eigene Produkte vorzustellen. Der ehemalige chilenische Finanzminister Andrés Velasco bezeichnete die Zusammenkunft als „Google Ideen-Gipfel“.
Trifft Bloomberg, aber nicht Biden
Startpunkt der US-Tour des Kanzlers ist allerdings New York City. Bevor er am Dienstag eine Rede zum Thema Nachhaltigkeit vor den Vereinten Nationen hält, gibt’s ein bisschen Kultur: Im Metropolitan Museum of Art kommt Kurz in den Genuss einer Museumsführung. Mittwochvormittag ist er dann zu Gast in der Redaktion des wirtschaftsnahen „Wall Street Journal“. Medienzar und Ex-Bürgermeister von New York, Michael Bloomberg, trifft Kurz danach in einem Grillrestaurant. Kulinarisch dürfte der Kanzler auf seine Kosten kommen: Wie die „Heute“ aus dem Kanzler-Umfeld erfahren haben will, isst Kurz gerne Peking-Ente. Ob der Hintergrund des Treffens über bloßes Netzwerken hinausgeht, ist nicht bekannt.
Der Kanzler hatte schon für 2020 eine USA-Reise geplant. Corona hatte die Pläne durchkreuzt. Mittlerweile sitzt nicht mehr Donald Trump im Weißen Haus, sondern Demokrat Joe Biden. Dass Kurz nicht auf den US-Präsidenten trifft, dürfte auch an der guten Beziehung des Kanzlers zu Trump und dessen Umfeld liegen. Der Kurz-Flug im Jet des Oligarchen Dmytro Firtasch, der Trump bei einer Anti-Biden-Kampagne behilflich gewesen sein soll, kam aber auch bei den Republikanern nicht gut an. ZackZack berichtete, wie demokratische und republikanische Abgeordnete per Brief ihre Sorgen bezüglich Firtaschs Auslieferungsprozess äußerten. So richteten die vier Politiker einen Appell an Außen- und Justizminister, um Druck auf die österreichische Justiz zu erhöhen. Sie befürchten, Firtasch könnte Politik und Justiz in Wien korrumpieren, um nicht ausgeliefert zu werden.
Postenschacher auch in New York spürbar
Der türkise Postenschacher ist übrigens auch am Big Apple spürbar. ZackZack berichtete über die in diplomatischen Reihen umstrittene Beförderung von Gerold Vollmer, dem jetzigen Leiter der Nahostabteilung im Außenministerium. Vollmer war zuvor in der österreichischen Vertretung bei den Vereinten Nationen für die Betreuung von Kurz zuständig, wenn dieser in New York war. Es sei dabei „für alle offensichtlich gewesen, dass die beiden sich sehr gut verstanden“, so ein ranghoher Diplomat. Obwohl nicht ausreichend qualifiziert, leitet er jetzt eine wichtige Abteilung, allerdings in Wien.
(wb)
Titelbild: APA Picturedesk