Kommentar
Die WKStA erhebt Anklage gegen den ehemaligen Grünen Christoph Chorherr. Das schmerzt manche, die sonst für schonungslose Aufklärung stehen.
Thomas Walach
Wien, 11. November 2021 | Der „Falter“ hat sich um den Aufdeckerjournalismus sehr verdient gemacht, gerade auch, weil er die Arbeit der WKStA stets gegen Angriffe aus der ÖVP verteidigt hatte.
In der Causa Chorherr wird der „Falter“ nun selbst zum Angreifer gegen die Korruptionsermittler. Der „Falter“ schlägt sich auf die Seite von Benko und Tojner weil sie die Mitangeklagten eines Grünen sind. Er veröffentlicht tendenziöse Artikel, in denen die WKStA als unfähig dargestellt und die Projekte der Angeklagten gelobt werden. Da wird das Tojner-Hochhaus am Heumarkt zum „schlanken Turm“ der einen „alten Hotelkasten“ ersetzen sollte – die Einsprüche der UNESCO sind nicht einmal eine Erwähnung wert.
Da wird die Anklageschrift als „dünn“ bezeichnet – die hat mit 47 Seiten plus Anhang erstens einen üblichen Umfang und beruht zweitens auf jahrelangen Ermittlungen. Der Akt ist tausende Seiten stark. Ja, es stimmt, in der Anklageschrift finden sich formale Fehler – etwa, wenn aus dem Planungssprecher Chorherr irrtümlich ein Planungsstadtrat Chorherr wird. Das ist ärgerlich, ändert aber nichts an der Substanz der Ermittlungen.
„Falsche Fakten“
Und anders, als im „Falter” zu lesen geht es auch nicht um die Frage: „Wie viel soziales Engagement verträgt ein öffentliches Amt?“ Es geht um Korruption. Und Korruption bleibt Korruption, mögen auch die mutmaßlichen Motive Chorherrs edler gewesen sein als die mancher Türkiser und Blauer.
Dass sich der Falter-Chefredakteur jetzt sogar das Kurz-Wording von „falschen Fakten“ zu eigen macht, um die WKStA zu attackieren, wird dem Ruf eines der letzten kritischen Medien im Land nachhaltig schaden – eine Katastrophe. Denn über der politischen Linie eines Investigativmediums, über den persönlichen Beziehungen seiner Mitarbeiter zu Politikern muss der unbedingte Wille zur Aufklärung stehen. Beim „Falter“ waren schon im „Tierschützerprozess“ und in Sachen Pilnacek persönliche und berufliche Naheverhältnisse plötzlich wichtiger als der investigative Spürsinn.
Entsteht einmal der Eindruck, dass Investigativmedien Aufklärung nur befürworten, solange es nicht gegen die eigenen Freunde geht, wird der Vertrauensverlust der Leser ebenso groß wie berechtigt sein. Das können wir uns nicht leisten. Dafür sind wir zu wenige.
Titelbild: APA Picturedesk