Wen die Inflation besonders hart trifft
Auf dem Papier schaut das Verhältnis von Löhnen und Teuerung gut aus. Dennoch haben viele Menschen das Gefühl, dass ihnen immer weniger Geld zum Leben bleibt. Was stimmt?
Wien, 16. Dezember 2021 | 4,3 Prozent. Um so viel wurde das Leben teurer, vergleicht man den November 2021 mit dem des Jahres davor, als die Preise wegen der Krise stark gedämpft waren. Für das kommende Jahr haben die Gewerkschaften angesichts der Teuerung ordentliche Lohnerhöhungen verhandelt, doch die Inflation 2021 mussten die Menschen im Land erst einmal schlucken. Das Resultat: „Real gingen die Löhne 2021 leicht zurück, für 2022/23 ist eine leichte Steigerung zu erwarten“, sagt Arbeitsmarktspezialist Sepp Zuckerstätter von der Arbeiterkammer.
Wer wenig hat, dem wird genommen
Ist also alles in Butter? Nein, denn die Inflation trifft unterschiedliche Gruppen unterschiedlich stark – und das seit Jahrzehnten, wie Ökonom Alexander Huber vom Momentum Institut vorrechnet. Am Schlimmsten erwischt es ausgerechnet jene, die ohnehin wenig haben. Wer wenig Geld hat, gibt im Verhältnis besonders viel von seinem Einkommen für Wohnen und Energie aus. Und gerade diese Dinge steigen besonders stark im Preis, während Luxusgüter tendenziell billiger werden.
Von 2005 bis 2019 lag die Inflation für das oberste Einkommensfünftel bei insgesamt 28 Prozent. Beim untersten Einkommensfünftel waren es aber 32 Prozent. Einen großen Unterschied macht auch, ob man zur Miete oder im Eigentum wohnt. Während die Inflationsrate für Wohnungseigentümer von 2016-2019 bei etwa vier Prozent lag, schlug die Teuerung für Mieter mit über sieben Prozent zu. Und: In der Stadt ist die Inflation höher als auf dem Land. Der typische Wähler konservativer Parteien kommt also in Summe besser weg.
Schiach wie der Zins
Das liegt unter anderem daran, dass ein großer Teil des Einkommens für die Miete ausgegeben werden muss und „die Mieten steigen seit Jahren doppelt so hoch wie die Einkommen. Das geht sich dann irgendwann nicht mehr aus“, wie Elke Hanel-Torsch von der Mietervereinigung weiß. Besonders betroffen seien Alleinerzieherinnen. Und seit Beginn der Corona-Krise merke man bei der Mietervereinigung einen deutlichen Anstieg an Beratungsgesprächen.
Während bei einigen die Einkommen also kontinuierlich wachsen, oder jedenfalls mit der Inflation Schritt halten, gilt gerade für jene, bei denen das Geld knapp ist, tatsächlich: Alles wird teurer.
Die US-amerikanische Notenbank Fed kündigte am Mittwoch ein Ende der Niedrigzinspolitik an, mit der sie die amerikanische Wirtschaft aus der Krise bringen wollte. Traditionell dämpfen steigende Zinsen die Inflation, weil sich Sparen im Vergleich zum Konsumieren eher auszahlt.
150 Euro extra
Für Österreich gelte das aktuell aber nicht, sagt Alexander Huber. Die Inflation in Österreich werde nicht durch Konsum angetrieben, sondern durch teure Importe von Öl und Gas. Da nütze es nichts, die Zinsen zu erhöhen. Das würde das Wachstum nur weiter dämpfen. Sepp Zuckerstätter fragt sich, „ob es sinnvoll ist, die Mieten automatisch an die Inflation anzupassen.“ Denn dass die Mieten steigen, wenn das Öl teurer wird, sei nicht nachvollziehbar.
Die Regierungsfraktionen kündigten am Mittwoch in Person der Klubchefs August Wöginger (ÖVP) und Sigi Maurer (Grüne) eine Einmalzahlung von 150 Euro für Bezieher niedriger Einkommen an. An den strukturellen Problemen, die dazu führen, dass in Österreich die Armen immer ärmer werden, wird sie nichts ändern.
Die Politik müsse die unterschiedlichen Teuerungsraten für unterschiedliche Gruppen in ihre Entscheidungen einbeziehen, fordert Momentum-Ökonom Huber. Nur so könnten die realen Einkommensverluste der Menschen tatsächlich ausgeglichen werden. In Sicht ist das derzeit nicht.
(tw)
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