Eine ZackZack-Recherche zieht weite Kreise in Deutschland: Wie „Capital“ berichtet, ist die IT-Sicherheitsfirma Virtual Solution verkauft worden. Marsalek, Peterlik & BVT-Mann W. vermittelten sie einst an das Wiener Außenministerium. Jetzt steigt Hauptinvestor von Rintelen aus.
Wien, 25. Februar 2022 | Die Münchner IT-Sicherheitsfirma Virtual Solution ist an eine größere Firma aus Dortmund verkauft worden. Das berichtet das Wirtschaftsmagazin „Capital“. ZackZack enthüllte zuvor in einer gemeinsamen Recherche mit „Spiegel“ und „Standard“ eine heikle Geschäftsanbahnung zwischen den Münchnern und dem Außenministerium (BMEIA). Virtual Solution hätte, obwohl eigentlich für die Sicherung sensibler Kommunikation zuständig, den Hackerangriff auf das BMEIA zum Jahreswechsel 2019/20 aufklären sollen. In die Vermittlung involviert: Jan Marsalek, Ex-BVT-Agent Martin W. und Ex-BMEIA-General Johannes Peterlik.
Recherche mit Folgen
Der Deal platzte, doch die Recherche zieht in Deutschland weite Kreise. Dort sichert Virtual Solution für knapp 40 Bundesbehörden sensible Kommunikation ab, darunter Finanzministerium und Bundeskriminalamt. De Masi, zuletzt als Aufdecker im Wirecard-U-Ausschuss des Deutschen Bundestags unterwegs, äußerte im Zuge der ZackZack-Recherchen seine Bedenken: „Herr von Rintelen sagte mir auch, man führe ein Pilotprojekt mit Bundestagsabgeordneten durch. Liest dann Marsalek beim nächsten U-Ausschuss mit?“
Nicolaus von Rintelen ist der Hauptgesellschafter von Virtual Solution. „Capital“ bohrte jüngst nach und brachte ihn augenscheinlich in Erklärungsnot. Anwälte des Investors ließen verschiedenen Medien, darunter ZackZack, ein entlastendes Statement zukommen, wonach im Rechtssinne kein Naheverhältnis zwischen ihm und Jan Marsalek bestehe. Die Untersuchungen stützen sich dem „Capital“-Bericht zufolge auf einen sehr begrenzten Zeitraum und auch nur auf bestimmte Kommunikation, die von Rintelen selbst vorgelegt habe.
So sind vonseiten des Investors etwa keinerlei Chats aus 2018 auf den Tisch gelegt worden – also jenem Jahr, in dem von Rintelen Marsalek in dessen Villa zu Verhandlungen mit Wirecard traf. Mit dem mutmaßlichen Marsalek-Fluchthelfer Martin W. stand von Rintelen bis mindestens Juli 2020 in Kontakt, also bis zu einem Zeitpunkt, als Marsalek schon weltweit gesucht wurde, wie „Capital“ schreibt. Trotz des Entlastungsschreibens ist es von Rintelen jetzt offenbar zu heiß geworden.
Investor mit delikaten Verbindungen
Er habe Virtual Solution an die Dortmunder IT-Sicherheitsfirma Materna verkauft, die zuletzt 350 Mio. Euro Umsatz und mehr als 3.000 Mitarbeitern zählte. Zum Vergleich: Virtual Solution erzielte laut Jahresabschluss 2020 einen vergleichsweise überschaubaren Umsatz von 8,7 Mio. Euro, und das bei einem Verlust von 4,4 Mio. Euro. Dennoch ist das Unternehmen bisher von großer Bedeutung für die deutsche Bundesregierung. Man wolle die Zusammenarbeit „punktuell“ überprüfen, hieß es lediglich.
Die Marsalek-Komponente ist übrigens nicht die einzige delikate Verbindung des Investors. Ein weiterer Wirecard-Strang führt über einen Ex-Geschäftspartner Marsaleks zum Coronatest-StartUp Digital Diagnostics, bei dem laut „Capital“ auch der frühere FPÖ-Politiker Thomas Schellenbacher als Berater tätig gewesen sei. Schellenbacher ist wie Ex-BVT-Mann Martin W. einer der mutmaßlichen Fluchthelfer von Marsalek und stand im Zentrum der Mandatskaufaffäre – ZackZack deckte auf.
Und dann ist da noch von Rintelens Russland-Connection. Vor seiner Zeit bei Virtual Solution hatte der Investor nämlich jahrelang beim russischen Gaskonzern Nowatek gearbeitet, der unter anderem von Oligarch Leonid Michelson geleitet wird. Michelson, den von Rintelen als einen „Mentor“ bezeichnet, steht bei Wladimir Putin hoch im Kurs. Der russische Despot lud Michelson im Zuge des Russland-Krieges zu einer Audienz. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich Michelson bald wieder auf Sanktionslisten finden wird. Von Rintelen will damit nichts zu tun haben. Er betont, bei seinem Virtual Solution-Einstieg habe der Kreml-nahe Oligarch „keinerlei Rolle gespielt“.
Dass der Verkaufsprozess generell irgendetwas mit der wilden Vorgeschichte zu tun hat, weist von Rintelen laut „Capital“ von sich. Demnach habe man schon 2020 entsprechende Schritte für einen Verkauf eingeleitet.
(wb)
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