Zu Beginn des U-Ausschusses versucht die ÖVP, die BMI-Chats mit einem Nebenstrang der Wirecard-Affäre infrage zu stellen. Wer die ÖVP kommunikativ berät und warum das brisant ist:
Wien, 01. März 2022 | Eine Zeit lang war es erstaunlich ruhig an der Wirecard-Front in Österreichs Medien. Seit Wochen kursieren jedoch heikle Teile eines Ermittlungsaktes. Es geht um einen Wirecard-Nebenstrang, der Ex-BVT-Leute betrifft. Besonders perfide: Putins Krieg soll laut Insidern ausgenutzt werden, um mutmaßliche Russlandspionage im U-Ausschuss auszuschlachten. Dabei ist die ÖVP mit kurzer Unterbrechung seit rund 20 Jahren für die Sicherheit des Landes (BMI, BVT) zuständig. Was hat es mit der Kampagne auf sich?
Im Maschinenraum der Storys
Aussendungen, Pressekonferenzen, Kommentare in ÖVP-freundlichen Zeitungen: für den konservativen Fraktionsführer Andreas Hanger sind die Ermittlungen gegen Ex-BVTler ein „aufgelegter Elfmeter“. Die Partei steht seit Wochen wegen der BMI-Chats unter Druck. Jetzt, da der U-Ausschuss beginnt, wird aus allen Rohren gefeuert und vernebelt. Wer für die Kanzlerpartei im Hintergrund die kommunikativen Fäden zieht, ist durchaus interessant.
Genuin für die U-Ausschuss-Kommunikation hat man nämlich Georg Streiter engagiert. Er gilt als kluger Medienstratege, beriet Ex-Kanzlerin Angela Merkel, sorgte bei der „BILD“ für knackige Schlagzeilen. Laut Branchenmagazin „Clap“ hat nicht Streiter selbst den Auftrag bekommen, sondern die Lobbying-Agentur Storymachine, wobei in „Kurier“ und „Der Standard“ von Vermittlung die Rede ist. Fest steht: die Agentur mischt zumindest indirekt in der Wiener Politik mit. In Berlin ist sie bekannt, wenn nicht berüchtigt.
Die Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichte im September 2021 einen Hintergrundartikel über die Geschichtenmacher mit dem Titel „Scheinfluencer“. Ehemaligen Mitarbeitern zufolge betreibt Storymachine Social-Media-Lobbying. Dazu gehören etwa auch Alter-Egos auf Twitter und Drehbücher für Postings im Auftrag meist zahlungsfreudiger Kunden, wie aus dem Bericht hervorgeht. Wie viel für die Beratungsleistung bezahlt wird, wollten sowohl Streiter bzw. Storymachine als auch die ÖVP auf Anfrage nicht beantworten. Im Maschinenraum der Agentur werkt auch jemand, der selbst mit Wirecard zu tun hatte: Ex-„BILD“-Chef Kai Diekmann.
Diekmann an Braun: „Bleiben Sie stark!“
Was hat Diekmann mit dem mittlerweile insolventen Münchner Zahlungskonzern zu tun? Diekmann sollte seine Kontakte in Berlin nutzen, um für Wirecards Anliegen zu werben, allerdings im Auftrag der PR-Agentur Edelman. Genauso Ex-CSU-Hoffnung Karl-Theodor zu Guttenberg, der im Board von Edelman sitzt. Der ehemalige deutsche Verteidigungsminister kassierte gar eine Rüge vom deutschen PR-Rat DRPR, da er einen Artikel, der im Sinne des Skandalkonzerns für ein Verbot von Aktienleerverkäufen warb, nicht als Auftragsarbeit gekennzeichnet haben soll.
Hinzu kommen Diekmann-Chats mit dem mittlerweile inhaftierten Ex-Wirecard-CEO und ÖVP-Großspender Markus Braun. Diekmann im Jänner 2020 an Braun: „Mir ist es ein Anliegen, Ihnen noch einmal persönlich mitzuteilen, dass mir unser Austausch vor einer Woche sehr viel Spaß gemacht hat“. Er, Diekmann, sei jederzeit erreichbar, auch beim Thema Personalien „wenn es um operative Unternehmenskommunikation geht“.
Braun bedankt sich und betont, das Angebot gerne anzunehmen. Am 14. Mai 2020, einen Monat vor dem Zusammenbruch des Finanzkonzerns, wendet sich Diekmann wieder per Mail an Braun: „Es macht fassungslos, wie Fakten und Darstellung von Fakten auseinanderfallen können. Bleiben Sie stark! Beste Grüße!“ Die Kommunikation liegt ZackZack vor. Offenbar meinte Diekmann die damals kritischen Medienberichte von „Financial Times“ (FT) & Co., gegen die Wirecard in weiterer Folge mit Kampagnen, Detektiven und einer dreisten Journalistenfalle vorging.
Zwischen Lobbying und Drohungen
Apropos kritische Medienberichte: Diekmann wehrte sich in Deutschland gegen die Veröffentlichung seiner Wirecard-Spuren und setzte dabei auf die prominenten Medienanwälte der Kanzlei Schertz Bergmann. Die sorgten auch schon im Dienste von ÖVP-Großspender Alexander Schütz für Aufsehen. ZackZack wurde im Zuge von Recherchen über Schütz, der am Mittwoch im U-Ausschuss als Auskunftsperson geladen ist, bereits vorab gedroht. Negative Schlagzeilen hatte er schon zuvor gemacht: die Botschaft an Braun „Macht diese Zeitung fertig ;-)!!“ (gemeint war die „FT“, Anm.) hatte dafür gesorgt, dass sich Schütz als Aufsichtsrat der Deutschen Bank zurückzog.
Diekmann will das mit Wirecard so nicht stehen lassen, er sieht sich als Opfer. Er habe wie viele andere den Analysten, Medienmachern und der deutschen Finanzaufsicht vertraut, so der Ex-“Bild”-Chef. Warum berät ausgerechnet seine Lobbying-Agentur die ÖVP für den U-Ausschuss? Versucht man, von Verstrickungen gewisser ÖVP-Leute mit Wirecard abzulenken?
Zumindest muss man nicht lange wühlen, schon findet man enge ÖVP-Wirecard-Connections: mal lud der ÖVP-nahe Lobbyist Wolfgang Rosam zu einem Dinner mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seinem Finanzier Markus Braun; ein anderes Mal mal kosteten Braun, Rosam & Co. teuren Rotwein in einer halboffiziellen Runde; ein wieder anderes Mal gab es lukrative Berateraufträge für Ex-BMI-Mitarbeiter. Besonders heikel sind aber Wolfgang Sobotkas Treffen mit Jan Marsalek in Moskau und die Tatsache, dass das Innenministerium Kreditkarten von Wirecard für Ermittlungen nutzte – und so den Bock zum Gärtner gemacht haben könnte.
Diekmann wollte keine Stellungnahme abgeben, auch nicht auf die Frage, ob Storymachine etwas mit entlastenden Medienberichten über Markus Braun zu tun haben könnte. Im Vorfeld der U-Haft-Verlängerung des Ex-Managers war über dessen Unschuld spekuliert worden, Braun sei womöglich Opfer seines ehemaligen Kollegen Jan Marsalek, hieß es. Der Spin würde zumindest gut zur sogenannten Spionagecausa passen, die vor allem Marsaleks BVT-Kontakte in den Blick nimmt. Diekmanns Kollege Streiter, der für die ÖVP sogar Quartier in Wien bezogen hat, wollte sich ebenso nicht äußern. Es ist unklar, welche Rolle einnimmt, oder ob seine Storymachine lediglich Streiter vermittelt hat. Diekmanns Kontakte und Erfahrungen dürften aber für die ÖVP nützlich sein.
Bekannte Strategien
Nun beginnt also der U-Ausschuss, der sich genuin mit mutmaßlicher ÖVP-Korruption befasst. Die Partei von Kanzler Karl Nehammer scheint damit bislang so umzugehen, wie schon beim Ibiza-U-Ausschuss, etwa in Gestalt von PR-Angriffen auf Oppositionspolitiker. So wurde NEOS-Politiker Helmut Brandstätter indirekt der Russlandspionage bezichtigt – bemerkenswert, denn Brandstätter setzt sich bereits seit Jahren für eine europäische Ukraine ein.
Streiters Ziel sei laut “Krone”, dass Kanzler Nehammer und seine Partei “möglichst unbeschädigt aus dem Ausschuss hervorgeht”. Ob das aufgeht, darf bezweifelt werden. In den BMI-Chats finden sich zahlreiche Hinweise auf mutmaßliche Straftaten und Rechtswidrigkeiten. Was von hoher öffentlicher Relevanz ist, wird von der ÖVP als angeblich gestohlene „Staatsgeheimnisse“ dargestellt. Bislang konnte allerdings niemand erklären, was an Postenschacher und Hinweisen auf Amts- und Machtmissbrauch ein Staatsgeheimnis sein soll. Auch nicht ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner, die das in einer OTS-Aussendung behauptet hatte. Fazit für die ÖVP: es bleibt schwierig. Trotz delikater Geschichtenmaschine aus Berlin.
(wb)
Titelbild: YouTube, Screenshot Jung & Naiv.