Der letzte Widerstand:
Die Sanktionen schneiden die letzte kritische Stimme in Russlands Presse von ihrer Lebensgrundlage ab. Das Onlinemedium “Meduza” braucht Unterstützung.
Riga, 15. März 2022 | The real Russia, today. So wirbt das Onlinemedium „Meduza“ für seine Berichterstattung und nimmt dabei die Propaganda des Staatsfunks „Russia Today“ aufs Korn. Meduza ist eine der letzten unabhängigen Stimmen aus Russland. Nachdem das Putin-Regime begonnen hatte, immer aggressiver gegen kritische Berichterstattung vorzugehen, gründete Journalistin Galina Timtschenko „Meduza“ im lettischen Riga. Timtschenko war zuvor auf Druck des Regimes als Chefredakteurin der großen russischen Nachrichtenseite „lenta.ru“ gefeuert worden. Fast die gesamte Redaktion kündigte aus Solidarität.
Neuanfang
In Riga sollte es ohne staatliche Zensur weitergehen. „Meduza“ wuchs und war wirtschaftlich erfolgreich, bis Russland das Onlinemedium letztes Jahr zum „ausländischen Agenten“ erklärte. Die Werbeeinnahmen brachen ein, die Arbeit von „Meduza“ wurde ab dann nur durch Spenden der Leser ermöglicht. 30.000 Mitglieder hat das Kreml-kritische Investigativmedium in Russland. Sie hielten die Aufklärungsarbeit der rund 50 Redakteure am Laufen.
Doch die Sanktionen gegen Russland schneiden das Medium nun von Spendengeldern aus Russland ab. „70 Prozent unserer Leser sind in Russland“, erklärte Investigativreporter Alexey Kovalev am Donnerstag im Reuters-Interview. Wie die meisten anderen „Meduza“-Reporter in Russland musste Kovalev nach dem Angriff auf die Ukraine fliehen.
Direkt in die EU konnten sie wegen der Sanktionen nicht. Aus den russischen Bankomaten kommt kaum noch Bargeld, der Rubel ist fast wertlos. Um Repressionen zu entgehen, versuchen sie, irgendwie ins angrenzende Ausland zu kommen. Sie übernachten mit ihren Familien bei Freunden, versuchen sich nach Europa durchzuschlagen. Trotzdem berichten sie weiter über den Krieg – und nennen ihn auch so.
Die letzte Hoffnung: Europa
„Wir sind die verbliebene Stimme, sowohl in Russland als auch auf Englisch im Ausland“, sagt Kovalev. Diese letzte kritische Stimme könnte bald verstummen. Eine Gruppe unabhängiger europäischer Medien, darunter ZackZack, beriet am Freitag, wie man den Kollegen von „Meduza“ helfen könne. 57 Journalisten aus ganz Europa nahmen teil, für ZackZack war Russland-Spezialistin Nura Wagner dabei.
Die letzte Hoffnung für Kovalev: Wenn die Leser in Russland nicht mehr spenden können, finden sich vielleicht genügend Menschen außerhalb Russlands, die einspringen. „Medzua“ startet eine Crowdfunding-Kampagne. Von ihr wird abhängen, ob unabhängiger Journalismus in Russland ganz verstummt.
(tw)
Titelbild: APA Picturedesk/ZackZack