Freitag, März 29, 2024

ÖVP/Wirtschaftsbund-Causa – Magazin dürfte wahre Cash Cow sein

ÖVP/Wirtschaftsbund-Causa

Nach Recherchen der “Vorarlberger Nachrichten” dürfte das Magazin “Vorarlberger Wirtschaft” des Vorarlberger Wirtschaftsbundes eine wahre Cash Cow sein.

Wien, 31. März 2022 | Die “VN” errechnete anhand einer Inserate-Auswertung der Publikation, die mit einer Auflage von 20.000 Stück erscheint, einen jährlichen Anzeigenumsatz von rund 1,2 Mio. Euro allein 2021. Wirtschaftsbunddirektor Jürgen Kessler dementierte gegenüber der Zeitung, diese Umsatzschätzung sei “viel zu hoch”.

70 Prozent Anzeigen

Von Dezember 2020 bis Ende 2021 erschienen insgesamt 364 Seiten Inserate oder PR-Artikel in dem Magazin, das bis zu 70 Prozent aus Anzeigen bestand. Inserate im Bruttowert von 103.500 Euro – ein Seitenpreis von 3.000 Euro zugrunde gelegt – erschienen im Auftrag von Landesunternehmen. So buchten die Hypo Vorarlberg elf Seiten, die Wirtschafts-Standort Vorarlberg GmbH (WISTO) und Vorarlberg Tourismus je sechs Seiten, der Landesenergieversorger illwerke/vkw fünfeinhalb Seiten. Weitere Inserate kamen unter anderem vom Forschungsdienstleister V-Research, vom Vorarlberger Verkehrsverbund, von Wirtschaftskammer-Fachgruppen, den ÖBB oder dem AMS. Hypo Vorarlberg und illwerke/vkw verwiesen gegenüber den “VN” auf Geschäftskunden als interessante Zielgruppe, man habe in dem Magazin für konkrete Produkte und Dienstleistungen geworben.

In der Anzeigenauswertung tauchen auch ÖVP-Unterstützer auf: So schaltete der Fruchtsafthersteller Rauch binnen zwölf Monaten sieben Seiten, acht Seiten kamen vom Getränkedosen-Hersteller Ball. Auch Hirschmann Automotive inserierte mehrfach. Zudem summierten sich die Klein-Inserate unter 3.000 Euro während des Jahres 2021 auf 298.500 Euro. Auch die Krankenkassen ÖGK und SVS kamen 2021 häufig in der “Vorarlberger Wirtschaft” vor. Dafür soll laut Kessler aber kein Geld geflossen sein, es habe sich um “redaktionelle Serviceseiten” gehandelt. Manfred Brunner, Obmann der ÖGK Vorarlberg, bestätigte den “VN”, die ÖGK habe nie eine Anzeige geschaltet. Dies sei “Sache von Jürgen Kessler” gewesen, der sich damals mit Brunner die ÖGK-Obmannschaft teilte.

Kessler hatte diese Funktion Anfang 2022 überraschend “aus persönlichen Gründen” zurückgelegt. Zuvor, im Dezember 2021, war Kessler wegen Inseratenpraktiken erstmals in die Schlagzeilen geraten. Er hielt über die 3L Consult GmbH 49,9 Prozent an der Kommunikationsberatung Mediateam, die auch den Inseratenvertrieb der Kammerzeitung “Die Wirtschaft” abwickelt. Zehn Prozent hielt Geschäftsführer Markus Steurer, 40 Prozent Russmedia. Infolge der öffentlichen Aufregung gab Kessler seine Anteile ab, nun hält Russmedia laut “Standard” 75 Prozent, 25 Prozent gehören dem Geschäftsführer. Mediateam betreut auch die Wirtschaftskammerpublikationen “thema vorarlberg” und “Check Lehre”, die Ärztekammerzeitung “Arzt im Ländle” und die Landwirtschaftskammerzeitung “Unser Ländle”.

“Blase weit größer als bisher bekannt”

Das nächste Erscheinen des bei Russmedia gedruckten Wirtschaftsbund-Mitgliedermagazins “Vorarlberger Wirtschaft” ist für 4. April angekündigt, die Ausgabe ist laut Kessler in Arbeit. Den Anzeigenverkauf für “Vorarlberger Wirtschaft” übernahm offenbar direkt der Wirtschaftsbund. Laut der Tarifinformation für 2022 sind jedenfalls “Aufträge” an den “Vorarlberger Wirtschaftsbund in 6800 Feldkirch” zu richten. Wie viel Geld über das Wirtschaftsbund-Magazin nun tatsächlich lukriert wurde, bleibt weiter offen. An die ÖVP-Landespartei geflossen sein sollen lediglich rund 100.000 Euro pro Jahr. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hatte gegenüber der APA erklärt, die ÖVP habe vom Wirtschaftsbund nur einmal pro Legislaturperiode Geld erhalten, zuletzt 2019 500.000 Euro.

Zu Wort meldete sich nach dem ehemaligen Tischler-Innungsvertreter Michael Stadler am Donnerstag auch der langjährige Obmann der Sparte Industrie, Christoph Hinteregger. Er könne die Aussagen Stadlers nur bestätigten, “aber die Blase ist noch weit größer als bisher bekannt”. Es müsse nun reiner Tisch gemacht werden. “Eine Beseitigung der bisher geübten Praxis im Wirtschaftsbund tut der Wirtschaft und dem Land gut”, so Hinteregger in den “VN”. Eine Neuordnung verlangte auch der ehemalige Obmann des Wirtschaftsbundes Wolfurt (Bez. Bregenz). Was nun ans Licht komme, schade der Wirtschaftskammer und der Landes-ÖVP. Dem Vernehmen nach sollen die Telefone in der ÖVP-Landesparteizentrale in der Sache inzwischen heiß laufen, Funktionäre luden dort ihren Unmut ab.

SPÖ: Wirtschaftskammer kein Selbstbedienungsladen

SPÖ-Wirtschaftssprecher und SWV-Präsident Christoph Matznetter verlangte, die ÖVP Vorarlberg solle die vom Wirtschaftsbund erhaltenen Beträge als Wiedergutmachung an die Wirtschaftskammer zurückzahlen. “Die Wirtschaftskammer ist kein Selbstbedienungsladen für wahlwerbende Gruppen, sondern Interessenvertretung der Betriebe”, betonte er. Dass Kammerpflichtmitglieder unter Druck gesetzt worden seien, zeichne ein “erschreckendes Sittenbild”, so Vorarlbergs NEOS-Kluobfrau Sabine Scheffknecht. Erschreckend sei das Schweigen von ÖVP-Parteiobmann Wallner und Wirtschaftskammerpräsident Hans Peter Metzler. “Wenn ein Mitarbeiter zu solchen Methoden greift, wie es Jürgen Kessler mutmaßlich getan hat, muss eine Führungsperson Konsequenzen ziehen”, betonte sie.

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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15 Kommentare

  1. Der Föderalismus in Österreich stammt noch auch der K&K Zeit. Es wird Zeit die Landesregierungen abzuschaffen und Lean Government einzuführen. Was die ÖVP in Wien aufführt ist vollkommen ausreichend. Es braucht die teuren Landesfürsten der Finsternis nicht. Warum soll beispielsweise ein Tier in Niederösterreich anders behandelt werden als in Oberösterreich. Das ist Ländersache aber trotzdem doof hier zu unterscheiden.

  2. Deepstate
    die ÖVP hat in den Ländern ihren Deepstate errichtet, die SPÖ in Wien.
    Viele finden den Begriff Deepstate zu extrem. Nein, wahrscheinlich ist es noch untertrieben.

    Leider kommen die wirklichen Drahtzieher aus der Riege der Vermögenden kaum in den Vordergrund. Hie und da ist etwas zu bemerken: Wolf, Schelling, Hametseder, Hörl, Pierer, Horten, Glock und Co. Das sind die wirklichen Profiteure, egal ob ÖVP oder SPÖ.

  3. Ich bin Wirtschaft. Ich kann nicht sagen, wie viel wir mit Inseraten eigenommen haben. Aber ich weiß ganz bestimmt, dass die genannten Beträge “viel zu hoch” sind. – Gibts in der Wirtschaft keine Buchhalter:in mehr, die mit einem Knopfdruck die Einnahmen aus dem Jahr 2021 herzaubern können? Wozu braucht ein Wirtschaftsbund Buchhalter:innen?

    Ich bin die Wirtschaft. Wieso muss ich Steuern zahlen, wo ich doch die Wirtschaft bin? Wenns mir gut geht, gehts uns alle gut. – Gehts euch noch gut?

    Ich bin die Wirtschaft. Ich weiß, wie Karusselgeschäfte fuktionieren. Ich weiß, wie man Ein- und Ausgänge umbucht. Regts euch nicht auf, machts es halt auch so gut. Da gibts so viele Deppensteuern, das Geld holen wir uns im Karussell zurück.

    Ich bin die Wirtschaft. Steht schon in meinem Namen drin. Was regts euch auf? Sollen wir Verluste erwirtschaften? Wir brauchen eine Partei, die uns Gewinne zu erwirtschaften garantiert. – Alles richtig gemacht.

  4. Wahnsinn , was sich da auftut …
    Das ist kein Netzwerk mehr, das ist de facto “ein Staat im Staat”!
    Genau so wird eine Volkswirtschaft als Werkzeug für Betriebswirtschaft mißbraucht. Genau so!!!

  5. Keine andere Partei beherrscht das Spiel der Umwegrentabilität so wie die ÖVP. Man fragt sich schön langsam ob das auf der Parteiakademie gelehrt wird. Die Vorarlberger VP führt uns wieder eine neue Variante des alten Spiels vor: “Wie leite ich öffentliche Gelder in die Parteikasse um”.

  6. Ein weiterer Megaskandal der schwarzen Mafiafamilie. Rechtfertigung des LH, …”das mit den Steuern hamma net gwusst”
    Soviel Personal können die Oppositionsparteien gar nicht stellen, wie UAusschüsse gegen die Familiensauereien, zu installieren notwendig wären.
    Ist der Winzerkanzler eigentlich wieder auf Reha?
    Es muss heller werden Österreich!

      • Lieber Summa summarum, ich glaube er ersäuft seinen Kummer über seine erbärmliche Performance mit Alkohol. Einer der letzten Politiker mit Gewissen, oder?
        Es muss heller werden Österreich!

  7. Kopf des Tages
    Ausgerechnet jener Tischler, der offen gegen die Mißstände der Vorarlberger Wirtschaftskammer aufgetreten ist und im heutigen Standard als Kopf des Tages gefeiert wurde, hat schon heute eine Steuerprüfung am Hals.
    Der Standard schrieb vom Mann der am Stuhl der ÖVP sägt. Jetzt sägt das Finanzamt an den Stühlen des Tischlers!

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