Freitag, September 20, 2024

Von Cobra-Libre zu Putin: Ausflucht nach Moskau

Kommentar

Nehammers Reise nach Kiew zu Selenskyj war ein politisches Signal. Seine Reise nach Moskau zu Putin war ein politischer Fluchtversuch. Beide Reisen hatten doppelte Böden.

Peter Pilz

Wien, 12. April 2022 | Also, hier meine Anerkennung für Karl Nehammer: Ich finde es richtig, dass er nicht nur Selenskyj, sondern auch Butscha besucht hat. Das hätte ein wichtiger Besuch sein können, wenn die Regierung in Wien

  1. die Blockade Österreichs gegen einen EU-Energieboykott aufgegeben hätte
  2. den Schutz der Putin-Konten und der Oligarchen-Vermögen in Österreich beendet hätte
  3. den Putin-Oligarchen Firtasch an die USA ausgeliefert hätte
  4. und die hunderten hauptamtlichen FSB- und SWR-Agenten samt ihrer Residenten ausgewiesen hätte.

Nehammer stärkt der Ukraine den Rücken – und fällt ihr gleichzeitig in denselben. Das nennt man „doppelten Boden“. Er ist die Grundlage der Politik der ÖVP auch gegenüber Putin.

Absurder Fluchtversuch

Im Gegensatz zum Selenskyj-Besuch war der Ausflug zu Putin politisch bestenfalls absurd. Ohne Abstimmung mit Bundespräsident, Koalitionspartner und den Regierungen der EU war Nehammer im Flugzeug nach Moskau wohl nur auf einem ÖVP-Trip. Nehammer hat Putin dort „seine Meinung“ gesagt. Aber bei Gazprom-Lieferungen, Raiffeisen-Milliarden, Oligarchen-Vermögen und der Duldung hunderter russischer Agenten in Österreich ist er Putins Meinung – und steht still auf dessen Seite. Nehammers Aktion hat die Risse in der EU verstärkt und niemandem außer Putin genützt. Nehammer will sicherlich nicht als stiller Kollaborateur des russischen Kriegsherren gesehen werden. Aber er geht genau dieses Risiko ein.

Der Kanzler-Ausflug nach Moskau war wohl nur ein Fluchtversuch vor den wachsenden Problemen zu Hause: COVID-Desaster, ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, BMI-Chats, Sobotka-Auslieferung und Cobra Libre, der misslungenen Vertuschung des Dienstrausches in der Nehammer-Wohnung.

Nehammers Spin-Diktoren kennen ihre Patienten in den österreichischen Medien. Ein paar Tage lang gelingt die Ablenkung. Aber Nehammer kann nicht jede Woche zu einem Diktator fliegen und ihm dort unter vier Augen seine Meinung sagen. Bei jeder Rückkehr holt Österreich den Kanzler ein.

Also lassen wir uns auch jetzt nicht von Putin und Nehammer ablenken. Wir recherchieren weiter: von den russischen Verbindungen der ÖVP bis zu den Spitzen im Innenministerium, die den Vorfall bei Nehammers vertuschen wollen.

Titelbild: APA Picturedesk

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