Neueste Recherchen in der Vorarlberger Wirtschaftsbund-Affäre zeigen, wie sich Führungspersonal augenscheinlich selbst bediente. Es geht um Direktzahlungen an zwei ÖVP-Wirtschaftslandesräte. Die sprechen von „politischer Arbeit“.
Wien, 21. April 2022 | Der Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund hat in den vergangenen Jahren die beiden ÖVP-Wirtschaftslandesräte Karlheinz Rüdisser (2008 bis 2019) und Marco Tittler (seit 2019) mit Direktzahlungen bedacht. Das geht aus den Unterlagen des ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses hervor, die dem “Standard” und dem ORF Vorarlberg vorliegen.
Geld angeblich für “politische Arbeit”
Sowohl Rüdisser als auch Tittler sprechen von Geld für ihre “politische Arbeit”. Niemals sei ein Cent davon für private Zwecke verwendet worden.
Rüdisser erhielt den Unterlagen zufolge zwischen Mai 2016 und Februar 2019 zehn Mal je 500 Euro vom Wirtschaftsbund, insgesamt also 5.000 Euro ausbezahlt. “Es waren Verfügungsmittel für Veranstaltungen, wofür Kosten übernommen wurden”, sagte er gegenüber den “Vorarlberger Nachrichten”. Der Wirtschaftsbund habe für seine Funktionäre regelmäßig Kosten übernommen. Tittler, der 1.000 Euro bekommen haben soll, rechtfertigte sich in derselben Weise. Rüdisser führt den Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund seit 11. April interimistisch als Nachfolger des zurückgetretenen Hans Peter Metzler.
Seine Aufgabe sei es, die laufende Steuerprüfung zu begleiten und gegebenenfalls Konsequenzen in Form einer geänderten Organisationsstruktur zu ziehen. Das Finanzamt geht laut den publik gewordenen Unterlagen von einer Steuernachzahlung von bis zu 1,3 Mio. Euro aus, Rüdisser rechnete bisher im schlimmsten Fall mit 700.000 Euro.
Weitere Bargeldzahlungen in Höhe von insgesamt 4.500 Euro sollen an das Rote Kreuz gegangen sein. So gibt es Barabhebungen mit einem entsprechenden Vermerk. Den Steuerprüfern fehlt aber ein Beleg, dass das Geld auch wirklich an die Rot-Kreuz-Organisation geflossen ist.
Grünen-Tomaselli: “Selbstbedienungsladen”
Kessler trat am 1. April als Wirtschaftsbund-Direktor zurück, Natter ist aber weiterhin für den Wirtschaftsbund tätig.
Die Fraktionsführerin der Grünen im U-Ausschuss, Nina Tomaselli, schimpft und bezeichnet den Wirtschaftsbund als “Selbstbedienungsladen für Funktionäre”. “Auf dubiose Art und Weise” sei von Unternehmern Geld via Inserate eingesammelt worden, “um sich im Anschluss selber dafür fürstlich zu entlohnen”.
Landeshauptmann Markus Wallner steht jedenfalls gehörig unter Druck. Derweil ließ er ausrichten, seine Vorarlberger Volkspartei habe vom Wirtschaftsbund keine Spenden oder Sachleistungen erhalten. 2014 habe es finanzielle “Unterstützung” der Partei in Höhe von 400.000 Euro gegeben, 2019 seien es 500.000 Euro gewesen. Man verwies weiters auf das offene Steuerverfahren.
(apa/red)
Titelbild: APA Picturedesk