Montag, September 9, 2024

Gesundheitspersonal auf der Straße: »Regierung will sich unser Schweigen erkaufen«

Gesundheitspersonal auf der Straße

Am gestrigen Tag der Pflege gingen Tausende auf die Straße, um für bessere Arbeitsverhältnisse im Gesundheitsbereich zu demonstrieren. Die Wut auf die Regierung ist groß, daran könne auch die angekündigte Reform vorerst nichts ändern, sagen Betroffene gegenüber ZackZack.

Wien, 13. Mai 2022 | Donnerstag, 16.30 Uhr, im Sigmund-Freud-Park. Tausende Menschen aus den unterschiedlichsten Gesundheitsberufen lauschen der Abschlusskundgebung. Viele von ihnen suchen Abkühlung im Schatten, erholen sich vom Marsch, der sie am Nachmittag vom Bahnhof Wien Mitte über den Ring bis vor die Votivkirche gebracht hat.

Egal ob Intensivpflegerin in der Klinik oder Pfleger im Behindertenheim – sie alle kämpfen für bessere Arbeitszeiten und höhere Löhne. Als die Reden von führenden Gewerkschafts- und Arbeiterkammerfunktionären unter tosendem Applaus langsam abklingen und der Lärm weniger wird, nutzt ZackZack die Chance, um sich mit einigen von ihnen zu unterhalten.

“Wir wollen den Patienten mehr geben”

“Ich will gar nicht darüber diskutieren, was eine adäquate Bezahlung für unseren Job ist”, so eine Pflegerin aus der Klinik Favoriten. “Ich finde es einfach schade, dass sich unsere Arbeitsverhältnisse so verschlechtert haben. Die Patienten bleiben auf der Strecke, wir haben einfach keine Zeit mehr für sie und das ist einfach traurig. Für das bin ich nicht Krankenschwester geworden.”

Auch während der Corona-Pandemie, die für viele wohl eine der härtesten Zeiten in ihrem Berufsleben ausgelöst hat, stellen viele von ihnen das Wohl der zu Pflegenden über ihr eigenes. Das hört man auch im Gespräch mit einer Pflegerin aus Mistelbach heraus. “In unserem Heim bekommen die Menschen nur noch Notversorgung, weil einfach kein Personal da ist. Dabei wollen wir ihnen ja mehr geben.” Denn jeder sollte bedenken, meint eine ihrer Kolleginnen neben ihr, “dass auch wir mal gepflegt werden müssen und auch wir uns über eine gute Betreuung freuen würden.”

“Das hat mit Reform nichts zu tun”

Deshalb müsse man vor allem junge Menschen für den Beruf begeistern und ihnen den Zugang zur Ausbildung erleichtern. Oder wie es ein Wiener Pfleger in einer Einrichtung für behinderte Menschen ausdrückt: der Pflegeberuf dürfe nicht “akademisiert” werden. Der am Donnerstag vorgestellten Pflegereform kann der Mann, der in seinem Job aufgrund Personalmangels schon mal auf sechs 12-Stunden-Dienste in nur einer Woche kommt, nicht viel abgewinnen. “Das hat mit Reform nicht viel zu tun, das ist mehr ein Schweigen erkaufen von der Pflege. In der Art: ‘Ihr bekommts jetzt mehr Geld also seid’s still'”

Eine Angestellte im psychosozialen Dienst begrüßt zwar die Ausbildungsanreize, die mit der Reform nun kommen sollen. Diese würden aber nichts am Notstand jetzt ändern. Bis man die Auswirkungen spürt, würden wieder Jahre vergehen.

Viele andere, mit denen ZackZack an jenem Tag sprechen konnte, schlagen in dieselbe Kerbe: Mehr Geld zu bekommen wäre zwar schön, aber das bringe alles nichts, wenn die Menschen keine Freizeit mehr haben und in Arbeit untergehen. Dieser Umstand schrecke auch die Jungen ab und sorge dafür, dass kaum Personal nachkommt.

Weitere Reaktionen, Geschichten und Eindrücke der Demonstration sehen Sie im Video:

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(mst)

Titelbild: ZackZack

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

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