Samstag, Juli 27, 2024

Randnotizen: Die österreichischen Demos gegen Rechts in den Medien

Daniel Wisser beobachtet, wie die österreichischen Zeitungen über die Demonstrationen gegen Rechts und für den Schutz der Demokratie am Wochenende berichtet haben.

Der BILD-Zeitung ist es vor kurzem gelungen, eine bedeutende Demonstration in Deutschland mit einer Million TeilnehmerInnen zu verschweigen. Verzerrung findet ja nicht nur durch Fake-News statt, sondern auch durch das Marginalisieren und Ignorieren, also Zensur wie sie in der Presse kommunistischer Staaten früher und ihrer Nachfolgediktaturen gang und gäbe ist.

Österreich will auch dazugehören. So überrascht es nicht, dass die Innenpolitikseiten fast aller Blätter und die Startseiten fast aller Medien am Wochenende groß Kanzler Nehammer aufmachten. Die seit einer Woche zelebrierte und nun endlich erfolgte Welser Verkündigung seines von der FPÖ abgeschriebenen Wahlprogramms war Thema Nummer 1. Der frühere Ministerkollege von Danilo Kunhar und Kesanuk forderte wieder einmal Klarnamenpflicht; den Rest seines »Programms« ist von der Kickl-FPÖ kopiert. Der Artikel über die Demo wurde meist gut versteckt und bestand bei vielen Medien ohnehin aus dem APA-Artikel, der wenigstens akkurat über die Hintergründe, OrganisatorInnen und RednerInnen der Kundgebungen informierte.

Die Demonstrationen in den Städten Wien, Salzburg und Innsbruck werden in Österreich ganz bewusst marginalisiert. Die Gratispostille „Heute“ geht überhaupt nur auf die dadurch entstandenen Verkehrsbehinderungen (dabei will man gerade am Wochenende so gerne am Ring in Kreis fahren) und die Störungen bei den öffentlichen Verkehrsmitteln hin. Andere rechte Zeitungen gehen sehr wohl auf Inhalte ein, machen dabei aber die parteiunabhängige Kundgebung sofort parteipolitisch. In der „Kleinen Zeitung“ schreibt Ernst Sittinger:

Eine große Menschenmenge hat am Freitagabend in Wien für die Demokratie demonstriert. Oder „gegen Rechts“. Oder gegen Rechtsextremismus. So genau wurde das im Vorfeld nicht auseinandergehalten. Und viel spricht dafür, dass es die politische Linke gerne auf eine Begriffsvermischung ankommen lässt. Denn vor allem aus Sicht der SPÖ steht dahinter ein verlockendes Machtkalkül: Kann man die FPÖ als „antidemokratisch“ brandmarken und daraus eine Art moralisches Regierungsverbot für die Freiheitlichen ableiten, dann braucht man ziemlich sicher die Sozialdemokraten, um die nächste Regierung zu bilden.

Hunderttausende Menschen betrieben also im Regen Regierungsbildung, meint Sittinger in der „Kleine Zeitung“. Bald wird er wohl auch Widerstand gegen den Nationalsozialismus als Sozialdemokratische Wahlwerbung brandmarken. Die Exkulpierung der FPÖ durch dieses Blatt und die klare Vorbereitung der LeserInnen auf eine kommende Blau-Schwarze Koalition verwundern nicht. Aber es gibt auch Kommentatoren, die sich mit der Bedeutung der Kundgebungen und Vergleichen mit der Vergangenheit beschäftigen. Andreas Tröscher schreibt in den „Salzburger Nachrichten“, dass viele Menschen »ein Zeichen gegen aufkeimenden Rechtsextremismus« setzen wollten und dass dies trotz Wind und Regens »eindrucksvoll gelungen« sei. Tröscher beschreibt die Stimmung, die bereits vorauseilenden Unkenrufen zum Trotz völlig friedlich war:

Popkonzertähnlichen Applaus gab es für die Rednerinnen und Redner im Zentrum der Demo. Dort, wo sich normalerweise Autokolonnen über die Ringstraße schieben. Weiter hinten franste die Aufmerksamkeit aus. Dicht an dicht stand man gedrängt, überblickt von Hundertschaften, die an den dicken, schwarzen Eisenstreben des Volksgartenzauns hingen. Jene, die schon im Jänner 1993 dabei waren [gemeint ist das Lichtermeer am Ring, Anm. d. Aut.], zogen politische Vergleiche. Jene, die damals noch lange nicht geboren waren, nahmen einander auf die Schultern. Und jubelten für die Demokratie.

In derTiroler Tageszeitung“berichtet Michael Domanig vom starken Zustrom zur Demo am Innsbrucker Landhausplatz. Dort hatte zwei Innsbrucker Studentinnen als Privatpersonen die Demo initiiert.

Im Vorfeld wurde Angst vor Gewalt auf der Kundgebung gemacht. Davon war keine Rede. Die einzigen Störungen der Kundgebung in Wien gingen von einer pro-palästinensischen Trittbrettfahrerdemo und durch das Zünden bengalischer Feuer auf dem Dach des Palais Epstein (angeblich durch Identitäre) aus. Die Polizei übertönte vorsätzlich und sinnloserweise während der Kundgebung durch laute Information über das Vermummungsverbot das Verlesen der Rede von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek durch Mavie Hörbiger. Vermummt war dort übrigens niemand.

Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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