Julya Rabinowichs Redebeitrag bei der Demonstration gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Faschismus am Freitag in Wien.
„Weil so vieles auffliegt, stehen wir hier. Wir sind hier, weil es nicht mehr fünf vor Zwölf ist, die Uhr hat schon geschlagen und die Stunde. Das, was unsagbar war- es ist locker aussprechbar, schreibbar, es verbreitet sich in sozialen Netzwerken, es verbreitet
sich ungebremst. Manches wird aus kleinlicher Kalkulation noch grösser aufgeblasen. Schon werden Fahndungslisten geschrieben, schon werden Deportationsgelüste ausformuliert. Die Politik, die einen Cordon Sanitaire gegenüber diesem Unsagbaren bilden sollte, bildet keinen einheitlichen Block dagegen. Da und dort klaffen Lücken, es wird aus Kalkül angeschmust, wo man deutliche Grenzen ziehen sollte, der kalte Wind pfeift durch die Risse des Nie Wieder. Wir sollten nicht warten. Wir dürfen nicht warten. Wir wollen nicht warten, bis auch das Undenkbare getan sein wird. Ich werde mich kurz fassen: Wir sind hier, weil wir etwas
versprochen haben. Denen vor uns, und denen nach uns.
Nie wieder, haben wir gesagt. Und es soll auch nie wieder bleiben. Schon ist es nah, noch näher, schon flutet es ins Jetzt. Wir sind alle gefragt. Es wird auf jede einzelne Stimme ankommen, aus welchem Lager sie auch stammt. Der unheiligen Dreifaltigkeit, jene von
Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus muss sich doch jede und jeder entgegenstellen, die nicht in einer wiedergekehrten Zeit aufwachen wollen, die zum Alptraum einlädt. Dieser unheiligen Dreifaltigkeit sagen wir jetzt und morgen und
übermorgen und in all der Zeit die noch kommt – und die Zeit, die kommt, wird einiges abverlangen an Mut, an Zusammenhalt und an Wachsamkeit:
Du! Kommst! Nicht! Vorbei!“
Notiz der Verfasserin: Im Nachhinein bin ich glücklich und erleichtert darüber, dass am 26.1.2024 so viele Menschen bereit waren, im strömenden Regen friedlich ein Zeichen zu setzen.
Titelbild: Michael Mazohl