Konservative Parteien suchen Unterstützung bei rechtsextremen Parteien, treten aber gleichzeitig mahnend gegen Antisemitismus, Hetze und Rechtsextremismus auf. Ihre Definition von »guten« Faschisten ist eine Farce. Mit der Unterstützung von Milei zeigen Meloni, Orbán und Le Pen klar, was sie sind: Neo-Faschisten.
Der Auftritt des argentinischen Präsidenten Javier Milei in Madrid bei einem Kongress von Rechtsextremen zeigt ganz deutlich, wie der neue Faschismus in Europa unverhohlen und gewaltbereit auftritt. Laut FAZ bezeichnete Milei Sozialismus als »Krebsgeschwür der Menschheit« und als Feind, der »nicht gewinnen dürfe«. Er wandte sich gegen Steuern und soziale Gerechtigkeit. Bejubelt wurde er auch von Anführerinnen und Anführern europäischer neo-faschistischer Parteien: Vor den 11.000 Teilnehmern des Kongresses redete auch Marine Le Pen, Giorgia Meloni wurde als Rednerin per Video zugeschaltet und Viktor Orbán schickte eine Grußbotschaft.
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker äußerte unlängst die Hoffnung, »dass die gemäßigten Kräfte innerhalb der Freiheitlichen Partei zur Vernunft kommen und dem Treiben Kickls ein Ende bereiten«. Ursula Von der Leyen sprach jüngst von der guten Zusammenarbeit zwischen ihr und der Neo-Faschistin Giorgia Meloni. Meloni sei, so Von der Leyen, »für Europa und gegen Putin« und »für die Rechtsstaatlichkeit«. Die Haltung zum historischen Faschismus ist für Von der Leyen gar kein Kriterium mehr für die Zusammenarbeit mit Neo-Faschisten. Und darin gleicht die CdU nun also der ÖVP.
Niemals auf Distanz zum Faschismus gegangen
Tatsächlich ist Meloni weder zum historischen Faschismus noch zu Benito Mussolini je auf Distanz gegangen. Der Autor Antonio Scurati, der darüber in der Polit-Sendung »Che sarà« der RAI sprechen wollte, wurde vor der Sendung kurzerhand wieder ausgeladen. Der Sendungsverantwortliche, der Scuratis Auftritt verhinderte, tritt selbst bei Veranstaltungen der Meloni-Partei auf und nennt sie öffentlich »unsere Partei«.
Was Stocker und Von der Leyen eint: Sie wollen keine Kompromisse mit der Sozialdemokratie schließen und brauchen daher in Zeiten sinkender Zustimmung für ihre Parteien die Kooperation von ganz Rechts. Damit machen die Konservativen oder Christlich-Sozialen einen historischen Fehler ein zweites Mal. Sehenden Auges legen sie den Grundstein für autoritäre Politik, Entmachtung des Parlaments, Kontrolle der Justiz durch die Regierung und Zensur der Medien.
Was bei den Konservativen dabei verloren geht ist ihr Programm und ihre Identität. Ihre Sprache hat sich längst der der Neo-Faschisten angeglichen. Karl Nehammer spricht vom »Überregulierungswahn in Brüssel«. Landeshauptmann Wallner sieht Österreich offensichtlich nicht als EU-Mitglied, wenn er sagt: »Ich brauche nicht jemanden, der uns von außen erklärt, was wir in Vorarlberg zu renaturieren haben.« Und Reinhard Lopatka plakatiert: »Europa. Aber besser.« Und ja, in gewissen Bereichen sind wir tatsächlich besser: Inflation und Teuerung in Österreich liegen über dem europäischen Durchschnitt, was die angebliche Wirtschaftspartei ÖVP und ihre unfähigen Finanzminister zu verantworten haben.
Zerrüttung der Demokratie
Die Suche nach den »guten« Faschisten und der »Zusammenarbeit« mit ihnen bindet die früheren Mitte-Parteien an Feinde der Demokratie. Parteien wie die FPÖ kommen im Sinne des postmodernen Anything goes ohne politische Programme aus: Die FPÖ war schon für den NATO-Beitritt und dagegen, für den EU-Beitritt und dagegen, für den Beitritt der Türkei zur EU und dagegen, gegen den CETA-Beitritt Österreichs und dafür, für strengere Corona-Maßnahmen und dagegen. Ihre 180-Grad-Schwenks haben keinen oder keinen dauerhaften Wählerschwund zurfolge. Wichtig ist das Dagegen-Sein in jedem Fall, das der Zerrüttung und Zerstörung der Demokratie und des demokratischen Konsens in der Gesellschaft dient.
Parteien wie die FPÖ, die AfD oder die Fratelli D’Italia verurteilen den historischen Faschismus in ihren Ländern niemals explizit. Wenn Sie sich offiziell dazu äußern, dann meist ausweichend. So sieht Giorgia Meloni den Faschismus in den Dreißiger- und Vierzigerjahren als rein deutsches Problem. Die Äußerungen von Maximilian Krah und Herbert Kickl zum Nationalsozialismus sind klar verharmlosend, aber so formuliert, dass sie nicht als Wiederbetätigung ausgelegt werden können.
Der Tonfall ist abhängig von der Situation, in der diese Aussagen gemacht werden. Schon Jörg Haider wusste gut zu unterscheiden, vor wem er was sagt und sagen kann. Da gab es die Interviews, in denen er den Staatsmann mimte, und um das Thema Faschismus herumredete, wie es Meloni tut. Da gab es die Interviews, in denen er die Exkulpation des Faschismus insinuierte, das dann aber augenzwinkernd zurücknahm, um dem Publikum zu bedeuten: »Das darf man ja heute leider nicht mehr sagen.« Und dann gab es die Reden, bei denen er wusste, dass nichts nach außen dringen würde. Drang aber doch etwas nach außen, wie es bei Haiders Rede am Ulrichsberg der Fall war oder beim Sager von der »ordentlichen Beschäftigungspolitik« im Dritten Reich, bekam er damit Probleme.
Die Chance noch umzukehren
Es gibt keine guten Faschisten. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen dem Faschismus der Dreißiger- und Vierzigerjahre und dem Neo-Faschismus der Mileis, Orbáns, Melonis, Le Pens und Kickls. Aber ihr Revisionismus, die Weigerung, geschichtliche Tatsachen anzuerkennen, zeigt, dass sie Methode und Sichtweisen von Nationalsozialismus und Faschismus weitgehend übernehmen.
Demokraten müssen endlich erkennen, dass die autoritäre Staatsform, die der erfolgreichen Zerstörung der Demokratie folgen wird, auf Krieg – zunächst auf den Krieg nach innen – baut: Sozialisten, zugewanderte Menschen und alle, die diesem System unlieb sind, werden mit Gewalt verfolgt werden. Wenn es sich aber etabliert hat, wird es bald auch den Krieg nach außen brauchen. Die Konservativen haben noch die Chance, umzukehren. Wenn sie weiter Hetze gegen zugewanderte Menschen und politisch Andersdenkende betreiben und unter den Neo-Faschisten Verbündete suchen, werden sie ein zweites Mal zum Wegbereiter des Faschismus. Und der wird auch ihre Bewegungen zerschlagen.
Titelbild: Miriam Moné, Adaption ZackZack