Montag, Juni 17, 2024

Randnotizen: Ein Riss im Bündnis europäischer Neo-Faschisten

Die Europaabgeordneten der AfD sind aus der rechten Fraktion »Identität und Demokratie« im Europäischen Parlament ausgeschlossen worden. Die FPÖ hat gegen den Ausschluss gestimmt. Die beiden Parteien sind ideologisch fast deckungsgleich – und teilen auch untragbares Verhältnis zum Nationalsozialismus.

Während Deutschland und Österreich bei der Verteidigung der Demokratie gegen rechtsextreme Parteien weiter tatenlos bleiben und die Medien in diesen Ländern neo-faschistischen Politikerinnen und Politikern übermäßig viel Aufmerksamkeit geben, scheint man darauf vergessen zu haben, was die verschiedenen rechtsextremen Parteien Europas trennt.

Und da man sich in Österreich für Europapolitik kaum interessiert, sondern den Europawahlkampf nur als Stimmungswahl vor den Nationalratswahlen betrachtet, überraschte es ein wenig, als vergangene Woche der längst sichtbare Riss im Bündnis europäischer Neo-Faschisten manifest wurde. Ansgar Haase berichtete am 23. Mai in der Süddeutschen:

Alle AfD-Europaabgeordneten sind aus der rechten ID-Fraktion im Europäischen Parlament ausgeschlossen worden. Ein entsprechender Antrag von Fraktionschef Marco Zanni sei mit 5:3 Stimmen angenommen worden, sagten mehrere Fraktionsvertreter der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.

Nicht überraschend war das Stimmverhalten der FPÖ-Abgeordneten in dieser Frage:

Über den Ausschlussantrag wurde in einem fraktionsinternen schriftlichen Verfahren abgestimmt. Den Informationen aus der Fraktion zufolge waren die italienische Lega, die französische Partei RN von Marine Le Pen, der flämische Vlaams Belang, die Dänische Volkspartei sowie die tschechische Partei Freiheit und direkte Demokratie dafür. Die österreichische FPÖ und eine estnische Partei votierten wie die AfD dagegen.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird am 26. Mai zurecht darauf verwiesen, dass das Naheverhältnis zwischen AfD und FPÖ nicht erst unter Parteichef Kickl groß ist:

Die Freiheitliche Partei Österreichs, für deren Charakterisierung zu Jörg Haiders Zeiten seit den 1980er-Jahren der Begriff »Rechtspopulismus« etabliert wurde, hat frühzeitig die Nähe der AfD gesucht und gefunden. Das war ein Geschäft zum beiderseitigen Vorteil. Die FPÖ war etabliert und konnte Erfahrungen in der Rolle des ungeliebten Außenseiters vermitteln. Die AfD bot sich wiederum an, die vakante Funktion der Partnerpartei im wichtigsten Nachbarland einzunehmen. 2016, als in der AfD noch widerstreitende Kräfte zwischen Mitte-rechts und rechts außen walteten, war es innerparteilich nicht unumstritten, dass sich die Parteivorsitzenden Frauke Petry und Heinz-Christian Strache trafen. »Wir beschnuppern uns heute erstmals«, sagte HC Strache damals auf der Zugspitze, »und es riecht gut.«

Der Geruchssinn ist durch das Coronavirus mancherorts verloren gegangen. Im Fall Krah äußerte sich die FPÖ zunächst ungewöhnlich vage:

Nach dem Eklat um Maximilian Krah haben die anderen österreichischen Parteien die FPÖ aufgefordert, die Zusammenarbeit mit der AfD in der Fraktion ID sofort zu beenden. Darauf reagierte die FPÖ in einer Stellungnahme ausweichend. Fragen zur Zusammenarbeit stellten sich erst »nach dem Wahltag«, die FPÖ strebe »ein möglichst breites patriotisches Bündnis« an. Und: »Maximilian Krah hat nach seinen Aussagen die Konsequenzen gezogen. Das ist ein klares Zeichen.«

Ganz zurecht weist Herbert Fohringer in Die Presse am 24. Mai darauf hin, dass die Verharmlosung des Nationalsozialismus von der FPÖ immer wieder konsequent öffentlich geäußert wurde und wird:

Nach der Aufregung um Äußerungen des deutschen AfD-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, Maximilian Krah, zur SS, sorgt eine ähnliche Aussage von FPÖ-Chef Herbert Kickl aus dem Jahr 2010 für Kritik. In einer ATV-Diskussion hatte der damalige FPÖ-Generalsekretär gegenüber dem damaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant, eine kollektive Verurteilung der Mitglieder der Waffen-SS als »Unsinn« abgelehnt, wie »Profil« am Freitag zunächst berichtete.

In den Chor der Kritiker dieser Aussage stimmte auch die ÖVP sein, allerdings mit abschwächendem Abschlusssatz:

Die verbreiteten Aussagen sorgten am Freitag für Kritik bei SPÖ und ÖVP. Es sei nicht überraschend, dass die FPÖ gegen den Ausschluss der AfD aus der gemeinsamen Rechtsfraktion ID im EU-Parlament gestimmt habe: »Nein, Kickl selbst hat ja die Waffen-SS verharmlost«, erklärte die SPÖ im Kurznachrichtendienst »X«. »Diese Aussagen von Herbert Kickl sind eine Verharmlosung der Gräuel des Nationalsozialismus und offenbaren das Weltbild Kickls«, kritisierte auch ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. »Wer mit einer solchen Geisteshaltung Politik macht, hat in einem demokratischen Parteienspektrum nichts verloren«, so Stocker. Es sei zu hoffen, „dass die gemäßigten Kräfte innerhalb der Freiheitlichen Partei zur Vernunft kommen und dem Treiben Kickls ein Ende bereiten“.

Es ist eine bigotte Haltung, die FPÖ als außerhalb des Parteienspektrums zu bezeichnen und gleichzeitig mit ihr bei jeder Gelegenheit in Bund und Land zu koalieren. Und man sollte einmal nachfragen, wer die gemäßigten Kräfte in der FPÖ sein sollen? Selbst wenn es sie gäbe: Sie wären für die ÖVP von heute wohl linkslinkes Gsindel.

Titelbild: ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Daniel Wisser

    Daniel Wisser ist preisgekrönter Autor von Romanen und Kurzgeschichten. Scharf und genau beschreibt er, wie ein Land das Gleichgewicht verliert.

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