– etwas Zufriedenheit, etwas Kritik
Experten zeigen sich zur Pflegereform „vorsichtig“ zufrieden, aber auch kritisch. Vor allem mehr Geld hat Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) versprochen. Ein großes Problem in der Pflege sind aber auch die Arbeitsbedingungen.
Wien, 12. Mai 2022 | Die Regierung hat pünktlich zum “Tag der Pflege” ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt, das insgesamt eine Milliarde Euro schwer ist. Größter Brocken darin ist eine Gehaltserhöhung für die Beschäftigten in dem Sektor, die heuer und kommendes Jahr vermutlich als monatlicher Bonus ausbezahlt wird. Reserviert dafür sind 520 Millionen. Das soll in etwa einem zusätzlichen Monatsgehalt entsprechen. Experten zeigen sich “vorsichtig” zufrieden, kritisieren aber, dass zu wenig für bessere Arbeitsbedingungen geplant ist.
Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) erklärte bei der Pressekonferenz zur Präsentation des Pakets, er wolle damit sicherstellen, dass der “wunderbare Beruf” der Pflege unter guten Voraussetzungen stattfinden könne. Die Gewerkschaft „younion“ hat für Donnerstag um 15 Uhr eine Pflege-Demo angekündigt.
Vor allem finanzielle Unterstützung
Während der Ausbildung im Pflegeberuf soll man einen Zuschuss von 600 Euro im Monat erhalten. Neu- beziehungsweise Wiedereinsteiger bekommen ein Pflegestipendium von mindestens 1.400 Euro im Monat. Als Modellversuch wird eine Pflegelehre eingeführt. Erweitert werden die Kompetenzen von Pflege- und Pflegefachassistenz. Sie dürfen künftig beispielsweise Infusionen anschließen und Spritzen geben. Eine weitere Verbesserung für Beschäftigte soll sein, dass eine so genannte “Entlastungswoche” generell ab dem 43. Geburtstag gewährt wird.
Aus Expertenkreisen kommt gegenüber ZackZack die Kritik, dass durch die Pflegereform vor allem mehr Geld versprochen werde, aber nicht viel für bessere Arbeitsbedingungen geplant sei. Die „Entlastungswoche“ sei als zusätzliche Urlaubswoche in manchen Kollektivverträgen ohnehin enthalten. Dass sie erst ab dem 43. Geburtstag allgemein gewährt werden solle, führe dazu, dass junge Pflegekräfte zusätzlich belastet würden. Schließlich seien die Jungen die Zukunftshoffnung, um den Pflege-Personalmangel zu bekämpfen.
Pflegende Angehörige „vorsichtig“ zufrieden
Geschaffen wird weiters ein Angehörigenbonus von 1.500 Euro jährlich für jene Familienmitglieder, die den größten Teil der Pflege zuhause leisten und selbst- oder weiterversichert sind. Der Rechtsanspruch auf Pflegekarenz wird von einem auf drei Monate ausgeweitet, wobei allerdings eine entsprechende kollektivvertragliche Regelung oder Betriebsvereinbarung vorliegen muss. Die erhöhte Familienbeihilfe wird nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet.
Birgit Meinhard-Schiebl, Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger, zeigt sich „vorsichtig“ zufrieden. „Einige unserer Forderungen, die wir seit vielen Jahren vertreten, gehen jetzt in Erfüllung“, so Meinhard-Schiebl gegenüber ZackZack. Jetzt müsse man noch die Details der Maßnahmen und deren Umsetzung abwarten und vor allem, ob sie zu bundesweiten Standards gemacht werden. Für die noch offenen Forderungen gebe es jedenfalls eine sehr gute Gesprächsbasis, sagt Meinhard-Schiebl. Zwar verlangsamten permanente Ministerwechsel die Verhandlungen, aber das Sozialministerium höre zu und immerhin sei nun ein Durchbruch gelungen.
Verbesserungen für 24-Stunden-Pflege noch in Ausarbeitung
Auch für die 24-Stunden-Betreuung sind finanzielle Verbesserungen vorgesehen, die aber noch von den Sozialpartnern final ausgearbeitet werden müssen. 24-Stunden-Pflegekräfte arbeiten unter besonders prekären Bedingungen. Laut einer Studie der Johannes Kepler Universität in Linz sind sie in 99 Prozent der Fälle selbstständig, wobei es sich dabei meist um eine Scheinselbstständigkeit handelt. Von Agenturen fix vorgegebene Honorare oder Verträge, fixe Arbeitszeiten und vorgegebener Arbeitsort sprechen dafür, dass eigentlich ein Dienstverhältnis vorliegt. Das müsste dann auch mit einem kollektivvertraglichen Mindestlohn, Urlaubsanspruch, Ruhezeiten und bezahltem Krankenstand einhergehen.
(pma/apa)
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