Mittwoch, Dezember 11, 2024

Asyl-Diskussion: Innenminister Karner mit »neuer« Kreativlösung

Das in der ÖVP beliebte Thema Asyl wurde heute von Innenminister Karner (ÖVP) bespielt. In einem Statement gegenüber der deutschen „Die Welt“ hatte er den Vorschlag von Asylzentren in Drittstaaten neu aufgewärmt. Doch die von massiven Misstönen begleitete Idee bleibt in der Umsetzung weiterhin unrealistisch.

 

Wien, 8. Juni 2022 | Nachdem bereits ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner auf Twitter ins Asyl-Horn geblasen hatte, folgt heute Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Dieser hat sich vor dem Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag dafür ausgesprochen, nach dem Vorbild Großbritanniens und Dänemarks Asylwerber in Drittstaaten zu bringen. “Es wäre eine gute Lösung, künftig Migranten von der EU in Drittstaaten zurückzuschicken und dort ihre Asylanträge prüfen zu lassen”, sagte Karner gegenüber der deutschen Zeitung “Die Welt”. Die Idee ist nicht neu und steht nach wie vor im Widerspruch zur aktuellen Gesetzeslage.

Der Staat als Schlepper?

Das Modell sieht vor, Menschen, die einen Asylantrag in Österreich stellen wollen, künftig in Drittländer außerhalb der EU zu transferieren. Die Drittstaaten sollten im Gegenzug wirtschaftlich unterstützt werden, forderte der Innenminister. “Wer nicht schutzberechtigt ist, muss wieder in sein Herkunftsland zurückkehren. Wer einen Anspruch auf Asyl hat, bekommt Schutz in der EU”, so Karner, der aber zugleich die massiven Hürden für sein Vorhaben betonte: „Dazu müssten aber einige europäische Gesetze geändert werden und klar muss auch sein: Diese Lösung kann nur kommen, wenn alle EU-Länder zustimmen.“ Die vieldiskutierten Quoten zur Verteilung von Geflüchteten in der EU bleiben auch für den noch jungen Innenminister Karner ein rotes Tuch.

Probleme könnte es nicht nur vonseiten anderer EU-Staaten und der europäischen Gerichte geben: Denn bisher hat sich noch kein Drittstaat gefunden, der sich an Österreichs Asylpolitik beteiligen will.

One-Way-Ticket nach Ruanda – Vorbild Großbritannien und Dänemark

Großbritannien hat seinerseits ein umstrittenes Abkommen mit Ruanda geschlossen. Demnach sollen ab kommender Woche zahlreiche illegal eingereiste Migranten nach Ruanda geschickt werden. Dort können sie einen Antrag auf Asyl stellen. Ist ihr Asylantrag erfolgreich, können sie nicht im Vereinigten Königreich, sondern in Ruanda leben. Im Gegenzug erhält Ruanda entsprechende finanzielle Mittel. In Großbritannien trafen die Pläne auf massive Kritik von der Opposition, Verbänden, der Kirche und selbst innerhalb der regierenden Tory-Partei.

Das dänische Parlament hat Anfang Juni ein Gesetz verabschiedet, das Asylzentren in anderen Ländern möglich macht. Damit können die Behörden Asylbewerber in Drittländer zwingen, wo sie auf den Ausgang ihres Prozesses warten müssen. Ähnlich wie Großbritannien will auch Dänemark ein Abkommen mit Ruanda abschließen, blieb bisher allerdings erfolglos. Das skandinavische Land hat sich einige Ausnahmen im EU-Recht ausverhandelt, die das neue Gesetz möglich machten. In Österreich wäre dies laut Professor Zachary Whyte von der Universität Kopenhagen derzeit nicht rechtskonform.

Dänemarks sozialdemokratische Regierung betreibt offiziell eine Null-Migration Politik. Ziel des potenziellen Abkommens mit afrikanischen Staaten wie Ruanda, ist die Abschreckung zukünftiger Migranten. In Kopenhagen hofft man, dass man niemanden nach Ruanda deportieren muss, weil ohnehin niemand mehr nach Dänemark kommen will.

Rassistisch motiviert?

Bei den Geflüchteten aus der Ukraine zeigte sich die dänische Regierung entgegenkommender als bei Migranten aus Afrika oder der arabischen Welt. Die Kriegsflüchtlinge aus dem europäischen Osten seien kulturell näher als Geflohene aus Syrien, so das Argument. Was die kulturelle Nähe zwischen Afghanistan und Ruanda anbelangt, dazu schweigt das dänische Migrationsprogramm.

„Beschämend“

Für Herbert Langthaler von der Asylkoordination Österreich ist es „beschämend, wenn der österreichische Innenminister auf EU-Ebene solche Vorstöße unterstützt“. Er weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass es wie bei anderen Themen auch hierbei Einstimmigkeit in der EU brauche. „Der Innenminister sollte besser seine Hausaufgaben machen und sich um Betroffene in Österreich einsetzen, anstatt eine Scheinfront zu eröffnen und Themen in die Öffentlichkeit bringen, die keine Relevanz haben“, spielt Karner auf die gegen Null gehenden Erfolgsaussichten Karners an.

SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yılmaz betont auf ZackZack-Anfrage, der Vorstoß von Karner zeige „dass es die ÖVP nötig hat, von aktuellen Themen wie der Teuerung, auf die sie keine Antworten findet, abzulenken.“ Zur Frage eines europäischen Verteilungsschlüssels meint Yılmaz: „Es ist völlig unverständlich warum sich Karner nach wie vor gegen eine faire Verteilung, von der auch Österreich profitieren würde, stemmt.  Wir sehen gerade anlässlich des Krieges in der Ukraine, dass es möglich ist und gut funktioniert.“

Auch vom grünen Koalitionspartner gab es eine Absage: „Österreich ist sehr wohl an internationale Verträge gebunden. Wir haben uns dazu bekannt, dass wir Menschen, die bei uns Schutz suchen, diesen Schutz auch gewähren“, sagte Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auf Anfrage.

In diesem Jahr sind die Ausgaben für die Grundversorgung von Geflüchteten aufgrund des Ukrainekriegs von zuletzt 227 Millionen auf 450 Millionen Euro gestiegen. Das entspricht einem Anstieg von rund 0,1 Prozent auf 0,2 Prozent aller staatlicher Ausgaben.

Update 14:42: Der Artikel wurde um das Statement der SPÖ ergänzt.

(dp)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • DanielPilz

    Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.

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