Schwer verletzt
Der Schriftsteller Salman Rushdie ist bei einer Lesung in den USA von einem Mann attackiert und schwer verletzt worden. Eine Verbindung zu einem alten, religiös motivierten Todesurteil ist nicht ausgeschlossen.
New York, 13. August 2022 | Schriftsteller-Ikone Salman Rushdie ist bei einer Lesung in den USA von einem 24-jährigen Amerikaner angegriffen und schwer verletzt worden. Laut Berichten haben sich mehrere Mitarbeiter der Veranstaltung und Zuschauer auf den Verdächtigen gestürzt und ihn zu Boden gebracht. Ein Polizist habe den 24-Jährigen festgenommen. Unterdessen wurde Rushdie von einem Arzt aus dem Publikum behandelt, bis Rettungskräfte eintrafen. Das Motiv des festgenommenen Mannes aus New Jersey sei weiterhin unklar, sagte ein Polizeisprecher am Freitag.
Rushdie erlitt schwere Verletzungen
Der Polizei zufolge wurde Rushdie mindestens einmal in den Hals und den Bauch gestochen. Ein Reporter der US-Nachrichtenagentur Associated Press berichtete, der Angreifer habe zehn bis 15 Mal auf Rushdie eingeschlagen oder gestochen. Der ebenfalls angegriffene Interviewer erlitt nach Polizeiangaben eine Kopfverletzung. Der 75-Jährige Rushdie wurde mit einem Hubschrauber in ein örtliches Krankenhaus gebraucht. Dort wurde er operiert und seinem Manager Andrew Wylie zufolge an ein Beatmungsgerät angeschlossen.
Er könne nicht sprechen und werde wahrscheinlich ein Auge verlieren, schrieb Wylie nach Angaben der “New York Times”. Nervenstränge in seinem Arm seien durchtrennt und seine Leber beschädigt worden. “Die Nachrichten sind nicht gut.”
Verbindung zu altem Todesurteil noch offen
Der Vorfall ereignete sich bei einer Lesung im Ort Chautauqua im Westen des Bundesstaates New York, im Rahmen einer Serie unter dem Titel “Mehr als Schutz” (“More than Shelter”), bei der über die Vereinigten Staaten als Zufluchtsort für Schriftsteller im Exil und über die Verfolgung von Künstlern diskutiert werden sollte.
Zu den Hintergründen des Angriffs gab es zunächst keine Details. Ob er in Zusammenhang mit der Jahrzehnte-alten Fatwa steht, blieb zunächst offen. Rushdie war vor über 30 Jahren per Fatwa zum Tode verurteilt worden: Wegen seines Werks “Die satanischen Verse” (“Satanic Verses”) aus dem Jahr 1988 hatte der damalige iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini das religiöse Rechtsdokument veröffentlicht, das zur Tötung des Autors aufforderte.
Das islamische Rechtsgutachten des Ajatollahs rief damals nicht nur zur Tötung Rushdies auf, sondern auch all derer, die an der Verbreitung des Buches beteiligt waren. Ein japanischer Übersetzer wurde später tatsächlich getötet. Rushdie musste untertauchen, erhielt Polizeischutz.
Rushdie fühlte sich mittlerweile sicher
Nach Angaben seines Verlags aus dem vergangenen Jahr hätte die Fatwa für Rushdie inzwischen aber längst keine Bedeutung mehr. Er sei nicht mehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit und brauche auch keine Bodyguards mehr. Die Jahre des Versteckens gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorüber. Er verarbeitete diese Zeit in der nach seinem Aliasnamen benannten Autobiografie “Joseph Anton” aus dem Jahr 2012.
Vor wenigen Tagen noch hatte Rushdie dem Magazin “Stern” gesagt, dass er sich in den USA sicher fühle. “Das ist lange her”, sagte Rushdie im Interview mit Korrespondent Raphael Geiger Ende Juli auf die Frage, ob er noch immer um sein Leben bange. “Für einige Jahre war es ernst”, sagte Rushdie weiter. “Aber seit ich in Amerika lebe, hatte ich keine Probleme mehr.” Der Autor habe dabei aber auch vor dem politischen Klima und möglicher Gewalt in den USA gewarnt: Das Schlimme sei, “dass Morddrohungen alltäglich geworden sind”.
(apa/red)
Titelbild: HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com