Samstag, Juli 27, 2024

Zahlungsprobleme: Wien Energie braucht sechs Milliarden vom Staat

Zahlungsprobleme

Wegen stark steigender Gas- und Strompreise muss die Wien Energie hohe Ausfallsabsicherungen an die Börse leisten. Doch diese kann das Unternehmen nicht aus eigener Kraft stemmen.

Wien, 29. August 2022 | Große Aufregung um Wien Energie, den größten Energieversorger des Landes: Sonntagabend gab Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) in der „ZIB2“ bekannt, dass das Unternehmen den Bund um finanzielle Unterstützung gebeten habe. Wie das Finanzministerium am Montag bekanntgab, benötigt die Wien Energie sechs Milliarden Euro.

Ein akut fälliger Betrag von 1,75 Milliarden Euro zur Absicherung zukünftiger Geschäfte auf dem Energiemarkt sei mithilfe der Stadt Wien aufgebracht worden. Die finanziellen Spielräume seien aber erschöpft, erklärte das Finanzministerium mit Verweis auf einen Brief von Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ).

Hilfe zugesagt

Aus diesem Anlass war am Sonntag ein Krisengipfel abgehalten worden, bei dem Vertreter aus der Energiewirtschaft und der Regierung im Bundeskanzleramt die Situation besprachen, darunter Finanzminister Brunner, der Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Wien Energie-Chef Michael Strebl.

Am Montag gab Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) via Twitter bekannt, dass die Hilfe zugesagt worden sei. Um helfen zu können, müsse man aber noch offene Fragen mit der Stadt Wien als Eigentümerin klären. Gespräche dazu fänden in den folgenden Stunden statt.

Hohe Sicherheitszahlungen fällig

Gerüchte, dass die Wien Energie zahlungsunfähig sei, dementierte das Unternehmen noch Sonntagabend. „Wien Energie und die Wiener Stadtwerke sind solide, wirtschaftlich gesunde Unternehmen mit bester Bonität“, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme vom Sonntag. Es müssten keine Verluste ausgeglichen werden, sondern aufgrund der stark gestiegenen Strom- und Gaspreise hohe Sicherheitszahlungen an die Börse geliefert werden.

Internationale Energieversorger in Deutschland stünden vor denselben Problemen und nutzten bereits das Instrument von staatlicher Unterstützung, so die Wien Energie. Weil Wien Energie wenig Strom selbst produziere und vor allem Strom zukaufe, sei das Unternehmen im Fall von Preisanstiegen besonders betroffen, ließ auch Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) am Montag wissen.

Solche Sicherheitszahlungen sind bei sogenannten Futures zu leisten, also Geschäften, die für die Zukunft abgeschlossen worden sind. Im Zeitraum bis zum Fälligkeitsdatum des Vertrags hinterlegt der Verkäufer dabei beim Händler eine Art finanzielle Ausfallsabsicherung. Steigen die Preise stark an, kann der Händler eine Anpassung dieser Sicherheitszahlung fordern, die dann innerhalb von wenigen Tagen fällig ist. Wird der Vertrag am Fälligkeitsdatum wie vereinbart abgewickelt, fließt diese Kaution zurück.

Ökonom Picek: „Braucht jetzt mehr Transparenz“

Oliver Picek, Chef-Ökonom am Momentum-Institut, sagte gegenüber ZackZack, ein Bericht der Rating-Agentur Fitch vom Juni 2022 habe bereits festgestellt, dass Wien Energie sehr wenig liquide sei und zusätzliche Verbindungen dadurch schwer zu stemmen seien, sollten diese aufkommen. „Genau das ist jetzt eingetreten“, so Picek. Es gebe ein Liquiditäts-, kein Insolvenzproblem. Zu sagen, das Unternehmen hätte sich anders besser aufstellen können, sei schwierig, weil nicht bekannt sei, was für Geschäfte es getätigt habe. Dennoch: Der Experte sieht Aufklärungsbedarf.

Die Energiekrise aufgrund des Ukrainekriegs sei wohl die „ultimative Quelle“ des Problems und bei früher abgeschlossenen Geschäften schwer vorhersehbar gewesen. Aber, „Transparenz braucht es schon ein bisschen mehr, spätestens dann, wenn man sich an die Republik wendet und eine Milliardensumme an Garantien haben will“, so das Urteil des Experten.

Andere Versorger bislang keine Probleme

Andere Landes-Energieversorger hätten keinerlei solche Probleme, gaben diese am Montag bekannt. Das wird damit erklärt, dass diese eine andere Einkaufspolitik verfolgen, als die Wien Energie. Die Wien Energie setze stark auf Börsengeschäfte, die anderen Versorger vor allem auf Verträge mit direkten Handelspartnern, dort seien Sicherheitszahlungen nicht nötig.

Über die Gründe dafür, dass gerade die Wien Energie so stark auf Börsengeschäfte setzt, kann Picek nur mutmaßen. Womöglich sei ein Grund dafür die großen Mengen an Strom, die das Unternehmen einkaufen müsse. Dass die Wien Energie gegenüber anderen Landesversorgern so stark auf Börsengeschäfte setze, sei zu hinterfragen, so der Experte gegenüber ZackZack. „Wenn es möglich ist, sollte die Wien Energie sich überlegen, ob man nicht für die Zukunft umsteigt auf private langfristige Verträge“, so Picek weiter.

UPDATE: Dieser Artikel wurde um 16.24 Uhr dahingehend korrigiert, dass der Fitch-Bericht aus dem Juni 2022 stammt, nicht von 2021.

(pma)

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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