Freitag, April 19, 2024

»Die Letzten, die Eingriffe in den Markt fordern« — IV-Chef fordert selber Milliarden-Staatshilfe

IV-Chef fordert selber Milliarden-Staatshilfe

Der Chef der Industriellenvereinigung fordert aufgrund der gestiegenen Energiekosten staatliche Hilfen in Milliardenhöhe. Gleichzeitig beteuert er gegen staatliche Eingriffe zu sein.

Wien, 6. September 2022 | Der Chef der Industriellenvereinigung, Georg Knill, fordert mehrere Milliarden Euro Zuschüsse von der öffentlichen Hand für energieintensive Unternehmen. Gleichzeitig beteuert er, im Grunde klar gegen staatliche Eingriffe zu sein. „Wir sind die Letzten, die Eingriffe in einen Markt fordern“, sagte Knill am Montag im “Ö1-Morgenjournal”. Die ambivalente Haltung des Industriepatrons sorgte quer durch Österreich für Irritationen. Auch vor einer Überförderung, wie etwa während der Corona-Krise, wurde gewarnt.

Zu hohe Energiekosten

Die Debatte ist aus der Industrienation Deutschland mittlerweile auch nach Österreich übergeschwappt. Ähnlich wie private Haushalte klagen vor allem Unternehmen aus dem industriellen Bereich, dass sie die hohen Energiekosten nicht länger stemmen könnten. In Deutschland machte insbesondere die prekäre Lage beim Klopapierhersteller “Hakle” die Runde. Auch der Stahlproduzent “Arcelor-Mittal” legte zuletzt zwei Werke und Hamburg und Bremen still. Nicht mehr rentabel, so das Fazit des Unternehmens mit Sitz in Luxemburg.

In Deutschland wie auch in Österreich fordern daher zahlreiche Wirtschaftsvertreter ausgeweitete Unterstützung vonseiten des Staates. Standorte und Arbeitsplätze seien bedroht. „Es drohen Produktionsdrosselungen und Arbeitslosigkeit in Österreich, sofern nicht konsequent und schnell entgegengesteuert wird“, schildert Georg Knill, der Präsident der Industriellenvereinigung (IV) die aktuelle Lage. Von einem erhöhten Energiekostenzuschuss von 2,5 Milliarden Euro ist die Rede, außerdem soll die Strompreiskompensation, die den Strom für Unternehmen billiger macht, bis 2030 verlängert werden, fordert Knill. Der IV-Chef spricht sich außerdem für eine europäische Lösung aus, um die Preisspirale abzumildern. So soll etwa das vielzitierte Merit Order-Prinzip begraben werden.

An der Strompreiskompensation wird im Klima- und Umweltschutzministerium von Leonore Gewessler (Grüne) laut Eigenangaben bereits gebastelt, nähere Infos blieben bis Dienstagmittag unbekannt.

WIFO warnt vor Überförderung

Energie-Experte Michael Böheim vom WIFO warnt laut “Ö1-Morgenjournal” vor einem falschen Anreiz für Unternehmen. Man müsse etwaige Förderungen so gestalten, dass Firmen noch zum Energiesparen angeregt seien, sagt Böheim. Anstelle der von Knill gewünschten Förderung schlägt Böheim ein Modell vor, das die Gegenrechnung von vergangenen Gewinnen und Verlusten ermöglicht. Das würde Unternehmen ermöglichen „entsprechende Steuergutschriften zu lukrieren“.

Ökonom mahnt IV-Chef

Ökonom Oliver Picek vom Momentum Institut hat zwar Verständnis für die Hilfsforderungen der Industrie, plädiert im ZackZack-Gespräch dafür, sie an bestimmte Bedingungen zu knüpfen. So soll etwa eine Rückzahlungsklausel enthalten sein, damit Gewinne in einem Zeitraum von einigen Jahren auch dazu genutzt werden müssen, die staatlichen Kredite zurückzuzahlen. Vorstellen kann sich Picek außerdem eine Standortgarantie, damit Unternehmen empfangene Hilfen auch wirklich dazu nutzen, Arbeitsplätze in Österreich zu sichern.

Für IV-Chef Knill, der an und für sich gegen staatliche Eingriffe sei, hat Picek einen Rat: „In Guten Zeiten den Staat stärker mitzufinanzieren und nicht immer nur Steuersenkungen zu fordern.“ So stößt sich Picek etwa an der geplanten Senkung der Körperschaftssteuer in den nächsten Jahren.

(dp)

Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

DanielPilz
DanielPilz
Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.
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25 Kommentare

  1. Das Grundübel Merit Order muss abgeschafft und damit die Strompreise deutlich gesenkt werden.

    Dann braucht es auch keine Milliardenhilfen.

  2. Zur Erinnerung:

    Ja, das ist grässliche Fratze des Neoliberalismus – Die Gewinne wandern in die eigene Tasche (oder auf irgendwelche Islands) – Die Verluste (oder auch schon verringerte Gewinne) soll der Staat ersetzen.

  3. Natürlich unterstützt Georg Knill Eingriffe des Staates in den Markt. Täte er das nicht könnte er ja einfach die Rücknahme der staatlichen Eingriffe (auch genannt Sanktionen) fordern.

  4. Das wir lustig.
    Zuschüsse für das Volk.
    Zuschüsse für die Betriebe, und das alles auf Steuerzahlerkosten.
    Sah kürzlich die Stromkosten eines Unternehmers.
    2021 monatlich ca. 17000.
    Jetzt eine Vorschreibung von 111 000.
    Was soll das werden.
    Ihr Politiker schafft endlich die Zockerei an den Grundbedürfnissen ab.
    Ihr schafft die Voraussetzungen.

    • Sanktionsschäden sind nicht lustig, die damit einhergehenden sozialen Unruhen auch nicht. Wenn die sanktionsbefürwortenden Politiker diese voraus gesehen haben, warum war und ist dann auf keinem Wahlplakat “Wir ruinieren Euch” zu lesen (gewesen)?

  5. Die undurchsichtige COFAG wird das sicher wieder, möglichst unauffällig aber großzügig finanzieren.

    • Eher nicht. Das sind keine Corona bedingten Hilfszahlungen, andere Baustelle. Der korrupten Regierung traue ich auch zu, dass sie hierfür auch wieder eine ausgelagerte GmbH gründen um auch diese Hilfszahlungen der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen.

  6. Unterstützug für die Industrie? Ja. Diese Unterstützung muss an Bedingungen geknüpft sein:

    1. Verbot einer Dividendenauszahlung während Förderungen bezogen werden, ausgenommen staatliche oder kommunale Anteilseigner.
    2. Keine Boniauszahlungen an das Management, die Bonizahlungen finanzierten sonst die Bürger:innen.
    3. Während Förderbezug müssen Gewinne in Erneuerbare investiert werden.

    Wenn diese drei Bedingungen erfüllt werden, ist eine Unterstützung sinnvoll. Wenn nicht, stehen im nächsten Jahr die selben Förderungen an, ohne dass die Industrie etwas zur Krisensicherheit beigetragen hätte.

  7. Die gesammte EU schlittert gerade in eine Rezession, da man ansonsten “Putins Spiel” spielen würde. Zelensky fordert, Biden fordert, von der Leyen wird gefordert, Scholz fordert, … . Ist Putin tatsächlich der einzige, der nichts fordert?

    • Putin fordert, dass die Sanktionen aufgehoben werden. Putin fordert, dass keine Waffen an die UA geliefert werden. Putin fordert, dass die UA sich ergibt und ihr Land an RU übergibt.

      Das nennen Sie nichts?

  8. Der Neoliberalismus hat sich nun wohl völlig enthemmt. Das “Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren” bekommt, mit einer Versager-Regierung wie dieser, den Turbo Boost aktiviert. Widerliches Pack…

  9. HaHaHa…
    Die Zeiten der Rekorddividenden Ausschüttungen, der extra MegaBoni für die ach so erfolgreichen “Spitzen”Manager:innen scheint nun vorbei zu sein. Wurden die eingefahrenen Rekordgewinne in saubere Eigenenergie-Speisung reinvestiert??? Nachhaltig gedacht? Nö, schadet ja dem int. “Investoren-Klima” als “attraktiver Wirtschaftsstandort” – für’s steuerschonende, stiftungsfreundliche dumm-und-dämmlich-Verdienen zur kompetitiven Staffage fü die Rentiten gefütterten Hedgefonds Heuschreckenplagen – und jetzt kommt’s! AM FREIEN MARKT!!! -> Der Steuerzahler stemmt die Krisen, der Shareholder die Gewinne… wohlgemerkt: “Am freien Markt” 😣

  10. Es ist immer das Gleiche mit der IV.

    Beim Abcashen wollen sie keine staatlichen Eingriffe und fordern “unternehmerische Freiheit” mit dementsprechenden Steuerbegünstigungen.

    Wenn aber Verluste drohen, dann soll schon der “dumme” Steuerzahler brav einspringen, damit die Kasse für die “tüchtigen” Unternehmer wieder stimmt.

    GEWINNE KASSIEREN DIE GROßEN UNTERNEHMER SELBST AB, RISIKEN WERDEN AN DEN STEUERZAHLER WEITERGEREICHT!

    So ist die Welt der Industriellenvereinigung wieder in Ordnung.!

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