Dienstag, April 23, 2024

Ausgerechnet: Auf der langen Budget-Bank

Ausgerechnet:

Kommende Woche wird der Finanzminister ein Budget im Zeichen der akuten Teuerungskrise vorlegen. Wie gerecht werden die Teuerungslasten verteilt? Wer wird entlastet? Und wer bezahlt es?

Alexander Huber

Wien, 08. Oktober 2022 | Kommende Woche wird Finanzminister Brunner sein Budget vorstellen. Es wird ganz im Zeichen der Teuerungskrise und des Krieges in der Ukraine stehen. Die aktuellen Krisen überdecken, woran es in unserem Staatshaushalt seit Jahren hapert: Bei der Bildung wird es wieder keinen großen Wurf geben, die Pflegereform reicht hinten und vorne nicht. Gleichzeitig verzichtet der Finanzminister bereitwillig auf die Einnahmen aus den Krisengewinnen der Unternehmen.

Langfristige Entlastung nur für hohe Einkommen und Unternehmen

Die Anti-Teuerungspakete der Regierung schlagen mit hohen Ausgaben zu Buche. Viele dieser Maßnahmen sind einmalige Zahlungen. Deren entlastender Effekt für Familien, Pensionist:innen und Haushalte mit nur kleinem Einkommen wird bereits im Frühjahr wieder verpufft sein. Immerhin werden nun zumindest manche Sozialleistungen, etwa die Familienbeihilfe, regelmäßig an die Teuerung angepasst. Ebenfalls dauerhaft wirken andere strukturelle Maßnahmen. Die (teilweise) Abschaffung der kalten Progression, die Senkung der Körperschaftsteuer und die Wertsicherung bei manchen Sozialleistungen. Diese verringern allerdings die jährlichen Einnahmen des Staates und machen das Budget fragiler und weniger flexibel. Garantierte Einnahmen fallen weg, die Ausgaben bleiben aber und werden mehr. Die Abgeltung der kalten Progression und die geringere Besteuerung von Unternehmensgewinnen ist vor allem ein Zuckerl für Besserverdienende und Superreiche. Sie tragen künftig weniger zum Staatshaushalt bei.

Aus Corona-Fehlern nicht gelernt

Man kennt es aus den USA: Große Konzerne zahlen kaum Gewinnsteuern, erhalten aber überbordende staatliche Subventionen. Dieses Phänomen hat nun auch Österreich erreicht. Mit den Corona-Hilfen wurden manche Unternehmen massiv überfördert. Mit dem Energiekostenzuschuss kommt nun der nächste Mammut-Ausgabenposten dazu. Abermals wird Geld an Unternehmen verteilt, unabhängig davon, ob diese es auch tatsächlich brauchen. Auf eine Rückgabe-Klausel wird erneut verzichtet. Hätte der Finanzminister aus den Fehlern der Corona-Krise gelernt, wäre selbstverständlich: Wer trotz Krise(n) Gewinne macht, aber Subventionen aus Steuergeldern kassiert hat, muss die Hilfen zurückzahlen.

Wer ausgibt, muss auch einnehmen

Liberale attestieren dem Staat gerne ein Ausgaben-Problem. In Wahrheit haben wir seit Jahren ein Einnahmen-Problem – und zwar in ihrer Zusammensetzung. Drei Viertel des staatlichen Budgets werden durch Abgaben auf Arbeit und Konsum finanziert. Gleichzeitig verzichtet der Finanzminister immer noch auf eine Übergewinnsteuer, obwohl eine solche international längst selbstverständlich ist. Ebenfalls selbstverständlich sind Vermögenssteuern. Österreich marschiert mit dem vorgelegten Budget in die entgegengesetzte Richtung: Die Steuer auf Unternehmensgewinne wird in den nächsten beiden Jahren um jeweils einen Prozentpunkt gesenkt. Damit erhöht der Finanzminister automatisch jährlich das Defizit und den Schuldenstand – und liefert sich auf diese Weise selbst die Argumente für Ausgabenkürzungen, die auf Sicht zu befürchten sind. Ein Sozialstaat ohne ausreichende Finanzierung ist für die Superreichen kein Problem. Sie werden das nicht spüren, dafür aber die große Mehrheit der Menschen in Österreich – wenn die Schulen schlechter ausgestattet sind, die Klassen noch größer, die Wartezeiten im Spital noch länger.

Budget ohne Zukunftsplan

Das erhöhte Budget für das Bundesheer und die Anti-Teuerungsmaßnahmen werden im Zentrum der Diskussionen rund um das Budget stehen. Einen angenehmen Aspekt hat das für den Finanzminister: Die Aufmerksamkeit wird von jenen Bereichen weggelenkt, die seit Jahren dringend mehr Geld brauchen: Wir werden älter, es braucht wesentlich mehr Geld für Pflege, in der Gesundheitsvorsorge oder bei den Pensionen. Auch im Bildungsbereich stagnieren die Ausgaben seit Jahren. Tausende offene Lehrer:innen-Stellen zu Schulbeginn und eine beginnende Pensionierungswelle sind nur die akutesten Baustellen an Österreichs Schulen.

Für das aufgestockte Heeresbudget und die Entlastungsmaßnahmen sind viel Wirbel und Eigenlob zu erwarten. Die strukturellen Probleme auf der Einnahmen- und Ausgabenseite und die dringend notwendigen Investitionen in Pflege, Bildung und Pensionen werden – schon wieder – auf die lange Bank geschoben.


Alexander W. Huber ist Experte für Inflation und Sozialstaat am Momentum Institut. Er beschäftigt sich mit sozialen und räumlichen Ungleichheiten, Steuerthemen und den Kosten des täglichen Lebens. Studiert hat er Volkswirtschaft an der WU Wien.

Titelbild: ZackZack

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16 Kommentare

  1. Die österreichische Finanzpolitik: Wir nehmen einen Kredit auf um unsere Wohnungen zu heizen!
    Wenn sie als Privater zu ihrer Bank gehen und sagen, sie wollen einen Heiz-Kredit, werden sofort alle ihre Überziehungsrahmen auf Null gesetzt.
    Österreich finanziert das Heizen mit Pump.

  2. Einmalzahlungen, bis zur wahl reichts.
    So wie die nö prozente bezügl gas und strom.es wird nur mit hauptwohnsitz gefördert, bis märz 2023, bis nach der wahl.
    Nebenwohnsitzer dürfen nicht wählen, ergo auch keine energiebegünstigungen.

  3. Von dem jungen Volkswirtschaftler, der diesen prägnanten Artikel schrieb, könnten Vizekanzler (ebenfalls Volkswirtschaftler, Motto “Wir lassen keinen zurück”) und Finanzminister (Teilstudium BWL), noch viel lernen.
    Das Hauptproblem, dass die wichtigen Themen nicht angegangen werden, ist aber doch, dass es zuwenig aktiven Widerstand seitens der leidenden Bevölkerung gibt, dass vieles von oben von vielen erduldet wird und Hilflosigkeit erlebt wird. Medien tun ein übriges dazu und lenken die Aufmerksamkeit gezielt auf andere Inhalte, produzieren Angst und Ohnmachtsgefühle und verlangen Anpassungsfähigkeit und Unterwerfung unter bevormundende Staatsführungen.

  4. Do werdn no gnua zruck bleiben …
    Is schlimme is, dass Abgehängte und Verlierer auch mehr und mehr dazu neigen, ihr Schicksal widerspruchslos zu akzeptieren.

  5. Die ÖVP fährt den gleichen Budgetkurs, wie alle Konservativen in unserer westlichen “glorreichen” Wirtschaft, nur etwas schaumgebremster, dafür ständig ohne jeden Unterlass.

    Das Ergebnis: die Reichen werden immer reicher und die Armen sollen gefälligst schauen, wie sie durch den Alltag kommen. Die Kostenschere geht immer weiter auseinander – zu Gunsten der Vermögenden!

    Was macht der ÖVP – Finanzminister? Er sorgt durch seinen Budgetansatz dafür, dass sich diese Spirale immer weiter verstärkt.

    Solange aber die betroffene Bevölkerung diese vermögensgesteuerte ÖVP nicht in die Opposition schickt, wird es weiter in dieser fatalen Richtung zu Lasten der Bürger gehen. Genau jener Bürger, die die Einnahmen des Staates zu 75% finanzieren!

    Also wacht endlich auf, ihr benutzten Arbeitnehmer, Beamte und ihr Klein- und . Mittelbetriebe. Stemmt euch gegen die laufende Benachteiligung und die gleichzeitige Bevorzugung der Großkonzerne durch die ÖVP Regierungsfraktion!

  6. Kalte Progression
    Aufgrund der hohen Inflation wirkt sich die kalte Progression in absoluten Zahlen trotz teilweiser Abschaffung erheblich stärker aus als vor der Reform. Ein Qualitätsmedium würde nicht populistisch schreiben, dass Besserverdienende künftig weniger zum Staatshaushalt beitragen, sondern, dass die prozentuelle Belastung dieser Einkommen nun langsamer wächst. Wobei ja dieses Wachstum im Steuergesetz gar nicht vorgesehen ist, sondern aufgrund der Inflation (je höher desto mehr) nur ein Windfall-Profit ist. Aber das Surfen auf der Welle ist so schön – auch wenn es für die Redakteure nur die Populismus-Welle ist.

  7. Lange Budget-Bank
    Teuerungsentlastungen kosten dem Staat Geld. Geld das derzeit aufgrund der selbstverschuldeten Sanktionskrise und damit eingeschränkten Lieferketten nicht verdient werden kann. Also kann man diese Kosten nur auf die lange (Budget-) Bank schieben, dh. die Schulden werden in die Zukunft verlagert Soll es doch die nächste Generation bezahlen. Vollkaskomentalität ohne konstruktive Lösungsansätze. So wird das Volk bezüglich der Sanktionspolitik ruhiggestellt. EU-Politik ohne Zukunft.

  8. Rette sich wer kann wird das Motto der nächsten Jahre und das besonders im Bezug auf Soziales, Pflege und Bildung.

  9. und jetzt kommt noch, dass fitch den ratingausblick für österreich von positiv auf negativ gestellt hat.
    dh die refinanzierung der staatsschulden wird in zukunft höhere kosten verursachen.
    das ist alles miteinander nicht gut.
    wir werden noch viel spass haben.
    alles unter dem motto:
    “Wenn man verhindern will, dass der Staat zuviel Geld für Soziales ausgibt, muss man dafür sorgen, dass der Staat weniger einnimmt.“

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