Man warte vergebens auf effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel, bemängelt die österreichische Politikwissenschaftlerin Alina Brad im Vorfeld der 27. UN-Klimakonferenz. Die jüngsten Treibhausgas-Rekorde unterstreichen ihre Kritik.
Wien, 03. November 2022 | Ab Montag findet in Scharm el-Scheich in Ägypten die 27. UN-Klimakonferenz statt. Die österreichische Politikwissenschaftlerin Alina Brad von der Uni Wien kritisiert im Vorfeld die Untätigkeit der Politik. Sie forscht zu internationaler Umwelt- und Ressourcenpolitik und sozial-ökologischer Transformation. Es brauche drastische Maßnahmen wie etwa einen Förderungs- und Verbrennungsstopp fossiler Brennstoffe, zitiert die Initiative „Diskurs. Das Wissenschaftsnetz“ die Forscherin in einer Aussendung von Donnerstag. Aber man warte bisher vergebens auf solche „dringend nötigen Beschlüsse“. Aufgrund der jüngsten Treibhausgas-Rekorde im Jahr 2021 warnt auch die Weltorganisation für Meteorologie (WMO), dass wir uns in die falsche Richtung bewegen.
Steuern auf Kipppunkt zu
2015 haben 194 Staaten und die Europäische Union im Pariser Klimavertrag das Ziel definiert, den durchschnittlichen Temperaturdurchschnitt auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Als anzustrebender Wert wurden 1,5 Grad definiert. Damit soll verhindert werden, dass die menschengemachte Klimaerwärmung einen Kipppunkt erreicht, ab dem sich der Klimawandel und der Schaden durch ihn nicht mehr eindämmen lässt, egal, wie verzweifelt man es mit diversen Maßnahmen versucht.
Ausgehend vom Pariser Klimavertrag, haben die Nationalstaaten sich eigene Ziele gesetzt. Diese würden aber zusammengenommen nicht ausreichen, um die 1,5-Grad-Grenze nicht zu überschreiten, kritisiert Brad. Österreich strebt etwa Klimaneutralität bis 2040 an.
Rekordjahr 2021
Dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, legen auch neue Rekordlevels der drei wichtigsten Treibhausgase nahe. Im Jahr 2021 haben Karbondioxid, Methan und Distickstoffmonoxid, bekannt als Lachgas, neue Höchstwerte erreicht, wie der jüngste Treibhausgas-Bericht der WMO zeigt. Die Menge an Methan in der Atmosphäre ist im Vergleich zu 2020 überhaupt so stark gestiegen wie in den vergangenen 40 Jahren der Aufzeichnungen nicht. Die WMO vermutet, dass eine Kombination biologischer und menschengemachter Prozesse für diesen Sprung verantwortlich ist. Der Befund der Organisation: „Wir bewegen uns in die falsche Richtung.“ Die notwendigen Veränderungen seien wirtschaftlich und technisch machbar, die Zeit laufe uns davon, sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas Ende Oktober, anlässlich der Veröffentlichung des Berichts.
Die Verantwortung der Hauptverursacher
Ein Hauptthema der Klimakonferenz werden Verlust und Schäden durch den Klimawandel sein. Damit verbunden ist auch die Frage, ob und inwieweit die Länder, die historisch am meisten zum fortgeschrittenen Klimawandel beigetragen haben, dafür haften und Entschädigungen zahlen sollen. Solche Initiativen sind von mächtigen Industriestaaten, allen voran den USA, immer blockiert worden, wird Brad in der Aussendung zitiert.
Energiekrise bremst derzeit Klimaschutz…
Die aktuelle Energiekrise bedeutet für Brad eine Bremse für den Klimaschutz. Es sei notwendig, “die Bindung gesellschaftlicher Investitionen und Ressourcen an den Ausbau fossiler Energieträger aufzubrechen“, so die Klimapolitik-Forscherin. Stattdessen hätten sich die Subventionen für fossile Energieträger weltweit verdoppelt. Deutschlands Grüner Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte vor dem Hintergrund der Gas-Knappheit im Oktober erklärt, man müsse “vorübergehend stärker Braunkohle nutzen”. Das sei schmerzhaft, aber nötig.
… motiviert aber auch zum Umschwung
Aber es gibt auch Stimmen, die in der aktuellen Energiekrise mittel- und langfristig eine Chance für den Klimawandel sehen, weil sie Staaten motiviert, Erdgas als Energiequelle den Rücken zuzukehren. Im Weltenergie-Ausblick 2022 schreibt die Internationale Energieagentur (IEA), dass die aktuelle Energiekrise langfristig einen Umschwung auf emissionsarme Energieträger wie erneuerbare aber auch atomare Energie begünstigt. Zeitgleich erwartet die IEA, dass in der Energieeffizienz und Elektrifizierung schnellere Fortschritte gemacht werden.
Emissionshalbierung bis 2030 nötig
Die Frage ist allerdings, wie lange noch Zeit ist, die Wende zu schaffen. Der Weltklimarat (IPCC) hat im April in einem Bericht festgehalten, dass wir spätestens vor 2025 den Höhepunkt der Emissionen erreicht haben und sie bis 2030 um mindestens 43 Prozent reduziert haben müssen, um die durchschnittliche Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. “Auch wenn wir das schaffen, ist es beinahe unvermeidbar, dass wir diese Temperaturschwelle eine zeitlang überschreiten, aber wir könnten es bis zum Ende des Jahrhunderts wieder unterschreiten”, schrieb der IPCC in seiner Aussendung im April 2022.
(pma)
Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl