Aufregung um Bahnstreik
Den ganzen Montag über steht die Bahn in Österreich still. Grund dafür ist ein landesweiter Streik der Arbeiter und Angestellten im Bahnsektor, zu dem die Gewerkschaft vida aufgerufen hatte.
Wien, 28. November 2022 | Weil auch die letzte Verhandlungsrunde vor dem Wochenstart ohne Ergebnis blieb, streiken die Bahnmitarbeiter seit Montag 24 Stunden lang. Der Forderung der Gewerkschaft vida von 400 Euro auf IST-Löhne wollten die Vertreter der Bahnunternehmen nicht nachkommen. Sie boten laut Eigenaussage eine 8,44-prozentige Erhöhung des Kollektivvertrags und eine Einmalzahlung von 1000 Euro. Die Gewerkschaft spricht von einer Erhöhung um genau acht Prozent und einer Deckelung bei den Ist-Löhnen.
Keine Einigung
Der Streik hatte sich schon vergangene Woche angebahnt. Die Arbeitgeberseite hatte die Gespräche nach der vierten Verhandlungsrunde vorläufig abgebrochen und die fünfte Gesprächsrunde ausfallen lassen. In der eigentlich sechsten Runde am Sonntag bewegten sich beide Seiten wenig – der angekündigte Streik wurde daraufhin umgesetzt.
Die WKÖ besserte ihr Angebot von zuletzt 200 auf 208 Euro auf, was der Chefverhandler der Gewerkschaft mit „Acht Euro wenden keinen Warnstreik ab“ quittierte. Man brauche besonders bei der Bahn bald erheblich mehr Personal. Dieses könne nur mit attraktiven Löhnen gefunden und gehalten werden.
Bei ÖBB-Chef Andreas Matthä „fehlt jedes Verständnis für diesen Streik“. 2019 erhöhte sich die Jahres-Gage des ÖBB-Holding-Vorstandes von 451.600 auf 633.100 Euro – eine Erhöhung um rund 40 Prozent.
Kein Verständnis
Bei den Arbeitgebern mischte der Streik die Karten neu. Der Chefverhandler der WKO-Schienenbahnen, Thomas Scheiber, sprach davon, das bisherige Angebot zurückzuziehen, das er als das Beste aller Branchen bezeichnet hatte. Der Gewerkschaft warf er vor, nach einem Drehbuch zu agieren und „Beharrungs-Parolen“ auszusenden. Die Forderung der vida sei vollkommen unrealistisch.
SPÖ vs. FPÖ, Regierung schweigt
Auch bei den politischen Parteien sorgte der Streik für Gesprächsstoff. Die FPÖ sprach von „politischer Geiselhaft“ und verurteilte die Aktion scharf.
Die SPÖ, insbesondere in Wien, unterstützte den Streik und drückte ihre Solidarität mit den Arbeitnehmern aus:
Volle Solidarität mit den heute streikenden Arbeitnehmer*innen. Wir stehen mit Überzeugung hinter den Forderungen der Gewerkschaften. ✊🚩 Die Teuerung ist voll bei den Menschen angekommen. pic.twitter.com/987iG3ObRw
— SPÖ Wien – Die Wienpartei (@SP_Wien) November 28, 2022
Der stellvertretende Klubobmann der SPÖ, Jörg Leichtfried, unterstrich die Bedeutung von „Mitarbeitern, Arbeitsbedingungen und gerechten Löhnen“.
Auch die KPÖ Steiermark steht hinter den Eisenbahnern:
Anders als in anderen Branchen, wo die KV-Verhandlungen mit deutlichen Reallohnverlusten abgeschlossen wurden, kämpfen die Eisenbahner:innen für einen guten Kollektivvertrag: https://t.co/SD2UYBnOV0#Streik #ÖBB #Solidarität #KPÖ pic.twitter.com/msZqqIEf8j
— KPÖ Steiermark (@kpoe_steiermark) November 27, 2022
Die Bundesregierung übte sich unterdessen in Zurückhaltung. Die für den öffentlichen Verkehr zuständige Grüne Ministerin Leonore Gewessler betonte, dass sich die Regierung traditionell nicht in Tarifverhandlungen einmische.
Innsbrucker Verkehrsbetriebe solidarisch?
Brisantes Detail am Rande: Neben den Bahnen überlegen am Montagnachmittag auch die Innsbrucker Verkehrsbetriebe (IVB) bei einer Betriebsversammlung zu streiken – aus Solidarität mit den Bahnangestellten. Der Vorsitzende der IVB ist ausgerechnet Thomas Scheiber, Chefverhandler der Wirtschaftskammer.
(dp)
Titelbild: EVA MANHART / APA / picturedesk.com