Freitag, April 26, 2024

Solidarität und Unverständnis – Aufregung um Bahnstreik

Aufregung um Bahnstreik

Den ganzen Montag über steht die Bahn in Österreich still. Grund dafür ist ein landesweiter Streik der Arbeiter und Angestellten im Bahnsektor, zu dem die Gewerkschaft vida aufgerufen hatte.

 

Wien, 28. November 2022 | Weil auch die letzte Verhandlungsrunde vor dem Wochenstart ohne Ergebnis blieb, streiken die Bahnmitarbeiter seit Montag 24 Stunden lang. Der Forderung der Gewerkschaft vida von 400 Euro auf IST-Löhne wollten die Vertreter der Bahnunternehmen nicht nachkommen. Sie boten laut Eigenaussage eine 8,44-prozentige Erhöhung des Kollektivvertrags und eine Einmalzahlung von 1000 Euro. Die Gewerkschaft spricht von einer Erhöhung um genau acht Prozent und einer Deckelung bei den Ist-Löhnen.

Keine Einigung

Der Streik hatte sich schon vergangene Woche angebahnt. Die Arbeitgeberseite hatte die Gespräche nach der vierten Verhandlungsrunde vorläufig abgebrochen und die fünfte Gesprächsrunde ausfallen lassen. In der eigentlich sechsten Runde am Sonntag bewegten sich beide Seiten wenig – der angekündigte Streik wurde daraufhin umgesetzt.

Die WKÖ besserte ihr Angebot von zuletzt 200 auf 208 Euro auf, was der Chefverhandler der Gewerkschaft mit „Acht Euro wenden keinen Warnstreik ab“ quittierte. Man brauche besonders bei der Bahn bald erheblich mehr Personal. Dieses könne nur mit attraktiven Löhnen gefunden und gehalten werden.

Bei ÖBB-Chef Andreas Matthä „fehlt jedes Verständnis für diesen Streik“. 2019 erhöhte sich die Jahres-Gage des ÖBB-Holding-Vorstandes von 451.600 auf 633.100 Euro – eine Erhöhung um rund 40 Prozent.

Kein Verständnis

Bei den Arbeitgebern mischte der Streik die Karten neu. Der Chefverhandler der WKO-Schienenbahnen, Thomas Scheiber, sprach davon, das bisherige Angebot zurückzuziehen, das er als das Beste aller Branchen bezeichnet hatte. Der Gewerkschaft warf er vor, nach einem Drehbuch zu agieren und „Beharrungs-Parolen“ auszusenden. Die Forderung der vida sei vollkommen unrealistisch.

SPÖ vs. FPÖ, Regierung schweigt

Auch bei den politischen Parteien sorgte der Streik für Gesprächsstoff. Die FPÖ sprach von „politischer Geiselhaft“ und verurteilte die Aktion scharf.

Die SPÖ, insbesondere in Wien, unterstützte den Streik und drückte ihre Solidarität mit den Arbeitnehmern aus:

Der stellvertretende Klubobmann der SPÖ, Jörg Leichtfried, unterstrich die Bedeutung von „Mitarbeitern, Arbeitsbedingungen und gerechten Löhnen“.

Auch die KPÖ Steiermark steht hinter den Eisenbahnern:

Die Bundesregierung übte sich unterdessen in Zurückhaltung. Die für den öffentlichen Verkehr zuständige Grüne Ministerin Leonore Gewessler betonte, dass sich die Regierung traditionell nicht in Tarifverhandlungen einmische.

Innsbrucker Verkehrsbetriebe solidarisch?

Brisantes Detail am Rande: Neben den Bahnen überlegen am Montagnachmittag auch die Innsbrucker Verkehrsbetriebe (IVB) bei einer Betriebsversammlung zu streiken – aus Solidarität mit den Bahnangestellten. Der Vorsitzende der IVB ist ausgerechnet Thomas Scheiber, Chefverhandler der Wirtschaftskammer.

(dp)

Titelbild: EVA MANHART / APA / picturedesk.com

DanielPilz
DanielPilz
Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.
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16 Kommentare

  1. Wolf war gestern unmöglich…

    Wieso muss man sich dafür rechtfertigen, dass man einen Lohnausgleich für die Inflation will???

    Gut so, und besser tun es die anderen Gewerbebranchen den Eisenbahnern gleich!

  2. 633’000 für einen Vorstand ist auch kein Schmutz. Bei der eigenen Aufbesserung des Salärs waren die Roten immer schon mindestens ebenbürtig.

  3. Wenn die FPÖ gegen diesen Streik polemisiert, dann ist sie de facto für einen Reallohnverlust bei den Eisenbahnern. Wie kann man die extreme Teuerung und Verarmung anprangern und gleichzeit für einen Reallohnverlust bei den Eisenbahnern sein ? Das müsste mal einer erklären.

  4. Gut daß ZZ hier die Erhöhung des rot-nahen Matthä dokumentiert hat.
    Allerdings braucht man auch loyale Manager, denen man trauen kann.
    Die muss man natürlich auch gut bezahlen.
    Also wird es offensichtlich mehr in der Führungsebene sein, der da supergut ausgestiegen ist.

    • Gut bezahlen ja, überhöhte Gehälter bis 633 Tausend nein. M. E. muss hier bei 250’000 die Obergrenze sein und das ist eh schon hoch angesetzt.

  5. Die ÖBB könnte man vermutlich kostendeckend führen, wenn die Personalkosten nicht so hoch wären. Wobei ich hier insbesonders die Nichtleistungslöhne meine.
    Ich kenne einen ehemaligen Stationsvorstand einer Nebenlinie, der mit 55 in Pension ging und jetzt mit 65 so jung und fit aussieht wie andere die wirklich arbeiten mit 45. Und diesen Lenz kann sich die ÖBB nicht leisten und die dafür notwendige Subvention wollen wir uns auch als Steuerzahler nicht leisten.

    • Die ÖBB (Cargo) macht derzeit das beste Geschäft ihres Lebens. Sie hat noch Waggons für den Transport der Waren aus der und in die Ukraine über die Schiene.

    • Die alte Kostenaufschlüsselung war unlesbar. Bei meinem neuen Angebot braucht man nur mehr die kWh einsetzen.
      In Zukunft kostet
      GAS 3,85 mal so viel – das sind + € 700,-
      STROM 2,6 mal soviel – das sind + € 1100,-
      PELLETS ca 3 mal soviel – das sind + € 2400,-
      ———————————————————–
      SUMME € 4200,- pro Jahr

      Oder ca 400,- NETTO pro Monat. Das ist ungefähr was gefordert wird. Dabei sind die Teuerungen n den Geschäften gar nicht dabei!

      Das wären bei einem NETTO-Einkommen von 40.000,- ein Einkommensverlust von 10 % oder 2 Monatsgehälter!

  6. Spannend wie wenig die FPÖ in Wirklichkeit für die Arbeitnehmer übrig hat. Sie hat den Arbeitnehmern die Selbstverwaltung ihrer Krankenkasse weggenommen und jetzt versucht sie Einfluss zu nehmen auf Tarifverhandlungen die Sache der Arbeitnehmervertretung also der Gewerkschaft sind. Und die Arbeiterkammer als Interessenvertretung der Arbeitnehmer wollte man sowieso abschaffen.

  7. Wir zahlen unfreiwillig pro Jahr € 6000,- an die Ukraine. Das wollen wir zumindest zum Teil zurück. Die Unternehmer hätten die Macht gehabt hier im Vorfeld aktiv zu werden. Haben sie nicht gemacht.
    Daher sind die Streiks sehr wohl gerechtfertigt.

    • Ich glaube nicht, das der Krieg in der Ukraine der einzige Grund zum streiken ist. Den meisten Arbeitnehmer wird seit Jahren immer mehr weggenommen, irgendwann reicht es. Ob das der Startschuss für eine Streikwelle in Österreich ist? Wundern würde ich mich nicht.

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