Verwirrung um einen Prüfbericht des niederösterreichischen Rechnungshofes: Darin fehlen plötzlich Passagen zu Inseraten in ÖVP-nahen Magazinen, die in der Rohfassung noch genannt wurden.
Benjamin Weiser
Wien, 14. Dezember 2022 | Die Inseratencausa in Niederösterreich kommt für die Volkspartei von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zur Unzeit – in einem Monat sind Landtagswahlen und die sogenannte „Niederösterreich-Partei“ könnte ihre absolute Mehrheit verlieren. Jetzt kommt raus: ein am Dienstag veröffentlichter Prüfbericht des Rechnungshofes, der die landeseigene NÖ Familienland GmbH unter die Lupe nimmt, wurde um gewisse Stellen mit ÖVP-Bezug gekürzt. Es geht um folgende Passage im Endbericht für den September:
Screenshot Endbericht: Faksimile ZackZack.
In der Rohfassung, die ZackZack vorliegt, wurden noch konkrete Medien genannt, in denen die NÖ Familienland GmbH inseriert haben soll. Darunter „Familie“ des ÖVP-Familienbundes oder das ÖVP-nahe Seniorenmagazin „endlich Frei-Zeit“. Im Endbericht (Screenshot) werden sie nun nicht mehr namentlich genannt.
Auf Nachfrage sagt der Landesrechnungshof, die im Rohbericht genannten Medien würden einer „internen Unterlage“ entspringen. Sie seien daher angeblich „vertraulich“ zu behandeln und deshalb rausgenommen worden. Warum sie dann zuvor überhaupt in der Rohfassung standen, bleibt unklar. Von NÖ Familienland GmbH war bislang keine Stellungnahme zu bekommen. Diese wird entsprechend nachgereicht.
Herausgegeben wird das Blatt „endlich Frei-Zeit“ von den NÖs Senioren, einer offensichtlichen Parallelorganisation zum niederösterreichischen ÖVP-Seniorenbund. Beide Senioren-Häuser sitzen in der St. Pöltner Ferstlergasse 4 – der Parteizentrale von Johanna Mikl-Leitner.
Inserate von Landes- und Bundesregierung
Wirft man einen Blick in das Magazin, fallen einem mehrere interessante Dinge auf. Auf den ersten Seiten grüßen Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec und Ex-Landtags-Vize Herbert Nowohradsky. Darunter prangen die Logos des Seniorenbundes, der Tageszeitung „NÖN“ oder der Niederösterreichischen Versicherung. Ein paar Seiten weiter gibt die Landeshauptfrau im großen Interview zu verstehen: „Wir sind die Niederösterreich-Partei“.
Munter inseriert wird auch, etwa in der Juli/August-Ausgabe. So gönnte sich das Land Niederösterreich eine halbe Seite, um „erfrischend genussvoll Radfahren in Niederösterreich“ zu bewerben. Auch der mehrheitlich im Landesbesitz befindliche Energieversorger EVN schaltete ein halbseitiges Inserat. Die Bundesregierung ließ es sich derweil nicht nehmen, ihre Impfkampagne ganzseitig zu schalten. So weit, so vernünftig, könnte man über diese Kampagne urteilen. Wäre da nicht die parteinahe Herausgeberschaft sowie die eher geringe Leserschaft der zehn bis elf Mal jährlich erscheinenden „endlich Frei-Zeit“: man schickt das Papier laut eigenen Angaben an rund 55.000 „Mitgliedshaushalte“.
Opposition läuft heiß
Folgt man der Mediadaten-Broschüre von „endlich-Frei-Zeit“, kostet ein ganzseitiges Inserat in der Gesamtausgabe bis zu 3.940 Euro, ein halbseitiges kostet 2.090 Euro. Für elf Ausgaben pro Jahr macht das 43.340 Euro beziehungsweise 22.990 Euro – allein für dieses ÖVP-nahe Spezialheft. Das klingt zunächst nach nicht viel. Doch wenn man bedenkt, wie viele kleine Magazine im ÖVP-Kosmos insgesamt herumschwirren dürften, kann sich eine beträchtliche Summe aufstauen.
Die Opposition in Niederösterreich ist jedenfalls ziemlich wütend. Aus informierten Kreisen heißt es, für morgen werde eine Allparteien-Pressekonferenz anberaumt. Da könnte das eine oder andere Inseratenthema angesprochen werden. Und der Rechnungshofbericht. Zu dem wollen NEOS am Donnerstag eine Stellungnahme abgeben.
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