Samstag, Juli 27, 2024

Inseratenaffäre ÖVP Niederösterreich: Jetzt ermittelt der Staatsanwalt

Zwei Monate vor der entscheidenden Landtagswahl hat die Inseratenaffäre jetzt auch Niederösterreich erreicht. Die Staatsanwaltschaft Wien hat mit Ermittlungen begonnen – vorerst gegen „unbekannte Täter“. Es geht um Untreue – und um die Zukunft der ÖVP NÖ.

Wien/St. Pölten, 07. Dezember 2022 | Die Inseratenaffäre hat jetzt auch die niederösterreichische ÖVP eingeholt. „Auf Grundlage der beigefügten Sachverhaltsdarstellung wurde ein Ermittlungsverfahren gegen bislang unbekannte Verantwortliche der EVN AG, der Hypo NOE Landesbank für Niederösterreich und Wien AG sowie der NÖ Landesgesundheitsagentur jeweils als Verdächtige wegen des Verdachtes nach § 153 StGB eingeleitet.“ Hinter diesem Satz und dem Aktenzeichen „603 St 12/22x“ verbirgt sich der Sprengstoff, den Johanna Mikl-Leitner und ihre ÖVP für die bevorstehende Landtagswahl in Niederösterreich befürchten mussten.

Ein anonymer Anzeiger beschreibt auf 14 Seiten detailliert, wie der Energiekonzern EVN, die Hypo-Bank und die Landesgesundheitsagentur LGA Inserate in ÖVP-Medien in einem Maße schalteten, das sogar einen Funktionär der Vorarlberger ÖVP zum Staunen bringen müsste.

Staatsanwalt ermittelt

Der zuständige Staatsanwalt will jetzt wissen, „welche Inserate tatsächlich von der EVN AG, der Hypo NOE und der NÖ-Landesgesundheitsagentur im Zeitraum 2020 – 2022 im Magazin „Sicher in NÖ“ sowie von der Hypo NÖ seit 2017 im Magazin „Arbeiten für NÖ“ geschaltet und welche Beträge dafür in Rechnung gestellt wurden“. Die zweite Frage des Staatsanwalts an das Landeskriminalamt Niederösterreich lautet „wer bei der EVN AG, der Hypo NOE und der NÖ-Landesgesundheitsagentur konkret für die Auftragserteilung und davor für die Entscheidung, die Inserate zu schalten, zuständig war“.

(C) ZackZack

Die Frist, die der Staatsanwalt den Ermittlern am 10. Oktober 2022 für ihren Bericht gesetzt hat, beträgt acht Wochen und ist damit am 5. Dezember 2022 abgelaufen. Damit bekommt der Staatsanwalt fast zwei Monate vor der Wahl die Namen der Personen, die der ÖVP weit überteuerte Inserate zugeschanzt haben sollen.

Bis zu 1.250 Prozent teurer

Das Geschäft – so der Anzeiger – funktioniere nach einem einfachen Prinzip: Ein Unternehmen, das vom Land Niederösterreich beherrscht wird, schaltet zu weit überhöhten Preisen Inserate in Parteimedien der niederösterreichischen ÖVP. Den ahnungslosen Kunden sagt niemand, dass sie mit ihren Stromrechnungen und Kreditzinsen über dunkle Umwege die ÖVP finanzieren.

Der Anzeiger vergleicht die Inseratenpreise eines niederösterreichischen Bezirksblatts, das die 45-fache Auflage des ÖVP-Magazins „Sicher in NÖ“ hat und kommt zu dem Schluss, dass der Preis für die Inserate zugunsten der ÖVP um bis zu 1.250 Prozent über dem für das unabhängige Bezirksblatt liegt. Beim Vergleich mit der Kronen Zeitung kommt er auf eine ÖVP-Überteuerung von 366 Prozent.

Wo die Fäden zusammen laufen

Auf die Frage, warum das in Niederösterreich von EVN und Hypo bis LGA alle tun, hat er eine einfache Antwort: Die EVN AG wird von der Niederösterreich Holding AG kontrolliert – einer 100-prozentigen Tochter des Landes Niederösterreich. Bei der HYPO ist es über die BET GmbH und die niederösterreichische Landes Beteiligungsholding GmbH nicht anders. Die Landesgesundheitsagentur gehört als Anstalt öffentlichen Rechts dem Land Niederösterreich. So laufe alles bei Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und ihrer Partei zusammen.

Der Anzeiger hat nachgerechnet. 99.000 Euro sollen in den letzten zweieinhalb Jahren allein für das ÖVP-Blatt „Sicher in NÖ“ von EVN, Hypo und LGA geflossen sein. Davon sollen 22.500 Euro auf EVN und 28.500 Euro auf die Hypo entfallen. Euro 27.000 Euro Hochpreisinserate rechnet er der LGA zu. Dazu kommen laut „profil“ noch weitere 60.000 Euro für das ÖAAB-Blatt „Arbeiten in NÖ“.

ÖVP Niederösterreich im Visier

Im ersten Schritt forscht der Staatsanwalt jetzt die Geber bei EVN, Hypo und LGA aus. Danach wird vermutlich auch die andere Seite, die Nehmer in der Partei, zu beleuchten sein. ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner kommt hier ebenso für Vernehmungen in Frage wie Gesellschafter und Geschäftsführer von Unternehmen wie „Innova“, die für die ÖVP die Magazin-Geschäfte besorgen.

Neben den Gebern und Empfängern der dubiosen Inseratengeschäfte, welche nun im Fokus der Staatsanwaltschaft stehen, geht es auch um die politische Dimension und um die politischen Nutznießer und Auftraggeber. Sieht man sich das Firmengeflecht und die Machtverteilung im Land Niederösterreich an, ist dabei klar: Es geht um die Spitzen von ÖAAB und ÖVP in Niederösterreich.

Aktuell keine Ermittlungen gegen Mikl-Leitner

Vorläufig ermittelt der Staatsanwalt gegen „unbekannte Täter“. Angezeigte wie Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner und weitere Personen und Verbände werden derzeit nicht als Beschuldigte geführt.

Aber die Spuren führen auch zu anderen Unternehmen und Schlüsselpersonen der ÖVP, die schon im Innenministerium unter Ministerin Mikl-Leitner die Geschäfte der ÖVP besorgt haben. Darüber mehr demnächst auf ZackZack.

Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

(pp/red)

Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

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