Samstag, April 27, 2024

Krokodilstränen bei Immobilienlobby um Maklerprovision

Die Maklerprovision soll zukünftig nur noch vom Auftraggeber bezahlt werden. Die Immobilienlobby ist “entsetzt” und demonstriert Sorge um Mieter.

Wien, 19. Dezember 2022 | Wer künftig einen Immobilienmakler engagiert, muss diesen auch selbst bezahlen. Auf diese Neuerung haben sich Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) am Sonntag geeinigt. Das sogenannte Bestellerprinzip soll ab Juli 2023 wirksam sein und vor allem zukünftigen Neumietern Erleichterungen bringen. Bisher war es Vermietern erlaubt, Maklerkosten an Mieter weiterzugeben, die selbst keinen Auftrag an einen Makler vergeben hatten. Ein Gesetzesentwurf liegt noch nicht vor.

ÖVP-Blockade gebrochen

Die Einigung kommt einigermaßen überraschend, hatte die Regierung doch noch Ende November Interessenskonflikte zu beklagen. Die Grünen beschwerten sich, dass die ÖVP plötzlich anhand von Umgehungskonstruktionen ermöglichen wolle „dass Mieter weiterhin durch eine Kostenfalle beim Vertragsabschluss erpressbar bleiben“, so Grünen-Verhandlerin Nina Tomaselli Ende November. Befürchtet hatte man neue Zusatzkosten wie Besichtigungsgebühren, um die Maklerprovision über Umwege von Vermietern einstreifen zu können.

Mit ihrem ursprünglichen Einwand konnte die ÖVP nun die Reform bis Sommer nächsten Jahres verzögern. Am Sonntag erzielte man doch noch einen Kompromiss – und zwar mit Umgehungsschutz. Klauseln, die es dem Vermieter erlauben könnten, die Maklerprovision über Umwege an die Mieter weiterzugeben, sind demnach zukünftig als rechtswidrig einzustufen.

Regierung feiert „Entlastung“

Die Koalitionspartner freuten sich, Mieter mit der Maßnahme um insgesamt 55 Millionen Euro zu entlasten. Die grüne Chefverhandlerin Nina Tomaselli verkündete: „Was in allen anderen Lebensbereichen selbstverständlich ist, gilt jetzt auch für Maklergebühren: Wer anschafft, muss auch zahlen.“ Die ÖVP befand: „Leistbares Wohnen ist gerade in Zeiten der Teuerung ein wichtiges Thema. Insbesondere für junge Menschen ist die Einführung des Bestellerprinzips eine hervorragende Nachricht.“

Immobilienlobby empört

Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) vergoss unterdessen Krokodilstränen für die Mieterinnen und Mieter. Das sichtbare Angebot an Wohnraum würde durch die Maßnahme „deutlich sinken“, „Beratungs- und Serviceleistungen des Maklers in Zukunft wegfallen“, signalisierte man schon vorab die fehlende Bereitschaft seitens Vermieter für Maklerkosten aufzukommen.

Der Obmann des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich stimmte in den Chor ein: Die Immobilienwirtschaft sei entsetzt und warnt vor Konsequenzen für Vermieter und Mieter gleichermaßen.

FPÖ sieht „wohnpolitische Verantwortungslosigkeit“

Die Freiheitlichen stimmten nicht in den Koalitionsjubel ein. Sie schossen sich vor allem auf Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) ein. Dieser würde versuchen den gemeinnützigen Wohnbau für Immobilienspekulanten zu öffnen. „Superreiche erhalten Genossenschaftswohnungen – und die Menschen sparen sich die Maklerprovision? Das ist ein Hohn für alle Betroffenen und an Zynismus kaum zu überbieten“, schrieb die FPÖ in einer Aussendung.

SPÖ und AK wollen Mietpreisbremse

Bei den Sozialdemokraten bezeichnete man das Bestellerprinzip zwar als überfällig, gab sich jedoch skeptisch, was die Umsetzung betrifft. Da noch kein Gesetzesentwurf vorliege, sei noch unklar, wie die Reform im Detail aussehe. Zudem würde die Ersparnis der Maklerprovision „nicht reichen, zumal durch die Rekordteuerung Wohnen bald unbezahlbar wird. Wichtig ist deshalb eine Begrenzung der Mietsteigerungen auf jährlich maximal 2 Prozent“, bekräftigte die SPÖ eine Forderung der Arbeiterkammer und der Mietervereinigung.

Besonders solche Mieten, die sich an der allgemeinen Preiserhöhung orientieren, müssten gestoppt werden, so die Mietervereinigung. Von rund 400 Millionen Euro Zusatzkosten durch Mietererhöhungen im Verlauf des Jahres ist die Rede.

(dp)

Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl

DanielPilz
DanielPilz
Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

3 Kommentare

  1. Die Behauptung, dem Vermieter war es bisher erlaubt, Maklerkosten an Mieter weiterzugeben, ist unrichtig. Die Höchstzulässige Provision für Mieter beträgt max. 2 Monatsmieten und vom Vermieter darf der Makler zusätzlich max. 3 Monatsmieten Provision verlangen. Wenn nun 2 Monatsmieten vom Mieter wegfallen, wird dies der Vermieter nicht ausgleichen, solange erschwingliche Mietobjekte einer Überzahl an Suchenden gegenüberstehen. Das Angebot an Wohnraum wird sich reduzieren, wenn der Makler erst im Auftrag des Suchenden tätig wird. Eine Dienstleistung umsonst gibt´s halt nicht.

  2. 55 Millionen Entlastung, Aha. Was haben die türkisen Inserate pro Jahr gekostet? Jetzt kommt also eine Mini Entlastung für einen kleinen Teil der Bevölkerung und die Koalition der Abzocker kann sich wieder auf die Schultern klopfen und was sie nicht alles für die Armen Wohnungssucher tun. Das ist nur Augenauswischerei, mir hilft das soviel wie eine dritte Brustwarze.

  3. In der Schweiz schon lange so. Da zahlt kein Mieter jemals für eine Vermittlung durch einen Makler. Trotzdem geht des den Immobilienbüros ziemlich gut. Aber Österreichs Immo-Haie müssen ein bissl weinen ob der verlorenen Einnahme. Mai, isch des furchtbar für diese Makler:innen.

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Benkos Luxusvilla in Italien

Denn: ZackZack bist auch DU!