Samstag, April 27, 2024

Ausgerechnet: Das lukrative Geschäft mit dem Leerstand

Seit über einem Jahrzehnt werden immer mehr Wohnungen fertiggestellt, gleichzeitig heißt es landauf landab, dass es an Wohnraum fehlt und die Mieten steigen. Ein Grund dafür: Wohnungen stehen bewusst leer.

Von Leonard Jüngling

Den meisten Menschen bringt eine leerstehende Wohnung genauso so viel wie eine nicht gebaute Wohnung – nichts. Für die wenigen, die Wohnungen besitzen und mit voller Absicht leer stehen lassen, ist es hingegen ein lukratives Geschäft: Mieter:innen bedeuten nämlich Aufwand und sind gesetzlich geschützt. Eine leerstehende Wohnung hingegen verursacht kaum Kosten. Wirft aber hohe Gewinne ab, wenn sie in ein paar Jahren mit einer saftigen Wertsteigerung wieder verkauft wird. In Österreich sind die Immobilienpreise seit 2010 regelrecht explodiert. Heute sind Immobilien im Schnitt über 100 Prozent mehr wert als vor 14 Jahren. Wohnungen dienen so nicht mehr als Wohnraum für die Bevölkerung, sondern zunehmend als Geldanlage für die Vermögenden. Denn eine Wohnung, in der man selbst nicht wohnt, leer stehen zu lassen, muss man sich erst einmal leisten können.

Nicht jeder Leerstand ist problematisch

Steht eine Wohnung vorübergehend leer muss das nicht sofort ein Anhaltspunkt für problematischen Leerstand sein. Vorübergehender Leerstand entsteht, wenn eine Wohnung in einem unbewohnbaren Zustand ist und renoviert oder saniert werden muss. Auch gibt es grundsätzlich einen gewissen Anteil an Wohnungen am Wohnungsmarkt, der leer steht aufgrund von Umzügen. Ziehen Mieter:innen aus einer Wohnung aus, kann es schonmal ein paar Monate dauern bis neue Nachmieter gefunden wurden. Der für die Allgemeinheit problematische Leerstand hingegen ist der spekulative Leerstand, bei dem Eigentümer:innen die Wohnungen langfristig leer stehen lassen, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Damit verknüpft ist auch die kurzzeitige Vermietung an Touristen. Wohnungen, die über Plattformen wie AirBnB angeboten werden, stehen größtenteils leer und können nicht von den Einheimischen bewohnt werden. In gefragten Gebieten kann innerhalb weniger Tage durch kurzzeitige Vermietungen mehr eingenommen werden als durch den Mietzins einer langfristigen Vermietung.

Die politisch geduldete Dunkelziffer

Valide Zahlen zu leerstehenden Wohnungen sind kaum zu finden. Denn: Leerstand ist schwer zu erfassen. Einer aussagekräftigen Zahl nähern wir uns an, wenn wir die Wohnsitzmeldungen betrachten. Ist kein Haupt- oder Zweitwohnsitz gemeldet, ist das ein erster Hinweis auf eine leerstehende Wohnung. Allerdings kann es auch daran liegen, dass Mieter:innen ihren neuen Wohnsitz mit Verzögerung melden oder es schlichtweg gar nicht tun. Eine weitere Möglichkeit zur Erfassung von Leerständen, ist die Auswertung des Wasser- oder Stromverbrauchs einer Wohneinheit. Falls solche Daten zur Verfügung stehen und der Verbrauch über einen längeren Zeitraum stark unterdurchschnittlich ist, steht die Wohnung mit ziemlicher Sicherheit leer. Verlässliche Daten könnten erfasst werden, wenn der politische Wille vorhanden wäre. Eine Zusammenführung von Meldedaten zum Eigentum und den Wohnsitzmeldungen könnte Leerstände offenlegen. Ebenso wie verpflichtende und regelmäßige Meldungen durch die Eigentümer:innen, ob und wer in ihrer Wohnung wohnt.

Leerstandabgabe für mehr leistbaren Wohnraum

Wer nicht nachweisen kann, dass die Wohnung vermietet ist oder keinen Grund für einen Leerstand hat, sollte eine Abgabe auf den leerstehenden Wohnraum zahlen. Eine Studie zur Leerstandsabgabe in Frankreich von Mariona Segú belegt: Wird Leerstand besteuert, geht dieser auch zurück. Steht in einer Region besonders viel Wohnraum leer, greift die Leerstandsabgabe besonders gut. In Österreich gibt es eine entsprechende Abgabe bereits in drei Bundesländern: In der Steiermark und in Salzburg können die Gemeinden eine solche erheben, in Tirol sind sie dazu verpflichtet. Allerdings schaffen die Abgabesätze mit weniger als 30 Euro pro Quadratmeter kaum Anreiz, weil sie zu niedrig angesetzt sind. Das liegt daran, dass es den Bundesländern gesetzlich nicht möglich ist, eine Abgabe einzuheben, bei der es sich finanziell gar nicht erst auszahlt, eine Wohnung oder ein Haus leerstehend zu lassen. Eine klug gestaltete Leerstandsabgabe muss über der Wertsteigerung der Immobilen liegen. Und damit bei zumindest 200 Euro pro Quadratmeter im Jahr.

Leerstandsabgabe als Instrument für Klimaschutz

Eine Leerstandsabgabe ist aber nicht nur eine Maßnahme für mehr Wohnraum, sondern auch aus klimapolitischer Perspektive zentral. Unsere Bevölkerung wächst zunehmend und diese Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf. Wenn immer mehr Wohnungen aus Spekulation und Gewinnmacherei leer stehen, muss dieser Wohnraum trotzdem irgendwo herkommen. Also wird gebaut. Noch mehr Flächen werden versiegelt, mehr wertvolle Ressourcen werden verbraucht. Dabei muss das Gebot der Stunde in Zeiten der Klimakrise lauten: Böden entsiegeln, Wohnraum, der bereits gebaut ist, nutzen und nicht eine Beton-Wüste nach der anderen am Stadtrand errichten. Denn sonst kommt auch noch die Zersiedelung ins Spiel, was wiederum mehr Verkehr bedeutet. Eine gut gestaltete Leerstandsabgabe geht also Hand in Hand mit effektivem Klimaschutz. Gut, wenn sich hier endlich mehr tut, wie von der Regierung unlängst angekündigt. Elementar dabei ist aber, dass die Bundesländer die Leerstandabgaben hoch genug ansetzen und endlich auch lückenlos Leerstand erhoben wird.


Leonard Jüngling forscht am Momentum Institut zu Wohnen und Inflation. Er hat politische Ökonomie in Heidelberg und Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen studiert.

Weiterführende Studie von Mariona Segú: Leerstandsabgabe in Frankreich

Titelbild: Ingo Pertramer, Miriam Moné

Momentum
Momentum
„Momentum“ rechnet nach und analysiert. Jenseits von Regierungspropaganda und „Wirtschaftsinteressen“.
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

11 Kommentare

  1. Ja, der Herr Jüngling hat Recht.
    Mieter:innen bedeuten Aufwand und sind gesetzlich geschützt. Das mit dem aufwand ist relativ, bringen Mieter, in der Regel, ja auch Geld mit, die den Aufwand dann doch bequem kompensieren.
    Beim Schutz der Mieter ist es schon ein wenig kritischer… Da ist, meiner bescheidenen Meinung nach, das Gleichgewicht nicht (mehr) so ganz gegeben. Da gibt es mehrere Punkte.
    Zum einen, dass zB so mancher NR-Abgeordneter in einem Gemeindebau lebt und hier eine, in Relation zum Einkommen, lächerlich geringe Miete zahlt, während die benachbarte Mindestpensionistin mit ihrem Einkommen geradeso auskommt.
    Jetzt verlange ich nicht, dass die reicheren Gemeindebaubewohner ausziehen müssen, und die Wohnung nur für Bedürftige da sein sollen (das Argument der Gettoisierung ist hier durchaus richtig, weshalb es im Gemeindebau durchaus eine Durchmischung der Gesellschaftsschichten geben soll), aber die, die es sich leisten können sollen hier einen höheren Beitrag bezahlen als die vielgenannte Mindestpensionistin, wodurch das Haus dann auch eher erhaltbar ist und mit den Mehreinnahmen, gerade bei der Vermietung durch die öffentliche Hand, neuer Wohnbau finanziert werden kann.

    Auch sollte man sich so manche Eintritts- und Kündigungsregeln nochmal ansehen, da es hier auch zu teilweise groben Ungleichgewichten kommt.

  2. Leerstand? Nennt sich Vorsorgewohnung. Also bitte die Hühner im Stall lassen. Auch Zweitwohnsitze verdoppeln den Flächenverbrauch. Und diese wurden gerade neu zu bauen mit 800 Millionen € gefördert.

    Da kuft jemand um 300.000 € eine Vorsorgewohnung, die dann leer steht und soll im Jahr dann 2000 € berappen? Das ist herzlich wenig. Dass die Gemeinden es noch wesentlich billiger geben, verstehe, wer will. Die Errichtungskosten tragen Gemeinden ja mit: Abwasser, Zuwasser, Straßen, Stromleitungen, Gasleitungen etc. zahlen ja alle mit. Ein Haus um 1 Million € und es fallen nur 6000 € im Jahr an. Das ist nicht in Relation.

  3. Was ist hier vor allem mit der Ust?
    Das wäre ein weiteres Kriterium um zu überprüfen und ist auch der vielfache Air B und B Umsatz mindestens gegenüber anderen Vermietern wettberbswidrig und werden da auch sehr viel weitere Abgaben hinterzogen…

    (Weitere Bermerkung: So haben wir aus meiner Sicht hier auch keine Klimakrise, sondern maximal einen Klimawandel und diesen seit der Erschaffung unserer Welt… – auch verstehe ich hicht was die Bodenversiegelung mit einer Klimakrise zu tun haben soll???)

    • … “So haben wir aus meiner Sicht hier auch keine Klimakrise…” und vestehen nicht, “was Bodenversiegelung mit der Klimakrise zu tun haben sollte”. Es ist so wie mit diesem “Bettler” vom Tucholsky auf der Suche nach jemanden, der ihm seine (verkleidete) Blindheit glaubt… Der gibt nämlich auch vor, nix zu sehen, was er anderen (zufällig Vorbeikommenden) so “verkaufen” kann… Diese Metapher steht jetzt aber nicht für Sie hier (Blinde sehen ja nix) in der Brailleschrift, sondern für die vielen hier nur des Deutschen Alphabetes kundigen Vorbeikommenden …

  4. Leerstand kostet Betriebsgebühr+Mietausfall – das das billiger ist, könnte an fehlenden Versicherungsmöglichkeiten gegen “Mieter” liegen 😁🍻

  5. Zzgl. zur evozierten zusätzlichen Bodenversiegelung, die in aufkommend lokal gehäuften Unwetterereignissen DIE UMWELT UND ÖKOLOGISCHE KREISLÄUFE FAKTISCH ZERSTÖRT, das ARTEN- und MASSENSTERBEN allerorten, sämtliche Nahrungsketten damit zerreisst, beträgt der Anteil am weltweiten CO2 Ausstoss in der Zementherstellung 8% (~4 Mrd Tonnen).

    Die Nachfrage nach dem vielseitigen, wichtigsten Rohstoff SAND hat sich laut einer Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht und beträgt derzeit 40-50 Mrd. Tonnen pro Jahr. Damit ist er einer der wichtigsten Handelsrohstoffe weltweit. Wüstensand eignet sich aufgrund seiner Körnung nicht zur Herstellung von Beton. Daher sucht man zunehmend nach anderen Quellen, oft mit verheerenden Folgen für Land und Leute: „Flüsse, Deltas und Küsten werden ausgewaschen, SAND-MAFIAS blühen, und der Bedarf steigt“, so das Fazit des UNEP-Teams. In vielen Ländern floriert zudem das Geschäft mit illegal gewonnenem Rohstoff. So sichert etwa Singapur seine Küstenzone mithilfe von Sand, der illegal in benachbarten Staaten abgebaut wurde. Neben POLITISCHEN SPANNUNGEN zeitigt die ungezügelte Sandgewinnung MASSIVE ÖKOLOGISCHE PROBLEME (zu den oben angeführten). Beispiel Marokko: Durch den ungebremsten Sandabbau an der Mittelmeerküste könnte schon im Jahr 2050 rund die Hälfte aller Sandstrände im Nordosten des Landes überspült und mancherorts bis zu 95 % der Küstendünen zerstört sein. Auch dem Meer selbst wird Sand geraubt: Weil Flussbetten und Kiesgruben den Bedarf der boomenden Bauwirtschaft nicht mehr decken, greift sie zunehmend auf Meeressand zurück – mit fatalen Folgen für MARINE ÖKOSYSTEME und ihre Bewohner. In Mangrovenwäldern bedroht der Sandabbau die dort lebende Flora und Fauna; Flussufer werden durch Sandentnahme instabil und bieten folglich weniger Schutz gegen Überschwemmungen. Chinesische und andere Umtriebigkeiten in den “Emerging Markeds” dürfen im Ausmaß und Umfang der allumfassend globalen Zerstörung noch einmal mit Faktor-x beziffert werden. 100e weitere Beispiele gäb es noch dazu …

    Dafür dürfen Tojner, Benko, Haselsteiner & Co. (btw. unter den 6 größten Baukonzernen weltweit sind 5 Chinesische zu finden sind also Mickey-Mäuse im global Business) hierzulande Top down dieser politisch gelenkten Spekulationsmafia deren Gewinne ins astronomische lizitieren – freilich verlässlich steuerschonend noch dazu. -> das Stimmvieh wird’s mit deren Hirn- und Arbeit-Hände eh bezahlen… O-Ton MiLei zB: “Man muss der jungen Generation ihre Träume vom Eigentum verwirklichen lassen”, Schmäh-Hammer fabuliert in Schlagzeilen-Rhetorik von einem “Volk der Eigentümer*innen”.

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Benkos Luxusvilla in Italien

Denn: ZackZack bist auch DU!