Samstag, Juli 27, 2024

Ausgerechnet: Das lukrative Geschäft mit dem Leerstand

Seit über einem Jahrzehnt werden immer mehr Wohnungen fertiggestellt, gleichzeitig heißt es landauf landab, dass es an Wohnraum fehlt und die Mieten steigen. Ein Grund dafür: Wohnungen stehen bewusst leer.

Von Leonard Jüngling

Den meisten Menschen bringt eine leerstehende Wohnung genauso so viel wie eine nicht gebaute Wohnung – nichts. Für die wenigen, die Wohnungen besitzen und mit voller Absicht leer stehen lassen, ist es hingegen ein lukratives Geschäft: Mieter:innen bedeuten nämlich Aufwand und sind gesetzlich geschützt. Eine leerstehende Wohnung hingegen verursacht kaum Kosten. Wirft aber hohe Gewinne ab, wenn sie in ein paar Jahren mit einer saftigen Wertsteigerung wieder verkauft wird. In Österreich sind die Immobilienpreise seit 2010 regelrecht explodiert. Heute sind Immobilien im Schnitt über 100 Prozent mehr wert als vor 14 Jahren. Wohnungen dienen so nicht mehr als Wohnraum für die Bevölkerung, sondern zunehmend als Geldanlage für die Vermögenden. Denn eine Wohnung, in der man selbst nicht wohnt, leer stehen zu lassen, muss man sich erst einmal leisten können.

Nicht jeder Leerstand ist problematisch

Steht eine Wohnung vorübergehend leer muss das nicht sofort ein Anhaltspunkt für problematischen Leerstand sein. Vorübergehender Leerstand entsteht, wenn eine Wohnung in einem unbewohnbaren Zustand ist und renoviert oder saniert werden muss. Auch gibt es grundsätzlich einen gewissen Anteil an Wohnungen am Wohnungsmarkt, der leer steht aufgrund von Umzügen. Ziehen Mieter:innen aus einer Wohnung aus, kann es schonmal ein paar Monate dauern bis neue Nachmieter gefunden wurden. Der für die Allgemeinheit problematische Leerstand hingegen ist der spekulative Leerstand, bei dem Eigentümer:innen die Wohnungen langfristig leer stehen lassen, um sie gewinnbringend zu verkaufen. Damit verknüpft ist auch die kurzzeitige Vermietung an Touristen. Wohnungen, die über Plattformen wie AirBnB angeboten werden, stehen größtenteils leer und können nicht von den Einheimischen bewohnt werden. In gefragten Gebieten kann innerhalb weniger Tage durch kurzzeitige Vermietungen mehr eingenommen werden als durch den Mietzins einer langfristigen Vermietung.

Die politisch geduldete Dunkelziffer

Valide Zahlen zu leerstehenden Wohnungen sind kaum zu finden. Denn: Leerstand ist schwer zu erfassen. Einer aussagekräftigen Zahl nähern wir uns an, wenn wir die Wohnsitzmeldungen betrachten. Ist kein Haupt- oder Zweitwohnsitz gemeldet, ist das ein erster Hinweis auf eine leerstehende Wohnung. Allerdings kann es auch daran liegen, dass Mieter:innen ihren neuen Wohnsitz mit Verzögerung melden oder es schlichtweg gar nicht tun. Eine weitere Möglichkeit zur Erfassung von Leerständen, ist die Auswertung des Wasser- oder Stromverbrauchs einer Wohneinheit. Falls solche Daten zur Verfügung stehen und der Verbrauch über einen längeren Zeitraum stark unterdurchschnittlich ist, steht die Wohnung mit ziemlicher Sicherheit leer. Verlässliche Daten könnten erfasst werden, wenn der politische Wille vorhanden wäre. Eine Zusammenführung von Meldedaten zum Eigentum und den Wohnsitzmeldungen könnte Leerstände offenlegen. Ebenso wie verpflichtende und regelmäßige Meldungen durch die Eigentümer:innen, ob und wer in ihrer Wohnung wohnt.

Leerstandabgabe für mehr leistbaren Wohnraum

Wer nicht nachweisen kann, dass die Wohnung vermietet ist oder keinen Grund für einen Leerstand hat, sollte eine Abgabe auf den leerstehenden Wohnraum zahlen. Eine Studie zur Leerstandsabgabe in Frankreich von Mariona Segú belegt: Wird Leerstand besteuert, geht dieser auch zurück. Steht in einer Region besonders viel Wohnraum leer, greift die Leerstandsabgabe besonders gut. In Österreich gibt es eine entsprechende Abgabe bereits in drei Bundesländern: In der Steiermark und in Salzburg können die Gemeinden eine solche erheben, in Tirol sind sie dazu verpflichtet. Allerdings schaffen die Abgabesätze mit weniger als 30 Euro pro Quadratmeter kaum Anreiz, weil sie zu niedrig angesetzt sind. Das liegt daran, dass es den Bundesländern gesetzlich nicht möglich ist, eine Abgabe einzuheben, bei der es sich finanziell gar nicht erst auszahlt, eine Wohnung oder ein Haus leerstehend zu lassen. Eine klug gestaltete Leerstandsabgabe muss über der Wertsteigerung der Immobilen liegen. Und damit bei zumindest 200 Euro pro Quadratmeter im Jahr.

Leerstandsabgabe als Instrument für Klimaschutz

Eine Leerstandsabgabe ist aber nicht nur eine Maßnahme für mehr Wohnraum, sondern auch aus klimapolitischer Perspektive zentral. Unsere Bevölkerung wächst zunehmend und diese Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf. Wenn immer mehr Wohnungen aus Spekulation und Gewinnmacherei leer stehen, muss dieser Wohnraum trotzdem irgendwo herkommen. Also wird gebaut. Noch mehr Flächen werden versiegelt, mehr wertvolle Ressourcen werden verbraucht. Dabei muss das Gebot der Stunde in Zeiten der Klimakrise lauten: Böden entsiegeln, Wohnraum, der bereits gebaut ist, nutzen und nicht eine Beton-Wüste nach der anderen am Stadtrand errichten. Denn sonst kommt auch noch die Zersiedelung ins Spiel, was wiederum mehr Verkehr bedeutet. Eine gut gestaltete Leerstandsabgabe geht also Hand in Hand mit effektivem Klimaschutz. Gut, wenn sich hier endlich mehr tut, wie von der Regierung unlängst angekündigt. Elementar dabei ist aber, dass die Bundesländer die Leerstandabgaben hoch genug ansetzen und endlich auch lückenlos Leerstand erhoben wird.


Leonard Jüngling forscht am Momentum Institut zu Wohnen und Inflation. Er hat politische Ökonomie in Heidelberg und Sozioökonomie an der Universität Duisburg-Essen studiert.

Weiterführende Studie von Mariona Segú: Leerstandsabgabe in Frankreich

Titelbild: Ingo Pertramer, Miriam Moné

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  • Momentum

    „Momentum“ rechnet nach und analysiert. Jenseits von Regierungspropaganda und „Wirtschaftsinteressen“.

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