Freitag, April 26, 2024

Die Orbanisierung, die Kurz immer wollte

Noch sind die Folgen der Medienkrise nicht abschätzbar. Das „Profil“ ringt um seine Unabhängigkeit, doch der Kampf um die Infrastruktur der Demokratie hat erst begonnen.

Kommentar von Benjamin Weiser

Wien, 20. Dezember 2022 | Was derzeit in der österreichischen Medienlandschaft passiert, ist ein harter Kampf zwischen mehr Orbanisierung auf der einen und mehr Unabhängigkeit auf der anderen Seite. Ausgang ungewiss.

Mit freundlicher Unterstützung der Grünen und der nötigen Portion Frechheit marschiert die ÖVP durch die von ihr selbst entfachte Medienkrise, um daraus Nutzen zu ziehen. Mit dem Presslufthammer wird die „Wiener Zeitung“ zerschlagen, kritische Medien sollen möglichst keine Förderung bekommen, Propagandamaschinen zwischen Putinliebe und Ausländerhass werden derweil mit Geldern zugeschüttet.

Doch die gefährlichste Entwicklung seit Platzen der ÖVP-Medienaffäre ist die des „Profil“. Als investigativ arbeitender Journalist kann man sich gut daran orientieren, was Kollegen wie Michael Nikbakhsh und Stefan Melichar immer wieder zu Papier bringen. Akribische Recherche, keine Scheuklappen, Präzision und Relevanz. Das „Profil“ ist in einer Medienlandschaft mit Regierungsüberhang eine wichtige unabhängige Instanz.

Ungewisse Zukunft für „Profil“

Jetzt wird das Magazin von Richard Grasl geführt. Einem Mann, den die ÖVP als ORF-Chef haben wollte und der als Vizechefredakteur im „Kurier“ bis zum bitteren Ende Sebastian Kurz verteidigte. Er ist in guter Gesellschaft. Das „Kurier“-Medienhaus befindet sich im Eigentum eines Raiffeisen-Beteiligungsvehikels und der Funke-Gruppe um Immo-Jongleur René Benko.

Raiffeisen-Generalanwalt und RBI-Aufsichtsratsboss Erwin Hameseder wiederum sollte auf Wunsch von Kurz ursprünglich Verteidigungsminister werden. Seit dem Ausscheiden von Walter Rothensteiner wacht er über Bankengeschäft und Medienhaus.

Gerüchte aus Bankenkreisen, wonach bereits an Hameseders Nachfolge aus dem Biotop der ÖVP gearbeitet wird, werden auf Nachfrage dementiert. Wie auch immer: Dass das „Profil“ mehr denn je in diesen Kreisen „gefangen“ sein könnte, kann für die Medienhygiene in diesem Land nur schlecht sein. Da kann noch sooft betont werden, dass von oben kein Einfluss auf die Redaktion genommen wird: die Schere im Kopf ist da.

Der Kampf hat erst begonnen

Doch der Kampf um Unabhängigkeit und Pressefreiheit ist nicht verloren. Durch Enthüllungen wie zuletzt im „Standard“ über die Umtriebe im ORF Niederösterreich tut sich etwas. Mehrere Chefredakteure nahmen zuletzt ihren Hut, weil der Druck zu groß wurde. Ihnen wurde ironischerweise zum Verhängnis, was sie nicht mehr im Blut oder gar verhindert hatten: Kritischer Journalismus. Er gehört zur Infrastruktur der Demokratie, die von vielen Seiten angegriffen wird. Das muss man auch im globalen Zusammenhang betrachten.

Stichwort Twitter unter Elon Musk. Der Kurznachrichtendienst ist gerade für die Medienbranche ein wichtiges Tool, man kann Storys erahnen, verbreiten und diskutieren, der mediale Diskurs wird gewissermaßen (wenn auch selektiv) dort verschriftlicht.

Dass aber Journalistinnen nach Gutdünken gelöscht und wieder freigeschaltet werden, deutet darauf hin, wie milliardenschwere Medieneigentümer an der Seite von narzisstischen Politverlierern wie Donald Trump oder Sebastian Kurz den Diskurs weiter nach rechts verschieben wollen. Aktuell wird sogar über Trump-Schwiegersohn Jared Kushner als Musks Twitter-CEO spekuliert – der Kreis würde sich schließen. Solche Figuren können niemals an der Seite unabhängiger Journalistinnen stehen. Sondern allenfalls auf dem Titelblatt. In Österreich und überall sonst.

Titelbild: ZackZack/Christopher Glanzl

Ben Weiser
Ben Weiser
Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4
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34 Kommentare

  1. Wie viele “Freunde” hat ein Kurz, außer diese die noch ein umgehendes Licht erhardschen wollen. Autokraten sind eines der größten Übel dieser Erde. Da Kurze hat ein Problem.

    • Ich traue mich wetten, dass wenn Kurz zurückkommt nach der nächsten Wahl, wird es wieder grüner. Immerhin sind ja alle Anschuldigungen gegen ihn nur erfunden. Seine Grünen “Freunde” werden das respektieren. Und der Grüne Koalitionspartner ist berühmt für das Erhalten von Stabilität. Ich glaube mit Kogler und Maurer kann Kurz ein Türkis-3 schon stemmen. Es lebe der “Anstand”!

      Und die Grünen haben ja z.B. auch nichts gegen die Zerschlagung der Wiener Zeitung. Wenigstens habe ich den ZackZack-Artikel, wo Maurer die Medienförderung vorgestellt hat, so verstanden.
      Auch interessant, wie die Grüne mit “Anstand” Frau Bliminger zur Zukunft der Wiener Zeitung steht.
      https://www.wienerzeitung.at/themen/wiener-zeitung-seit-1703/2170699-Blimlinger-zur-Wiener-Zeitung-Print-kein-Zukunftsinvestment.html
      Frau Maurer und Frau Bliminger finden vermutlich ihre eigene Arbeit gut. Dass Andere das anders sehen, ist den Beiden vermutlich Wurscht. So wie auch den Grün-Sympathisanten, denen vermutlich auch nur wichtig ist, dass ihre angebeteten Idole weiterhin an der Macht bleiben.

      Super schade, wie weit die Grünen ihre ursprünglichen Ideale und Ziele um den Preis der Macht aufgegeben haben. Nur meine Meinung.

  2. Solange die Anfütterung über Inserate nicht konsequent unterbunden wird, gibt es in Österreich keine vierte Macht im Staat und keine Medien, die ihre journalistische Ehre noch verteidigen (bis auf zwei, drei Ausnahmen, da sind aber die auflagenstarken angefütterten Regierungsschmuseblätter nicht dabei!).

    • Also bitte! Wo kommen wir da hin, wenn z.B. Frau Gewessler nicht ein paar Euronen für die “Information” des Pöbels aufbringen dürfte! Frau Gewessler hat als Umweltministerin immerhin Ö schon weit nach vorne gebracht. Mir fallen jetzt leider keine Beispiele ein. Falls jemand welche hat, bitte sagen.

      • Weiß ja keiner was er sich alles reingstopft hat in Katar. Vielleicht hat er zu oft an der Sisha anzogen und danach das Buffet leergräumt.

  3. Pilnacek äußerte sich zu Thalhammer ja mehrmals. Für kleinflächige Betrachtungen sei sie geeignet. as macht sie natürlich zu einem idealen Instrument, weil man ihr Infos gezielt zuspielen kann. Der globale Zusammenhang wie oben beschrieben entgeht ihr.

    Grasl ist der Inbegriff des Verwischtseins. Jetzt als Chefredakteur Stv. und Herausgeber. Bin sicher, dass er seine Rollen so klar trennen kann, dass er im Minutentakt switscht, wenn das Handy bimmelt. Jedenfalls hat er jetzt mehr Bewegungsspielraum.

    Zum ORF kann man nur sagen: Wann gehen die Redakteur:innen in den anderen Landesstudios an die Öffentlichkeit? Es kann ja nicht sein, dass das NUR in Ö System hat. Je größer die Walze, umso eher die Befreiung.

    Und Elon, unser Burenkrieger ist seines Herren braver Soldat. Die Medienverflechtungen werden wohl irgendwann zeigen, wer der wirkliche Pate aller Paten (der vielen Paten) ist.

  4. mich reckts zum speibm.
    btw, der elon sperrt mich weiterhin permanent.
    mein vergehen: mein tweet: trump is a moron.
    und dabei bleibe ich.

      • Profil war auf Grund seiner Kolumnen noch halbwegs dabei. Ich warte immer noch auf eine Reaktion von Linsinger, die ich sehr schätze.

      • Ja eh, seit dem sie so auf die Silberstein Gschicht aufgsprungen sind von der Thalhammer, wars natürlich nicht mehr das Gelbe vom Ei.😐

  5. Ein weiterer Schlag für den unabhängigen Journalismus. Viel bleibt nicht mehr über☹️

    • Ja wahrhaftig. Die SZ und der Spiegel halten noch die Fahne hoch, sind aber leider Medien der Nachbarn. Wenn sich der Standard noch irgendwie rehabilitiert bleibt diese für mich die letzte lesenswerte heimische Zeitung. Aber arg irgendwie dass linksgerichteter Journalismus bei uns so den Bach runtergeht.

  6. Für mich ist klar, man will nicht das Profil, sondern DiePresse retten. Erst musste Nowak weg, dann seine Prätorianerin Thalhammer. Ihr musste man den Abgang schmackhaft machen. DiePresse soll wieder salonfähig werden, dafür wird das Profil zum Ausgedinge für eine ferngesteuerte und jetzt durch die politische Handlungseinschränkung eines bekannten “Gentleman” am Trockenen sitzende “Chefreporterin” geopfert. Es ist gelungen, Thalhammer ohne jegliche Führungskompetenz und -qualitäten mit mittlerer reporterischer, fehlender investigativer bzw haarsträubender Social Media Begabung wird als Quotenfrau den Untergang von Profil beschleunigen. Die erste Redakteurssitzung wird einen Lachkrampf bei den Journalisten verursachen…

    • Das ist ein interessanter Gedanke, dass es ums Reinwaschen der Presse geht. Sie hat die Funktion für die ÖVP, den größten Schwachsinn intelligibel zu machen, in schöne Worte zu kleiden, mit denen man am Kirtag glänzen kann. Ich halte es für durchaus möglich, dass derartige Gedanken im Hintergrund gewesen sind. Profil wird man wohl halten wollen, wenn investigative Recherche gegen “die Roten” fortgeführt wird. Da bin ich in Zukunft noch gespannt.

      • Die besten Zeiten von Profil liegen schon lange zurück. In unserer schnelllebigen Zeit wird es auch zunehmend schwieriger, Wochenformate am Leben zu halten, da sich die Dinge täglich ändern, Tages- bzw. Onlinemedien haben da eindeutig die Nase vorn. Für die langjährigen Profil-Journalisten muss es jedenfalls die Hölle sein, sich jetzt einer völlig inkompetenten, parteipolitisch indoktrinierten Quotenchefredakteurin unterzuordnen, der zuletzt ein hervorragender Kollege zur Seite gestellt werden musste, um größeren Schaden abzuwenden. Von Kahlweit wurde sie übrigens geblockt, Anerkennung über Frau Beierl hinaus hat sie nicht, von länderübergreifender Recherchetätigkeit, wie es zb bei ZackZack der Fall ist, kann sie nur träumen.

  7. Es ist nicht verwunderlich, dass Österreich seit Jahren im weltweiten Pressefreiheitsindex, für den die Organisation Reporter ohne Grenzen (RoG) jährlich 180 Staaten und Territorien vergleicht, weiter nach hinten fällt.

    Den Platz in der Spitzengruppe der Staaten mit guter Pressefreiheit hat Österreich bereits 2019 aufgrund der „Ibiza“-Affäre verloren und ist im aktuellen Ranking (2022) wieder drastisch abgerutscht – von Platz 17 auf 31. Die Medienfreiheitsorganisation spricht von einem „katastrophalen Absturz“.

    Wir wussten alle, was da läuft. Nur das nun ersichtliche Ausmass ist schon erstaunlich. Dieses Übergreifen von systematisierter Korruption auf alle Lebensbereich ist eine Entwicklung, die eines besonderen politischen Talents bedurfte.

    Inzwischen sollte allen in diesem Land klar sein, warum das Ibiza-Video an deutsche Journalisten und Medien und nicht österreichische gegangen ist.

    https://www.hagerhard.at/blog/2022/12/die-hure-der-hure-der-reichen/

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