Einige Zeitungen übernahmen am Donnerstag eine irreführende Darstellung des ÖVP-nahen Thinktanks „Agenda Austria“, wonach Österreich bald verschuldeter sei als Griechenland. Doch von einer Schuldenkrise kann laut Kritikern nicht die Rede sein.
„Wird Österreich das neue Griechenland?“ Diese Suggestivfrage warf der ÖVP-nahe wirtschaftsliberale Think Tank „Agenda Austria“ am Mittwoch auf X (ehemals Twitter) in den digitalen Raum. Nicht ohne Folgen. Bereits am nächsten Tag verbreiteten einige österreichische Medien die Hysterie-Schlagzeile, Österreich sei verschuldeter als Griechenland. Ökonom Oliver Picek spricht von „Fake News“ Schlagzeilen.
Schulden-Hysterie in „Kurier“ und „Krone“
„Österreich ist mittlerweile höher verschuldet als Griechenland. Experten schlagen Alarm“, schreibt etwa die Kronen Zeitung. Bei den zitierten Experten handelt es sich um die wirtschaftsliberalen Wirtschafts-Aktivisten von „Agenda Austria“, die das Gerücht um die alarmierende Staatsverschuldung selbst in die Welt gesetzt hatten. Ihr Argument: Die Pro-Kopf Verschuldung von rund 40.000 Euro sei in Österreich höher als in Griechenland. Die Agenda Austria kommt in der Krone in Person von Hanno Lorenz auch persönlich zu Wort: Österreich habe „das Maß verloren“.
Ähnliche Pleite-Ängste, wenngleich vorsichtiger formuliert, schürt der Kurier. Dort heißt es schon in der Überschrift: „Österreich hat höhere Pro-Kopf-Verschuldung als Griechenland“. Zum Abschluss gibt der Kurier einen Hinweis auf die Aussagekraft der Statistik: „Die niedrigste Pro-Kopf-Verschuldung weist gemäß dieser Statistik Bulgarien auf.“
Industriellenvereinigung besorgt um höhere Löhne
Der Schuldige ist nicht nur bei der „Agenda Austria“ schnell gefunden. Auch die Industriellenvereinigung (IV) weiß bereits, wer an der angeblich drohenden Staatspleite schuld ist: Die Lohnabschlüsse und Pensionserhöhungen der vergangenen Wochen. Vom Schuldenstand der Republik spannt die Krone den Bogen plötzlich zur Rentabilität der Industrie. Eine kritische Einschätzung der „Agenda Austria“-Behauptung findet man nicht. Stattdessen hat die Industriellenvereinigung in Bezug auf die steigenden Löhne das letzte Wort: „Das beobachten wir mit Sorge“.
Darstellung unseriös
Ökonom Oliver Picek vom Momentum Institut schreibt auf X demgegenüber von „schwindeligen Zahlen, die kein Ökonom verwendet“. Entscheidend sei nicht die Pro-Kopf Verschuldung, sondern die Verschuldung im Vergleich zur Wirtschaftsleistung. Oliver Picek erklärt das so: „Die Agenda berechnet die Schulden (pro Einwohner). Das ist völlig bedeutungslos. Denn es zählt: Kann man seine Schulden zurückzahlen? Ob und wie leicht das geht, kommt auf die Höhe des Einkommens an, mit dem man die Schulden abbezahlen kann. Die Griechen erzielen pro Kopf nur gut die Hälfte des Einkommens der Österreicher. Für jeden Euro Schulden tut sich Griechenland also fast doppelt so schwer wie Österreich, das Geld wieder zurückzuzahlen.“
Eine Pleite Österreichs ist demnach nicht in Sicht. Eine Bankrottdemonstration des herkömmlichen Journalismus schon eher.
Titelbild: pixabay, Screenshot krone.at (Logo), Screenshot kurier.at (Logo)