Freitag, April 26, 2024

»Behörde, die Menschen Angst macht« – MA35 noch immer Chaos

Grobe Missstände in der Wiener Behörde für Einwanderung und Staatsbürgerschaft führten zu ersten Reformen. Für SOS Mitmensch haben diese bisher nicht viel geändert.

Wien, 17. Jänner 2023 | Extrem lange Wartezeiten auf Termine, Verfahren dauern zu lange, es dauere bis zu zwei Jahre, damit Verfahren überhaupt gestartet werden, Verfahrensanträge werden ignoriert oder rutschen durch, es gibt keine Auskünfte und Rückrufe, kaum Informationen zu Antragstellungen, zu wenig und zu unfreundliches Personal – die Kritik an der Wiener Behörde MA35, die für Einwanderung und Staatsbürgerschaft zuständig ist, reißt seit Jahren nicht ab.

Missstände teils noch schlimmer

Ende 2021 startete der Reformprozess unter NEOS-Stadtrat Christoph Wiederkehr, der für die MA35 verantwortlich ist. Der Reformprozess soll bis 2024 laufen. Während NEOS diese Woche bisherige Fortschritte lobten und ausgerechnet die Anti-Migrations-Partei ÖVP die MA35 als „Totalversagen“ bezeichnete, sehen die Grünen weiterhin „massiven Handlungsbedarf“ und fordern eine umfassende Reform der Behörde.

Die Organisation SOS Mitmensch findet die bisher gesetzten Reformen „bei weitem nicht ausreichend“. SOS-Mitmensch-Sprecher Andreas Pollak bezeichnete die MA35 als eine „Behörde, die Menschen Angst macht und ihnen ein Gefühl von Ohnmacht gibt.“ In Wahrheit brauche es eine komplette Neuaufstellung der MA35 für eine gut funktionierende Behörde, der Komplex der Missstände sei einfach zu groß.

Noch schwieriger Auskünfte zu bekommen

In einem Prüfbericht, den SOS Mitmensch als Zwischenfazit bezeichnet, kommt die Organisation zu dem Schluss, dass viele Missstände trotz erster Reformen noch immer existieren, einige seien sogar schlimmer geworden. Zum Beispiel wurden zwar 50 neue Mitarbeitende eingestellt, die Wartezeiten für Termine bei der Behörde haben sich seitdem jedoch nicht verringert, sondern weiter erhöht. SOS Mitmensch berichtete von bis zu elf Monaten Wartezeit auf einen Termin.

Auch das neue telefonische Servicecenter, das Anfragen beantwortet, habe keine tiefgreifende Verbesserung gebracht, teils sei es jetzt sogar noch schwieriger, fallbezogene Information zu bekommen, sagt auch Rechtsanwältin Julia Ecker. In den wenigsten Fällen gebe es zeitnahe Entscheidungen und unmittelbare Rückmeldungen. Sie bezeichnet die Bemühungen die Zustände zu verbessern als ernsthaft, aber seien die Reformen bisher spürbar? „Jein“, so ihr Fazit.

Forderungen: Ehrliche Statistiken und mehr Personal

Für den Bericht befragte SOS Mitmensch im Jahr 2022 insgesamt 22 Betroffene, Experten aus der Rechts- und Sozialberatung sowie Verantwortliche der MA35 und analysierte den Jahresbericht der Volksanwaltschaft an den Wiener Landtag 2021 sowie die angekündigten Reformen.

SOS Mitmensch hat darin auch 15 Verbesserungsvorschläge formuliert. Es brauche etwa noch mehr Personal, um die Wartezeiten zu verkürzen. Die Website müsse benutzerfreundlicher gestaltet werden, sodass Informationen für Antragstellungen leichter und auch in anderen Sprachen als Deutsch zu finden sind.

Antragsteller sollen Zugang zu einem elektronischen Akt haben, in dem sie jederzeit ihren Verfahrensstand einsehen können. Und Auslegungsspielräume im Gesetz sollen nicht systematisch zu Ungunsten der Antragsteller ausgelegt werden, wie das derzeit der Fall sei. Wichtig wären auch Anti-Diskriminierungsschulungen für MA35-Mitarbeiter.

Es brauche außerdem einen ehrlichen Umgang mit Statistiken bei der MA35. So werden etwa Anträge bei denen Dokumente fehlen und auf die ein Negativbescheid erfolgt, statistisch als erledigt verzeichnet. Auch bei Rückrufen sei die Statistik verzerrt, da Rückrufe auch als erledigt gewertet werden, wenn nie ein Gespräch durch solche zustande kam. Die Statistiken würden kein realistisches Bild über das Funktionieren der Behörde geben, so Projekt-Koordinatorin des Prüfberichts Maiko Sakurai.

Restriktive Gesetze

Zurecht verweise die MA35 auch auf die schwierige Gesetzeslage. Diese sei laut SOS Mitmensch sehr komplex und schwer zu vollziehen sowie zu restriktiv. Ohne eine Grundlegende Änderung der Arbeitsweise der MA35 und Gesetzesänderungen werde es in diesem Bereich keine spürbaren Verbesserungen geben. Aber: „Die schwierige gesetzliche Lage darf keine Ausrede der MA35 sein“, so Pollak.

(sm)

Titelbild: ZackZack / Christopher Glanzl

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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2 Kommentare

  1. In diesem Land zählt der Mensch nicht.
    Was Betroffene mehr und mehr durch deren Peiniger (bei den Behörden) zu spüren bekommen.
    Schikanen, Demütigungen, Erniedrigungen, … die dazu führen dass Betroffene klein beigeben müssen (aufgrund des Risikos, Ansprüche -oftmals finanziell – zu verlieren, was in Sachen Wehrhaftigkeit gegen menschenverachtende Methoden alles andere als wünschenswert ist).
    Die Freiheit, die Menschenwürde, werden recht rasch durch Behörden demontiert – das geht oft recht schnell und einfach, spätestens dann wenn jemandem angedroht wird, weniger Geld (ein Angriff gg. die Existenzgrundlage) zu erhalten sofern sich wer weigert mit dem Strom zu schwimmen.

    In einigen Behörden wird mit derartigen Praktiken schon seit Jahrzehnten operiert und wurden sogar noch feinsäuberlich ‘evolutioniert’ und perfektioniert …

    Solange man nicht davon betroffen ist, ist es ein Leichtes, wegzuschauen, der Aufschrei kommt erst wenn man selbst betroffen ist.

  2. Welche Behörde in diesem Land funktioniert eigentlich noch?
    Es braucht dringend in diesem Land deshalb dringend eine Behördenkommission und einen Behördenumbudsmann mit Zähnen angeschlossen an eine SOKO Behörden!
    Finanzieren würde ich das mit Streichung der Budgets bei der Volksanwaltschaft, der Gewerkschaft, der AK, den Bürgerservicen, usw.

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