Montag, September 16, 2024

Donna Hannis letztes Gefecht

Eine ÖVP-Geschichte:

Es ist immer heikel, eine politische Partei mit der Mafia zu vergleichen. Aber im Fall der niederösterreichischen ÖVP sehe ich einer Klage aus Palermo gelassen entgegen.

 

Venedig, 22. Jänner 2023

   Ein ganz normaler Tag der „Famiglia“ in der Ferstlergasse in St. Pölten. Alle sitzen um den langen Tisch, die Stimmung ist angespannter als sonst. Donna Hanni sitzt am Tischende und lässt ihre Capi berichten. „Untersuchung im Parlament abgedreht?“ Don Sobo berichtet: „Geschäftsordnung, unsere sind einfach nicht hin, keine Sitzung, erledigt“. Ein Schmunzeln der Chefin ist Don Sobo Belohnung genug.

Weiter. „Hanni braucht heute zweieinhalb Minuten mit Kindern und bei der Kreisverkehrseröffnung in Baden.“ Donna Hanni greift ein: „Gut. Aber ich bin heute beim Kekserlbacken mit einer Schürze. Kommt das auch ins Fernsehen?“ Don Ebner geht kurz hinaus und kommt gleich zurück. „Der Landesdirektor weiß Bescheid. Heute vier Minuten, morgen geht mehr.“ Donna Hanni gibt sich nicht zufrieden: „Kommt das Kekserlbacken, ja oder nein?“ – „Dann müssen wir den Kreisverkehr auf morgen verschieben.“

Nächster Punkt. „Was machen wir mit den Gfrastern?“ Donna Hanni sieht tadelnd in die Runde. „Na, den Staatsanwälten“. – Don Karner schüttelt den Kopf. „Da können wir jetzt gar nichts machen, ohne Justizminister“. – „Machen die jetzt einfach weiter, mit den Inseraten und dem Ganzen?“ – „Ja, aber vor der Wahl passiert nichts mehr.“ – „Kann der Karl nicht…“ Don Sobo lacht auf: „Der Karl kann schon lange nicht mehr…“

Andere Zeiten

Es ist anders als früher. Damals stand neben Donna Hannis Vorgänger ein großes schwarzes Telefon. Zu jedem Problem gab es eine Nummer. Große Probleme gab es nicht, weil man die kleinen nicht groß werden ließ. Die Justiz war eine Nummer wie das Landesstudio und die Zeit im Bild. Ab und zu musste eine der Banken dem Capo-Wunsch Nachdruck verleihen.

Die Zeiten sind nicht wiederzuerkennen. Die Treue, die Landesunternehmen und Ladeeinrichtungen mit ihren Inseraten in den Parteizeitungen zeigten, ist plötzlich Untreue. Die nachdrückliche Förderung der Parteitalente heißt plötzlich „Parteibuchwirtschaft“. Und Anerkennung wird als „Bestechlichkeit“ schlecht gemacht.

Don Sobo ist bereits Beschuldigter. Bei allen anderen wird vor der Landtagswahl nicht mehr viel passieren. Aber nachher?

„Es geht um viiiel!“

„Es geht um viiiel“. Mit dem seufzerartigen Lang-I wiederholt Donna Hanni ein ums andere Mal die Beschwörungsformel. Das „Lieber Adolf“ kommt ihr in der Videobotschaft immer noch schwer über die Lippen, aber jede einzelne Videobotschaft an Wahlberechtigte, auf die nicht mehr der alte Verlass ist, muss persönlich sein, besonders dann, wenn sie nicht ehrlich ist.

Wer hätte sich vor ein paar Jahren vorstellen können, dass Ermittler der Staatsanwaltschaft Wien und der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft der Familie auf den Fersen sind? Wer hätte für möglich gehalten, dass es statt Regierungssitzungen, Regierungsinseraten und Postenvergaben schon bald Anklagen, Urteile und Freiheitsstrafen gibt?

Erst in der Krise fällt der wichtigste Unterschied zwischen Mafia und ÖVP ins Auge: Die ÖVP kann abgewählt werden. Aber gerade wenn es ihr schlecht geht, soll man sie nicht unterschätzen. Es geht ums Überleben. Daher ist die ÖVP jetzt wohl zu allem fähig.

Zum Glück kennt kurz von der Wahl in Niederösterreich niemand in der Ferstlergasse das Plakat, das in der kleinen Stadt in der Nähe von Palermo hängt: „Corleone darf nicht St. Pölten werden!“ Die Gefahr ist immer noch gering.

Titelbild: ZackZack/Miriam Mone

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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