Samstag, Mai 4, 2024

“Kurz Cobain, Leichen im Keller und SNU” – Fleischmanns Spin-Bibel

Gerald Fleischmann, auch bekannt als “Mr. Message Control” von Sebastian Kurz, ist unter die Autoren gegangen. ZackZack hat seine verschriftlichte Trick-Kiste der Kommunikation gelesen.

Wien | Der Kommunikationsleiter der ÖVP und ehemalige Sebastian Kurz-“Spindoktor” Gerald Fleischmann erörtert in seinem soeben neu im Verlag „edition a“ erschienen Buch „Message Control“ die Kniffe der Kommunikation, Politik und Medien.

“Jeder hat eine Leiche im Keller”

Auf 300 Seiten behandelt Fleischmann in mehreren Unterpunkten etwa den Umgang mit Journalisten aus Pressesprecher-Sicht, wie man eine Story in die Zeitung bekommt und dabei den richtigen “Spin” gibt. Aber auch, wie man „bad news“ – schließlich hat jeder aus Fleischmann-Sicht eine Leiche im Keller – in sauren-Gurken-Zeiten begraben kann. Und natürlich geht es auch darum, wie man sich bei einer Geschichte richtig abputzt.

Begleitet werden diese Theorien und Methoden, die der türkise Spindoktor auflistet, anhand von internationalen Polit-Beispielen: zum Beispiel Margarete Thatcher, Richard Nixon oder François Mitterrand.

Vorzeigemodell Kreisky

Das Lieblingsexempel Fleischmanns dürfte allerdings ausgerechnet ein sozialdemokratischer Kanzler sein. Öfters muss Alt-Kanzler Bruno Kreisky als Beispiel herhalten, der es seiner Ansicht nach als erster österreichischer Kanzler verstand, Medien im persönlichen Umgang zu bedienen. Eine gewisse Bewunderung am Umgang des „Journalisten-Kanzlers“ schimmert aus den Zeilen des türkisen Strategen hervor. Einige Praktiken Kreiskys dürfte sich Fleischmann auch abgeschaut haben.

So erzählt er von Kreiskys Bürgertelefon, bei dem der Kanzler manchmal persönlich Anliegen der Bevölkerung entgegennahm. Die Inhalte der Gespräche landeten kurz darauf in den Tageszeitungen Österreichs. Eine Parallele etwa zu den Kinderbriefen an Ex-Kanzler Sebastian Kurz, dessen Medienbeauftragter Fleischmann ja war, die ihren Weg regelmäßig in die Zeitungen fanden, dürfte dem Leser dabei nicht verborgen bleiben.

Kurz Cobain

Apropos Sebastian Kurz: Der Ex-Kanzler spielt im Buch nur eine untergeordnete Rolle. Wird der Ex-Kanzler erwähnt, dann stets in Begleitung positiver Adjektive wie „jung“. Die plakativste Rolle nimmt Kurz wohl bei Fleischmanns „Nirvana-Taktik“ ein. Fleischmann vergleicht hier den Ex-Kanzler mit dem Lead-Singer Kurt Cobain. Die Theorie: Cobain hatte zwei verfeindete Musikgruppen miteinander vereint, indem er sich der Instrumente einer Gruppe, aber der Melodie der anderen bediente. Bei Kurz sei dies ebenso gewesenn, konstatiert Fleischmann. Er habe sich der Medienorgel der SPÖ mit den Inhalten der Konservativen bedient.

Fleischmann gesteht allerdings auch ein, dass der Vergleich mit Cobain von politischen Gegnern wohl als „frevelhaft“ interpretiert werden könnte. Kurz habe zudem, wie Cobain, zu früh den – politischen – Tod erfahren.

Absichtlich gestreuter “Unsinn”

Eine Taktik, über die Fleischmann offen redet und die auch zu Kurz-Zeiten eingesetzt wurde, ist „SNU“: Strategisch notwendiger Unsinn. Was damit gemeint ist? Gezielt gestreute Ablenkungsthemen über Empörung in den sozialen Netzwerken. Als Beispiel für einen klassischen „SNU“ führt Fleischmann die Klimapolitik an. Etwa, ob man durch Verzicht oder Fortschritt mehr für die Umwelt tun könne.

Screenshot: “Die Presse” 22.07.2021 Klimaschutz braucht keinen Verzicht: Ein “SNU”

Die besten Teile des Buches sind wohl die persönlichen Anekdoten des ehemaligen Medienbeauftragten im Kanzleramt, die allerdings zu selten zur Sprache kommen, um von der Auflistung der Methoden und Praktiken für Abwechslung sorgen. Etwa wenn Fleischmann die Geschichte erzählt, als er vergaß, bei einer Pressekonferenz einen Dolmetscher zu organisieren.

Einer gewissen Ironie können sich zumindest drei Unterpunkte im Buch nicht ganz entziehen. So gibt Fleischmann Tipps zum richtigen Posten im Internet. Wir erinnern uns: Fleischmann selbst war es, der zu Beginn der Pandemie mit einem unabsichtlich gesendeten Tweet, der den Kanzler kritisierte (“Was für eine peinliche Inszenierung”), für Verwunderung sorgte.

Fleischmann verteidigte diesen nicht gewollten Tweet, dass sich jemand einen Scherz erlaubt hätte.

Zweiter kurioser Punkt: dass Fleischmann rät, dass “jedes Schrifterl ein Gifterl” ist. Gegen den Autor wird so wie gegen den Ex-Kanzler in der Inseratenaffäre ermittelt. Ursprung der Ermittlungen: Viele “Schrifterln” in Form von Handynachrichten.

Ein dritter Punkt, der die Leser verwundert, ist der besonders lange Teil über das Nicht-so-ernst-Nehmen von Umfragen und wie Schwankungsbreiten bei Meinungsbefragungen funktionieren. Eben jener ist das zentrale Thema der Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Es gilt die Unschuldsvermutung. Als Beispiel nennt der türkise Stratege hierfür übrigens eine Brexit-Umfrage. Mit dem Beinschab-Tool hätte sich auch ein innenpolitisches Vorbild angeboten. Auf das hat Fleischmann aber scheinbar vergessen.

Titelbild: GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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25 Kommentare

  1. Offensichtliches “SNU Buch”, siehe:
    https://zackzack.at/2023/02/12/shit-in-der-zib
    Vermutlich auch um die Aussagen bei der WKSTA damit zu unterstützen und mögliche Aussagen und Interpretationen der Kronzeugen damit zu schwächen?
    Aber auch, um die weitere Öffentlichkeitsmanipulation damit zu tarnen und von den weiteren wahren Einflüssen abzulenken

  2. Mediale Methoden mögen Kreisky abgeschaut worden sein, seine Intention aber sicherlich nicht.
    Es ist „Feuer am Dach“, wenn ob des eigenen Vorteils wegen aus Intelligenz Hinterlist wird, um Land und Leut‘ zu betrügen und damit auch zu schädigen.
    Auch in der Wirtschaft fördert „gute Absicht “ den Erfolg.
    Es ist wohl nicht weit her mit solchem „Können“, wenn eine Partei seinen Erfolg an prall gefüllten eigenen Taschen misst und sich hämisch über den Betrug ergötzt.
    … und sich dann auch noch „Wirtschaftspartei“ nennt. … Oder?

  3. Leider hat seinem kurz darling das kreiskysche intellektuelle format gefehlt.
    Drum durfte er journalisten keine fragen stellen lassen, denn fragen aus dem stehgreif zu beantworten, war des bastis sache nicht.
    Zu viel geistiges lulutum.

  4. Der Fleischmann will Cobain madig machen. Dieser Vergleich zeigt den Abschaum von seiner Gedankenwelt auf.

  5. Alles nicht neu was uns Fleischmann hier wissen lässt. Das konnte man ( wenn man wollte) live und in Farbe bei den fast täglichen Pressekonferenzen des Gesalbten beobachten. Fleischis Vergleiche mit Cobain und Kreisky hinken gewaltig. Im Unterschied zum Gesalbten hat uns Cobain was Positives hinterlassen, seine grandiose Musik. Und was Kreisky betrifft, der hätte sich niemals so weit herabgelassen und Kinderbriefe erfunden. Alles in allem, eine fragwürdige Anleitung zur Unredlichkeit in der Politik. 👎

  6. auch kurios – er sagt, dass er seit november nicht mehr persönlich interveniert hat.
    und davor? – dazu der ehemalige Herausgeber des Kurier, Brandstätter:

    „Besonders brutal war das Vorgehen von Gerald Fleischmann, einem Mann, der kurz Journalist war, die meiste Zeit seines Lebens aber Pressesprecher. Dabei muss er eine eigene Art entwickelt haben, Redakteure unter Druck zu setzen und zu verunsichern. Anruf bei einem Kurier-Redakteur:

    „Spricht da die sozialistische Tageszeitung Kurier?“ Er wurde erst vorsichtiger, als ich ihm drohte den nächsten derartigen Anruf wörtlich abzudrucken“.

    er hat auch kein problem damit gerald grosz zu retweeten.

    https://www.hagerhard.at/echt-rot/2020/01/3523/

  7. Ich werde dieses Buch nicht kaufen, denn die Auswirkung der Tätigkeit des Hr. Fleischmann erleben wir täglich. Mehr ärgert
    mich die Werbeveranstaltung in der ZIB 1.
    Bei OE24 musste Fleischmann vermutlich noch Zeit von den Beinschab Tools abarbeiten und konnte dabei sein Buch bewerben.

  8. Ja, Bruno Kreisky hatte einen guten Draht zu Journalisten, aber er war auch Sozialdemokrat. Grauslichkeiten wie die Einführung des 12-Stunden-Tages oder Sozialabbau wären mit ihm sicher nicht zu machen gewesen.

    Und der Vergleich mit Kurt Cobain hinkt auch: wenn man Basti schon mit einem Musiker vergleichen muß, dann mit Andreas Gabalier oder Heino.

    • Wirtschaftspolitik: Schließe mich der Meinung von MFE an. Davon abgesehen sehe ich keine extreme Steigerung der Arbeitslosenquote durch Innovation. Die Digitalisierung hat jedenfalls nicht dafür gesorgt. Was ich sehe ist eine extreme Produktivitätssteigerung durch Vereinheitlichung und Streben nach immer mehr Effizienz. Mit den bekannten negativen Folgen für die Gesundheit der Arbeitnehmer, psychische Überlastungssyndrome und Gefühl der Sinnlosigkeit. Fazit: Weniger Effizienz und dafür wieder mehr Kreativität und Selbstbestimmung bei und in der Arbeit. Das geht übrigens Hand in Hand mit einer Steigerung der Nachhaltigkeit von Produkten. Weniger dafür bessere Qualität und mehr Spaß bei der Herstellung.

      • Die Vereinheitlichung entsteht ebenfalls durch Digitalisierung: Wenn jedes Produkt händisch hergestellt werden würde, hätte es keinen Vorteil, dass es immer einheitlich ist. Bei der Maschine ist es sehr wohl ein Vorteil, nur wenige Vorlagen einzuprogrammieren, die dann massenhaft hergestellt werden.

        Je höher die Arbeitslosenquote ist, desto besser kann man die Arbeitnehmer*innen ausbeuten. Viele müssen arbeiten, bis sie überlastet sind, weil sie wissen, sie sind leicht austauschbar, wenn sie nicht schnell genug sind. Bei der Qualität müssen sie sich nicht so anstrengen, weil wenn es schneller kaputt wird und die Kund*innen öfter ein neues kaufen müssen, kann das dem Arbeitgeber nur Recht sein.

        Die Nachhaltigkeit wird ebenfalls zu sehr vernachlässigt, weil sich das nicht im Preis niederschlägt. Wenn das Unternehmen uns allen etwas von der Natur wegnimmt oder zerstört, sollte es meiner Meinung nach auch der Allgemeinheit etwas dafür zahlen. Wenn Umweltzerstörung einen Preis hat, besteht auch ein Anreiz, sowohl beim Unternehmen als auch bei Kund*innen, möglichst nachhaltige Produkte zu produzieren bzw. kaufen.

        • Ich habe vor kurzem eine Schere aus dem Mittelalter in der Hand gehabt. Ein wahres Kunstwerk, wunderschön und natürlich ein Unikat. Der Handwerker hat viele Stunden leidenschaftliche Arbeit reingesteckt und etwas geschaffen was Generationen gerne benutzt haben und worauf er stolz ist. Und heute?

          • Heute muss die Schere vor allem billig sein, damit man sie sich auch leisten kann, Unikate sind nur noch etwas für sehr reiche Menschen. Und dort wo sich manche mehr leisten (z.B. Mode) kommt es auch nicht auf das Aussehen an, sondern darauf, ob ein teurer Markenname darauf steht und es gerade modern ist.

            Generationen können ein Produkt auch nicht mehr benutzen, meist gehen die Sachen sehr schnell kaputt und dann ist die Reparatur (wenn überhaupt möglich) fast so teuer wie ein neues Gerät.

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