Mittwoch, April 24, 2024

Kampf gegen das Aufdecken – Kommentar 

Whistleblowing ist unerwünscht, renommierte Journalisten werden vergrault, aus Akten soll nicht mehr zitiert werden dürfen – in Österreich kämpft der Investigativjournalismus ums Überleben. 

Wien | Mit Michael Nikbakhsh verlässt einer der renommiertesten Investigativjournalisten der letzten Jahrzehnte endgültig das „Profil“. Viele von seinem Schlag gibt es hierzulande nicht. Dass er die angekündigte Investigativ-Akademie von „Kurier“ und „Profil“ wegen eines Streits um „parteipolitische Zuordnungen“ doch nicht leiten will, ist ein alarmierendes Zeichen. Für die Akademie vorgesehene Experten springen bereits ab. 

In den letzten Jahren wurde einiges aufgedeckt: Ibiza, Casinos, Wirecard, BVT-Skandal, ÖVP-Medienaffäre, BMI-Chats, zahlreiche Ermittlungen gegen mächtige Politiker, Strippenzieher und Austro-Oligarchen. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass ZackZack einen gewissen Anteil an der Aufklärung der Skandale hatte. Auch das „Profil“ hielt selbst in Hochzeiten der Kurz‘schen Medienschikane konsequent dagegen. 

Kampf ums „Profil“

Ob das so bleibt, ist mehr als fraglich. „Kurier“-Chefin Martina Salomon jammert in ihrem jüngsten Kommentar der angeblich „zu Unrecht verteufelten Message Control“ hinterher. Ein ganzes Medienhaus droht sich im Sog dieses Irrsinns journalistisch abzuschaffen – zum Leidwesen fähiger Redaktionsmitglieder.

Aufdecker Nikbakhsh etwa habe zu wenig wirtschaftsfreundlich berichtet, heißt es. Florian Klenk schreibt in seinem „Falter“-Newsletter (Dezember 2022), Raiffeisen-Boss Erwin Hameseder habe Nikbakhsh „abgefertigt“. Interessanter Zugang: Ein Investigativjournalist ist dem Eigentümer zu investigativ.

Hameseder ist übrigens ein großer Fan von Sebastian Kurz, der Gerüchten zufolge an seinem Comeback bastelt – trotz laufender Ermittlungen. Wer das für unwahrscheinlich hält, sollte sich die scheinbar unkaputtbaren Populisten Silvio Berlusconi, Viktor Orban und Benjamin Netanjahu anschauen. In Österreich ist so ein Szenario durchaus möglich, weil etliche große Medien sich als Teil einer abstrusen Staatsräson sehen, anstatt Plünderer des Staates zur Räson zu bringen.

Neue Instrumente der Gängelung

Es ist nicht so, dass die Dynamik am Medienmarkt nur in eine Richtung ginge. Durch Bekanntwerden der ÖVP-Medienaffäre wirkt manch eine Kollegin, manch ein Kollege etwas mutiger als zuvor. Doch Politik und Steigbügel-Oligarchie sind anpassungsfähig. Während die Regierenden beim ORF Sparpolitik als Kontrollinstrument einzusetzen versuchen, wird Whistleblowern das Leben schwer gemacht. 

Die von der EU verlangte Whistleblower-Richtlinie wurde zu spät und nach Ansicht von Experten zu lasch umgesetzt. Klare Botschaft: Whistleblowing soll weiterhin gefährlich bleiben. Argumentiert wird vonseiten der Regierung mit dem „Wirtschaftsstandort“. Ein Feigenblatt für fast alle Schandtaten, die genau diesen Standort am meisten gefährden, nämlich Korruption, Bereicherung und Machtmissbrauch. 

Zu guter Letzt kommt auch noch der Verfahrensrichter des ÖVP-U-Ausschusses mit einem Vorschlag daher, der die Aufklärung von Missständen abwürgen soll. Geht es nach Wolfgang Pöschl, soll aus Ermittlungsakten nicht mehr zitiert werden dürfen. Spielt man dieses Berichterstattungsverbot durch, sieht es düster aus: Die Schmid-Chats würde niemand kennen, außer die Schreiberlinge selbst, deren Anwälte und die Ermittler. Kurz wäre noch an der Macht, Christian Pilnacek genauso, die WKStA vielleicht nicht mehr da. Und alle würden die mutmaßlich frisierten „Umfragen“ teilen. Genau das ist der Ausblick, der Österreich droht.

Auf dem Titelbild: Der “nackte Kaiser” Franz Vranitzky. Der kann inzwischen über das “Profil”-Cover lachen. Damals war er empört. (c): GEORGES SCHNEIDER / APA / picturedesk.com

Kritischer, investigativer Journalismus wird bekämpft wie selten zuvor. ZackZack hat Millionenklagen aus dem Kurz-Umfeld überstanden – wir leben noch. Damit das so bleibt, braucht die Redaktion allerdings jede Unterstützung. Nicht von der Regierung, sondern von Dir! Im ZackZack-Club.

Ben Weiser
Ben Weiser
Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4
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31 Kommentare

  1. Für mich ist der Herr Vranizky eine tragende Säule, dass die SPÖ nach Kreisky anders wurde und noch immer so ist.
    So hätte ich auch gerne einmal gewußt wie hoch dessen Pension aus seiner Bankzeit ist, welcher er angeblich zweistellig indexiert bekommen hat?

  2. Lieber Herr Weiser, die geplanten “Verbesserungen” der Hassinkompetenzklebekorruptionskoalitionsregierung im Bereich Medien und Journalismus entspricht den neuen Anforderungen in der neuen Normalität. In selbiger wird auf unabhängigen Journalismus sowie objektive Berichterstattung logischerweise kein Wert gelegt. In einer von der Staatsspitze bis zum kleinsten Parteisoldaten hinab faulen und korrupten reinen Wahldemokratie geht diese unheilvolle Entwicklung des Demokratieabbaus, stabil – wie vom Bruxisten in der Hofburg gefordert – weiter bergab. Die Beitragstäter sind bei jeder Sauerei dabei und tun sich an den Trögen gütlich. Noch immer aber haben viele kleingeistige Parteilemminge nicht verstanden, dass selbige es durch Verlassen dieser Korruptionskoalition in der Hand hätten, dem verachtenswerten Treiben zumindest kurzfristig, Einhalt zu gebieten. Die bigotten Anstandslosen, einst als Partei des Anstandes angetreten, tun es nicht, weil sie mittlerweile, wie auch alle anderen Part

    • eien zum System des Erbauers Lüssel gehören. Es ist für alle politisch Tätigen lukrativ nur leider nicht für uns Pöbelianer. Wir haben die in den Abgrund führenden Auswirkungen, nicht nur monetär zu tragen. In Hinkunft wird der Lebensvollzug für breite Teile der Bevölkerung nicht mehr zu stemmen sein, auch Zähne zusammenbeißen wird da wenig helfen, wie uns das bigotte Familienmitglied aus der Hofburg moralisch unterstützend wissen ließ. Durchhalteparolen gepaart mit Voraussagen uns auf härtere Zeiten einstellen zu müssen, mehren sich und lassen für die Zukunft nichts Gutes erahnen. Unter diesen Voraussetzungen scheint es nur folgerichtig, uns Pöbelianer mit Informationen zu versorgen, welche von den wahren Ursachen der gemachten Krisen nicht nur nicht berichten, sondern das “Sandstreuen” so zu perfektionieren, dass uns das Fesselanlegen gar nicht mehr auffällt. Erkennt der Sklave sein Dasein nicht mehr, haben die Entscheider ein noch leichteres Spiel – dazu ausreichend Brot und es kann nichts mehr schief gehen.
      Leider muss ich auch Sie lieber Herr Weiser in die Pflicht nehmen. Die Vorkommnisse des Lukaschenko -Staatsbesuches in Zusammenhang mit der “Dienstreise” von Marsalek nach Belarus und die Nichtaussagen von VdB zum Paten der schwarzen Borgata Sobotka, scheinen auch für Sie, als selbsternannter investigativer Journalist keine Themen zu sein. Ich hoffe doch nicht, dass selbiges einer politischen Monophtalmie geschuldet sein könnte…

      Einstweilen gute Nacht Österreich!

  3. Was Raab mit dem ORF nun macht, ist putineske oder trumpeske Erpressungspolitik. Das geht jetzt unter, weil ja die Dimension, dem ORF 1/3 der Mittel zu entziehen, jetzt erst erfasst wird. Es ist, wie oft gesagt, die Zerschlagung des ORF durch die Hintertür. Komisch, dass sich niemand mehr an das Steger-Konzept erinnert. Da steht das schon so drinnen. Nun ist Raab dran.

    Sie erpresst den ORF nun: Entweder Ihr spart das ein, oder Ihr kriegt kein Gesetz. Dann fallen euch 2/3 der Einnahmen weg.

    Das ist glatte Erpressung. Schade, dass das so untergeht. Nämlich, dass in unserer Demokratie eine Politikerin hergeht und in mafiöser Weise Erpressungsaussagen macht. Ich frag mich grad, wo ich bin. Bin ich schon in RU? Dort ist das alltäglich. Da es niemand zu bemerken scheint, dürfte es auch bei uns schon alltäglich sein.

    Also, Erpressung lassen wir auf höchster politischer Ebene einfach so zu. Wir lassen uns also von unseren Politker:innen erpressen.

    • Lieber plot_in, so ist es. Eine weitere Auswirkung des politischen Handelns in der neuen Normalität – und glauben Sie mir, da kommt noch viel mehr…
      Es muss dringend heller werden!

    • Raab ist nur eine Schergin, wie alle Türkisen in der BR. Der Großteil der Bevölkerung realisiert nicht was passiert. Für die meisten ist das Thema zu komplex. Die wahren Drahtzieher sitzen ganz woanders, wie wir ja wissen.

      • Ja. Es ist dennoch Erpressungspolitik. Und Erpressung ist nicht komplex. Das kann jeder Halbidiot. Es ist nur eine Frage, ob man erpresserische Politiker:innen haben will.

  4. Die ÖVP hält Korruption für einen Standortvorteil? Die glauben vermutlich es wäre ein Kavaliersdelikt, Steuerdeals für finanziell potente Klientel auszuhandeln…..

    • Oligarchen finden den Standort sicher vorteilhaft und in den Korruptionsthinkthanks wird es gleich weiterverarbeitet.
      Was macht zum Beispiel Mei-Pochtler so? Angeblich ist sie weiterhin “ehrenamtlich” für das Bundeskanzleramt tätig. Unentgeltlich, ohne Vorteile, sehr uneigennützig, wow, bin beeindruckt.

    • Leider gibt es in der österreichischen Medienlandschaft derzeit einen bedenklicher Trend, der sich gegen den Investigativ Journalismus richtet. So wird Whistleblowing als unerwünscht betrachtet und renommierte Journalisten werden regelrecht vergrault. Der jüngste Abgang von Michael Nikbakhsh, einem der bekanntesten Investigativ Journalisten der letzten Jahrzehnte, aus dem renommierten Magazin „Profil“ ist ein alarmierendes Zeichen für die Zukunft dieser Branche.

      Ein weiterer Vorfall, der die Bedrohung des Investigativ Journalismus verdeutlicht, ist die Einschränkung der Verwendung von Akten als Informationsquelle. Es wird zunehmend schwieriger, aus diesen Quellen zu zitieren. Diese Einschränkung hat erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsweise von investigativen Journalisten, da sie dadurch wichtige Informationen verlieren.

      Ein weiteres Beispiel für den Kampf, den der Investigativ Journalismus in Österreich führen muss, ist die Absage von Michael Nikbakhsh an die Leitung der geplanten Investigativ-Akademie, die vom Kurier und dem Profil ins Leben gerufen wurde. Der Streit um parteipolitische Zuordnungen zeigt, dass es auch bei der Finanzierung von Projekten in der Medienbranche zu Konflikten kommen kann, die sich negativ auf die Arbeit von Investigativ Journalisten auswirken können.

      Die Situation ist umso bedrohlicher, da es in Österreich nur wenige Investigativ Journalisten gibt, die über das notwendige Know-how und die Erfahrung verfügen, um solch komplexe Themen aufzuarbeiten. Der Verlust von Michael Nikbakhsh ist daher ein schwerwiegender Rückschlag für diese Branche.

      Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der investigative Journalismus eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielt, da er die Mächtigen kontrolliert und Missstände aufdeckt. Ohne unabhängige und mutige Journalisten, die sich der Aufdeckung von Korruption, Betrug und Missbrauch widmen, würde die Öffentlichkeit von wichtigen Informationen abgeschnitten sein und es wäre schwer, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.

      In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen ist es von entscheidender Bedeutung, den Investigativ Journalismus in Österreich zu unterstützen und zu fördern. Nur so können wir sicherstellen, dass auch in Zukunft kritische Themen aufgearbeitet und wichtige Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

      “Kill the Messanger”, wird immer mehr Programm. 🤮

  5. ich bin nicht ganz so pessimistisch

    on a long run kriegen die alle ihre rechnung präsentiert.
    weil ich denk, lincoln hatte recht:

    “You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you can not fool all of the people all of the time.”

    • Ungarn, Israel, Italien sind Beispiele zum Gegenteil. Das kann passieren, wenn die politische Bildung, der Hausverstand und die private Moral nicht zur Erkenntnis ausreichen, dass korrupte Kleptokraten dem Staat schaden und keine Robin Hoods des kleinen Mannes sind.

  6. “Argumentiert wird vonseiten der Regierung mit dem „Wirtschaftsstandort“. ” Nun, was sagt das über den österreichischen “Wirtschaftsstandort” anderes aus, als dass mehr als 50% in korrupte Malversationen verstrickt sind. Diese Begründung ist eigentlich ein Offenbarungseid.

    Ja, mit der Zerstörung der ORF, mit der Übernahme des profil und dessen neuen Zielsetzung investigative Recherche bei allen zu machen, außer bei der ÖVP, nähern wir uns einem nationalsozialistischen Informationspool an: Die NS-Partei besaß 1935 70% aller Medien, sie waren Parteimedien. Und wenn man die Hörigkeit unserer Medienhäuser und deren Abhängigkeit von staatlichen Zuschüssen via Inseraten betrachtet, dann sind wir bereits genau dort.

    Es wird Zeit, dass Österreich von der EU ebenso sanktioniert wird, wie Ungarn, weil die Medienfreiheit abgeschafft wird.

    • Ich unterstütze Ihren Vorschlag um erhoffte Unterstützung aus Brüssel, weil nur Druck von aussen offenbar eine Bereitschaft hiesiger Entscheidungsträger:innen zum Einlenken im liberaldemokratischen Anspruch freier medialer Meinungsäusserung und unabhängigen investigativen Journalismus als integraler Bestandteil möglichst(!) objektiver Berichterstattung bewirkt. Eine unmißverständliche Drohung empfindlicher Sanktionen im Falle einer nachgewiesenen Vertragsverletzung Richtung BuRe, in diplomatisch elegantem Ultimatum verpackt und im ungarischen Querverweis dezent unterlegt, würde einer erwünscht liberal(er)en Wendung im pol. MedienManagement entschieden Vorschub leisten – wie ich meine…

  7. Der Weg nach unten beginnt mit dem ersten Schritt. Der erste Schritt ist schon lange her. Türkis-Grün ist schon 100 Schritte weiter.

    • Dass die Grünen da mitspielen, diesen Umbau Österreichs in einen faschistischen Staat mittragen, ist die größte Enttäuschung. Aber die ÖVP ist schuldig.

      • Lieber plot_in, auch wenn Sie es nicht gerne hören wollen, aber der Beitragstäter ist ebenso schuldig – in unserem Strafrecht zumindest…
        Es muss dringend heller werden!

  8. Die “unheilige Dreifaltigkeit”: RBI, IV, WKO.

    “Die Bühne” für politischen, gesellschaftlichen Zeitgeist. Die “Figuren in der Auslage” sind nur huschende, beliebig auswechselbare (Wander)Schatten…

    Wenn sich unser Land wirklich einen Systemwandel Bottom up zurück in eine einstige Liberaldemokratie leisten möchte (Top down wird’s aneinander reihend nur eine Posse zur nächsten, übernächsten … bleiben), dann gilt es, diese Fundamente wegzusprengen, um im übergreifend zivilgesellschaftlichen Konsens neue zu errichten. Und das wird nicht mit vergleichsweise harmlos friedlich öffentlicher Problemsensibilisierung und Aufdeckerjournalismus alleine gehen. Nein, es fordert und bedeutet faktisch einen Klassen-Krieg, der realistisch nur unter Aufbietung größter Anstrengungen unter solidarischer Opferbereitschaft zu führen sein wird. Liest sich hier jetzt zwar martialisch und wie eine ferne Utopie; wird auch eine sein… 😉

    • … und es wird auch nur im begleitenden Szenario eines fundiert prognostierten Klimawandels im Ergebnis einer finalen Klimakatastrophe passieren können ..

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