Samstag, Juli 27, 2024

Kampf gegen das Aufdecken – Kommentar 

Whistleblowing ist unerwünscht, renommierte Journalisten werden vergrault, aus Akten soll nicht mehr zitiert werden dürfen – in Österreich kämpft der Investigativjournalismus ums Überleben. 

Wien | Mit Michael Nikbakhsh verlässt einer der renommiertesten Investigativjournalisten der letzten Jahrzehnte endgültig das „Profil“. Viele von seinem Schlag gibt es hierzulande nicht. Dass er die angekündigte Investigativ-Akademie von „Kurier“ und „Profil“ wegen eines Streits um „parteipolitische Zuordnungen“ doch nicht leiten will, ist ein alarmierendes Zeichen. Für die Akademie vorgesehene Experten springen bereits ab. 

In den letzten Jahren wurde einiges aufgedeckt: Ibiza, Casinos, Wirecard, BVT-Skandal, ÖVP-Medienaffäre, BMI-Chats, zahlreiche Ermittlungen gegen mächtige Politiker, Strippenzieher und Austro-Oligarchen. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass ZackZack einen gewissen Anteil an der Aufklärung der Skandale hatte. Auch das „Profil“ hielt selbst in Hochzeiten der Kurz‘schen Medienschikane konsequent dagegen. 

Kampf ums „Profil“

Ob das so bleibt, ist mehr als fraglich. „Kurier“-Chefin Martina Salomon jammert in ihrem jüngsten Kommentar der angeblich „zu Unrecht verteufelten Message Control“ hinterher. Ein ganzes Medienhaus droht sich im Sog dieses Irrsinns journalistisch abzuschaffen – zum Leidwesen fähiger Redaktionsmitglieder.

Aufdecker Nikbakhsh etwa habe zu wenig wirtschaftsfreundlich berichtet, heißt es. Florian Klenk schreibt in seinem „Falter“-Newsletter (Dezember 2022), Raiffeisen-Boss Erwin Hameseder habe Nikbakhsh „abgefertigt“. Interessanter Zugang: Ein Investigativjournalist ist dem Eigentümer zu investigativ.

Hameseder ist übrigens ein großer Fan von Sebastian Kurz, der Gerüchten zufolge an seinem Comeback bastelt – trotz laufender Ermittlungen. Wer das für unwahrscheinlich hält, sollte sich die scheinbar unkaputtbaren Populisten Silvio Berlusconi, Viktor Orban und Benjamin Netanjahu anschauen. In Österreich ist so ein Szenario durchaus möglich, weil etliche große Medien sich als Teil einer abstrusen Staatsräson sehen, anstatt Plünderer des Staates zur Räson zu bringen.

Neue Instrumente der Gängelung

Es ist nicht so, dass die Dynamik am Medienmarkt nur in eine Richtung ginge. Durch Bekanntwerden der ÖVP-Medienaffäre wirkt manch eine Kollegin, manch ein Kollege etwas mutiger als zuvor. Doch Politik und Steigbügel-Oligarchie sind anpassungsfähig. Während die Regierenden beim ORF Sparpolitik als Kontrollinstrument einzusetzen versuchen, wird Whistleblowern das Leben schwer gemacht. 

Die von der EU verlangte Whistleblower-Richtlinie wurde zu spät und nach Ansicht von Experten zu lasch umgesetzt. Klare Botschaft: Whistleblowing soll weiterhin gefährlich bleiben. Argumentiert wird vonseiten der Regierung mit dem „Wirtschaftsstandort“. Ein Feigenblatt für fast alle Schandtaten, die genau diesen Standort am meisten gefährden, nämlich Korruption, Bereicherung und Machtmissbrauch. 

Zu guter Letzt kommt auch noch der Verfahrensrichter des ÖVP-U-Ausschusses mit einem Vorschlag daher, der die Aufklärung von Missständen abwürgen soll. Geht es nach Wolfgang Pöschl, soll aus Ermittlungsakten nicht mehr zitiert werden dürfen. Spielt man dieses Berichterstattungsverbot durch, sieht es düster aus: Die Schmid-Chats würde niemand kennen, außer die Schreiberlinge selbst, deren Anwälte und die Ermittler. Kurz wäre noch an der Macht, Christian Pilnacek genauso, die WKStA vielleicht nicht mehr da. Und alle würden die mutmaßlich frisierten „Umfragen“ teilen. Genau das ist der Ausblick, der Österreich droht.

Auf dem Titelbild: Der “nackte Kaiser” Franz Vranitzky. Der kann inzwischen über das “Profil”-Cover lachen. Damals war er empört. (c): GEORGES SCHNEIDER / APA / picturedesk.com

Kritischer, investigativer Journalismus wird bekämpft wie selten zuvor. ZackZack hat Millionenklagen aus dem Kurz-Umfeld überstanden – wir leben noch. Damit das so bleibt, braucht die Redaktion allerdings jede Unterstützung. Nicht von der Regierung, sondern von Dir! Im ZackZack-Club.

Autor

  • Ben Weiser

    Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4

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