Zur Primetime war am Sonntag der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn in den ORF geladen. Er äußerte sich zu einem möglichen Ende des Zölibats – und ließ mit seltsamen Rechtfertigungen zum Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch aufhorchen.
Wien | Ein ungewöhnlicher Gast war am Sonntagabend bei Moderator Martin Thür in der “Zeit im Bild” zu Gast: der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn. Anlässlich des zehnjährigen Dienstjubiläums von Papst Franziskus blickten Schönborn und Thür in Vergangenheit und Zukunft dessen Amtszeit. Besonders zwei Stellen des Interviews ließen dabei aufhorchen.
Sollen Priester heiraten dürfen?
Das eine Thema: Ende des Zölibats. Der Papst hatte erst kürzlich in argentinischen Medien daran erinnert, dass in der katholischen Ostkirche verheiratete Männer als Priester erlaubt sind. Darin läge, so der 86-Jährige, “kein Widerspruch”. Aus seiner Sicht sei das Zölibat auch “revidierbar” und in der westlichen Kirche nur ein Provisorium – anders als die Priesterweihe selbst, die sei “für immer”.
Damit konfrontiert, meinte der Kardinal im TV-Studio, er habe “das eh schon hundertmal gesagt”: “Das Zölibat ist ein Kirchengesetz, kein göttliches Recht.” Er persönlich, so Schönborn, könne als Erzbischof von Wien sehr gut mit verheirateten Priestern “aus dem christlichen Osten, die hier mit Familie leben”, zusammenarbeiten. Darüber müsse man “weiter reden”.
Wenig katholischer Umgang mit sexuellem Missbrauch
Weniger biblisch wurde es dann bei einem anderen Thema. Schönborn, zu dem der Papst laut eigener Aussage gesagt habe, “Es genügt, wenn du anständig bist”, um ihm ebenjene Anständigkeit im selben Atemzug zuzugestehen, wurde abschließend von Thür zu den unzähligen sexuellen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche befragt. Wo bleibt die Vehemenz bei der Aufarbeitung, wollte der Moderator wissen. “Praktisch täglich”, so Thür, gebe es doch neue Vorwürfe, “dass wieder etwas zugedeckt” worden sei.
Die Antwort des Kardinals auf die Frage, ob Papst Franziskus diese Aufarbeitung nur unzureichend in seiner eigenen Kirche vorantreibe, fiel bissig aus. Er selbst, so Schönborn, wäre der Falsche, um das zu bewerten. “Das muss vor allem von allen beurteilt werden, die sich weltweit mit dem Thema Missbrauch befassen.” Die katholische Kirche würde sich aber “in einer ganz ausdrücklichen Weise” dem Thema widmen. Es handele sich aber auch “um ein gesellschaftliches Problem.”
Vor eigener Haustür kehren?
Nachdem Thür ihn fragte, inwieweit man Unrecht mit Unrecht rechtfertigen könne, ging der Erzbischof in seiner Erklärung noch weiter: “Ich traue mich zu sagen: Wer da auf die Kirche mit Steinen wirft, der soll einmal zuerst schauen, wie es mit der Aufarbeitung von Missbrauch in anderen Bereichen der Gesellschaft ist.” Er wolle “nur darauf hinweisen, dass die Konsequenz, mit der an der Aufarbeitung gearbeitet wird” – er rang kurz nach Worten, um dann fortzufahren – “die wünsch ich mir überall, nicht nur in der Kirche.”
“Gott sei Dank”, sei das Thema ja “im Bewusstsein der Öffentlichkeit”, argumentierte er. Schönborn: “Die katholische Kirche hat hier sehr viel getan, ich glaube, mehr als andere.”
Titelbild: Screenshot/ORF