Samstag, April 27, 2024

Auf dem Weg zur „Dr. Michael Spindelegger Road“ – Wirtschaftsfreundliche PR im „Profil“?

Ein „Profil“-Artikel, der Geschäfte in afrikanischen Krisenregionen bewirbt, wirft die Frage über die Trennung von PR und Journalismus auf. Autor Scoppetta ist PR-Berater, es gibt mehrere ÖVP-nahe Spuren im Text. „Profil“-Chefin Thalhammer und der Autor wehren sich.

Wien/Abuja | Wirtschaftsreformen, angebliche politische Stabilität, StartUp-Ökosysteme und vieles mehr – das ist der Tenor eines betont wirtschaftsfreundlichen Artikels, der Ende Februar 2023 im „Profil“ erschien. Die Rede ist dort nicht etwa vom IT-Überflieger Estland, sondern von Afrika. Es brauche ein Umdenken in Bezug auf den Kontinent. Da mag der ein oder andere Experte wohl zustimmen, liest man das Stück genauer, mutet die Lobeshymne allerdings etwas seltsam an. 

Autor des Artikels ist Stephan Scoppetta. Der PR-Berater ist Geschäftspartner von Bernhard Krumpel, dem ehemaligen Sprecher des Novomatic-Konzerns und Wolfgang Sobotka. Dass ein PR-Experte im als Investigativmagazin geltenden „Profil“ schreibt, wäre grundsätzlich nicht problematisch, wenn ein PR-lastiger Artikel entsprechend gekennzeichnet wäre. Doch nirgends ist ein solcher Hinweis zu finden – weder oberhalb noch unterhalb des Textes. 

“Profil”-Chefin und Autor wehren sich

ZackZack hat bei Scoppetta und „Profil“-Chefredakteurin Anna Thalhammer nachgehakt. Letztere war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung am 22. Februar 2023 noch nicht im Amt, skizzierte aber jüngst in Interviews die neue Strategie des „Profil“, wonach man vor allem von Entscheidungsträgern gelesen werden wolle. Hinzu kommt der unrühmliche Abgang von Investigativgröße Michael Nikbakhsh, über dessen kritische Berichte sich „Kurier“-„Profil“-Eigentümervertreter, Raiffeisenboss Erwin Hameseder, beschwert haben soll. 

Sollen nicht gekennzeichnete Texte eines PR-Beraters weiterhin Teil des „Profil“-Angebots sein? Zumindest nicht von Scoppetta. So betont Thalhammer, dieser schreibe „nicht mehr für uns“. Zudem sei der Artikel vor ihrem Dienstantritt erschienen, lässt Thalhammer wissen. Scoppetta wiederum sagt, er habe den Text als freier Autor vor dem Hintergrund des „Africa Day 2023“ der Wirtschaftskammer verfasst. Sein Geschäftspartner Krumpel habe „nicht mal die Information, dass ich diesen Artikel schreibe“ gehabt und daher auch nicht mitgewirkt.

Ein Blick auf den „Ehrenkodex für die österreichische Presse“ zeigt: Bei journalistischen Darstellungen muss für Lesende klar sein, ob es sich um Tatsachenberichte, Kommentare oder um Fremdmeinungen handelt (Punkt 3.1). Anderseits dürfen gemäß Punkt 11 geschäftliche oder private Interessen von Medienmitarbeitern keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte haben. Auf Basis dieser Bestimmungen werden nicht gekennzeichnete PR-Artikel regelmäßig vom Österreichischen Presserat gerügt. Scoppetta verwehrt sich gegen derartige Interessen.

Attraktive Märkte, negatives „Image“ 

Bemerkenswert ist der Text trotzdem. Einer von Scoppettas Kunden dürfte in der Vergangenheit die von Dietmar Kotras‘ gemanagte Dienstleistungsfirma DXC Österreich gewesen sein – zumindest deutet darauf eine Presseaussendung hin. Genau jener Kotras kommt im „Profil“-Artikel prominent zu Wort: „Afrika hat viele unerschlossene Rohstoffe, Ressourcen und Märkte, die für Unternehmen und Staaten weltweit attraktiv sind.“ Scoppetta lässt auf Nachfrage wissen: „Es besteht kein Vertrag zwischen Herrn Kotras und mir.“ 

Kotras, der zufälligerweise eine Beratungsfirma an exakt derselben Adresse einer Firma aus dem Umfeld des ehemaligen BMI-Kabinettsmannes Wolfgang Gattringer (Stichwort „Die Libyen-Affäre“) hat, hat seine Ansichten über die Attraktivität afrikanischer Märkte höchstwahrscheinlich nicht exklusiv. Auch nicht den Zugang zu Autor Scoppetta. So lässt dieser nämlich beispielsweise den österreichischen Unternehmer Andreas Gebauer zu Wort kommen. Gebauer beschwert sich im „Profil“-Artikel über das negative Image Nigerias. Dieses sei geprägt von den Umtrieben der Terrorgruppe Boko Haram, das stimme aber nicht mit der Realität überein. Die Menschen in Nigeria seien nicht nur freundlich, sondern sehnten sich nach Stabilität. 

Und nach guten Geschäften? Solche wirken nämlich realistischer als politische Stabilität im Nigeria des Jahres 2023. Die jüngsten Wahlen waren von Pannen und schweren Betrugsvorwürfen geprägt, Wahlbeobachter sprachen von einer wirtschaftlich verschlechterten Situation und enormer Unsicherheit. Entführungen, islamistischer Terror und Korruption stehen auf der Tagesordnung. Neu gewählter Präsident ist der sogenannte „Pate“ der Ölmetropole Lagos, Bola Tinubu. Dem hängt ein Image als Oligarch nach, außerdem soll er immer wieder mit Drogen und Korruption in Verbindung gebracht worden sein, wie „vol.at“ berichtete. 

Willkommen an der „Dr. Michael Spindelegger Road“

Fakt ist: Nigeria ist ein Land im humanitären Notstand. Es ist aber auch eines, in dem sich ehemalige ÖVP-Funktionäre wohlfühlen. Zum Beispiel die Ex-Vizekanzler Wilhelm Molterer und Michael Spindelegger. Beide sind mit der im „Profil“-Text erwähnten katholischen Godfrey Okoye University verbunden. Die regierungsnahe internationale Organisation ICMPD, deren Generaldirektor Spindelegger ist, macht Projekte mit der Universität, die im Artikel von Unternehmer Gebauer als „eine der besten des Landes“ gepriesen wird. Von der ICMPD wurde auch das sogenannte „Centre of Practical Skills“ gegründet, das freundlicherweise an der „Dr. Michael Spindelegger Road“ liegt. 

Screenshot https://cops.gouni.edu.ng

Im Business-Park vor Ort sollen hunderte von Arbeitsplätzen entstehen, nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“. Da verwundert es nicht, dass Spindeleggers politischer „Ziehsohn“ Sebastian Kurz entsprechende Innovationsprojekte bewarb, als dieser noch Kanzler war. Von den ehemaligen ÖVP-Funktionären ist im „Profil“-Artikel übrigens nichts zu lesen, obwohl Autor Scoppetta betont, er sei auf das Spindelegger-Molterer-Projekt durch einen „Die Presse“-Artikel gestoßen – „und fand es spannend, hier nachzufassen, wie bei diesem Projekt der aktuelle Status ist“, so Scoppetta zu ZackZack.

Die Nigeria-Tour Spindeleggers wird derweil leicht getrübt von einer gescheiterten Geflüchteten-Rückführungsaktion. Für diese hatte die von ihm geleitete ICMPD 270.000 Euro aus dem Innenministerium (BMI) bekommen. Am Ende soll es eine einzige Person gewesen sein, die nach Nigeria zurückgereist sein soll.

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper will jetzt mittels parlamentarischer Anfrage von Außenminister Alexander Schallenberg wissen, welchen konkreten Mehrwert ICMPD-Projekte haben. Krisper erwähnt unter anderem umstrittene Projektpläne im Bereich der Migrationskontrolle, die schon in der ZackZack-Enthüllung „Die Libyen-Affäre“ beschrieben wurden. 

Titelbild: ZackZack/Thomas König, PIUS UTOMI EKPEI / AFP / picturedesk.com
HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com

Ben Weiser
Ben Weiser
Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4
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6 Kommentare

  1. Reissens die versager in ö nix, wenden sie sich nach afrika, hoffentlich werden sie dort nicht von einem löwen gefressen

  2. Oha. Da ist viel Stoff drin. Schade, dass Dosko heute auch diese Inhalte gecrasht hat.

    profil: “wonach man vor allem von Entscheidungsträgern gelesen werden wolle”. profl will ein neues a3eco werden. Dieses hat bereits das Zeitliche gesegnet (dessen Abwicklung hat durchaus auch Parteiimplikationen, die nie aufgearbeitet wurden), weil vor lauter Einschlemerei bei den “Entscheiungsträgern” einfach kein Journalismus möglich war. Die Inhalte verkamen zusehends zur Glorifizerung der “Entscheidungsträger” und gaben außer Bauchpinselei nichts mehr her. profil ahoi!

    Die Spindelegger Road: Man fasst es nicht. Wie kann man einem so begrabten Mann im eigenen Land nur so wenig Wertschätzung entgegenbrngen. ÖVP: “Der Prophet im eigenen Land …”

    Mafia, Boko Haram, Russland: Wir erinnern uns des IS. An islamistische Anschläge. Keine Organisation wird plötzlich mächtig. Es wird noch ein paar Jahre dauern, bis man die Drahtzieher beweisen kann. ÖVP-Agenten an vorderster Front.

  3. Spindelegger, Molterer…….die Creme de la Creme der ÖVP……😬 Nehammer ist gerade dabei die zu toppen, unter dem Motto “schlimmer gehts immer”…

  4. In Österreich konnte man ihn nicht brauchen, die Nigerianer werden es auch noch merken, dass der für nix gut ist. Ausser für die Vermittlung von merkwürdigen Vorkommnissen, vorsichtig ausgedrückt.

  5. Apportieren bezeichnet das Herbeibringen einer Beute. Entsprechend ausgebildete Hunde (oder mit dem gesteuerten Überblick versehene Journalistinnen) nennt man (Medien-)Apporteure.
    Raiffeisen: Anna, appport!

    Brave Anna, das hast du gut gemacht, dafür gibt’s wieder ein Leckerli.

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