Freitag, April 26, 2024

Ausgerechnet: Inflation trifft Arbeitslose ungebremst

Die Preise steigen – nicht aber die Arbeitslosenunterstützung. Im Gegenteil: sie wird sogar weniger. Damit werden Arbeitslose zu den größten Verlierern der massiven Teuerung.

Wien | Jährlich wird am 30. April der Tag der Arbeitslosen begangen. Obwohl wir durchaus positive Entwicklungen am Arbeitsmarkt sehen, sind aktuell rund 330.000 Menschen ohne Erwerbsarbeit. 2022 betrug die mittlere Arbeitslosenunterstützung nur rund 973 Euro. Das sind 419 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1392 Euro. Während Preise steigen, wohin man nur schaut, von den Mieten, zu den Lebensmitteln, Energie oder auch Bankgebühren, tut sich bei der Arbeitslosenunterstützung nichts. Ganz im Gegenteil, sie wird sogar weniger: Im Mittel waren es 2021 noch rund 30 Euro mehr.

Inflationsanpassung: Nicht bei Arbeitslosenunterstützung

Während die meisten Sozialleistungen seit diesem Jahr an die Inflation angepasst werden, ist das beim Arbeitslosengeld nicht der Fall. Den starken Preissteigerungen für Wohnen, Heizen und Lebensmittel sind Erwerbsarbeitslose dennoch ausgesetzt. Neun von zehn Erwerbsarbeitslose beziehen ein Arbeitslosengeld oder eine Notstandshilfe, unter der Armutsgefährdungsschwelle für einen 1-Personen-Haushalt. Grund dafür ist, dass die Arbeitslosenunterstützung in Österreich im EU-Vergleich ohnehin sehr gering ist. Nun werden aber weder Arbeitslosengeld noch Notstandshilfe an die Inflation angepasst. Diese fehlende Anpassung macht Erwerbsarbeitslose zu den absoluten Verlierer:innen der Teuerung.

Diskriminierung am Arbeitsmarkt schreibt sich bei Arbeitslosenunterstützung fort

Die Arbeitslosenunterstützung berechnet sich auf Basis des letzten Nettolohns. Wird eine Person am Arbeitsmarkt diskriminiert und bekommt aufgrund der Herkunft oder des Geschlechts weniger Gehalt, spiegelt sich das auch später in der Arbeitslosenunterstützung wider. Diskriminierung im Erwerbsleben wird somit in der Arbeitslosigkeit weiter einzementiert. So erhält eine Frau ohne österreichische Staatsbürgerschaft im Schnitt 22 Prozent weniger Arbeitslosenunterstützung als ein österreichischer Mann. Selbst bei Männern und Frauen mit österreichsicher Staatsbürgerschaft klafft im Durchschnitt eine Lücke von knapp 150 Euro pro Monat.

Armutsgefährdung, egal welche Branche

Wer arbeitslos wird, verliert auf einen Schlag fast die Hälfte des Einkommens. Bereits kurzzeitige Arbeitslosigkeit kann damit schon zur Armutsfalle werden. Nicht einmal ein Job in einer gutbezahlten Branche schützt im Falle der Arbeitslosigkeit vor der Armutsgefährdung. In allen Branchen ist die durchschnittliche Arbeitslosenunterstützung unter der Artmutsgefährdungsschwelle.

Ein weiteres unübersehbares Zeichen, dass die derzeitige Arbeitslosenunterstützung zu gering ist. Das Arbeitslosengeld sollte von aktuell 55 Prozent des letzten Nettoeinkommens auf 70 Prozent zu erhöht werden. Nicht außer Acht lassen dürfen wir Langzeitarbeitslose, bereits jeder dritte Erwerbsarbeitslose zählt zu dieser Gruppe. Sie brauchen eine Perspektive, auch wenn sie am regulären Arbeitsmarkt keine Stelle mehr finden können. Das Jobgarantieprojekt des AMS Niederösterreich tut genau das und übertraf in einer ersten Evaluierung sogar die gesteckten Ziele. Ähnliche Projekt sollten auch in anderen Bundesländern folgen.

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Jakob Sturn arbeitet am Momentum Institut zur Frage, wie wir unsere Arbeitswelt fair gestalten können. Er schreibt und forscht zu Arbeitsmarkt, Löhnen, Verteilung und Steuerpolitik. Volkswirtschaft hat er an der Wirtschaftsuniversität Wien und der University of Illinois studiert.

Titelbild: ZackZack/Miriam Mone

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18 Kommentare

  1. Es ist traurig was einige hier schreiben. Das die Politik vergisst dass, das Arbeitslosengeld eine Versicherungsleistung ist, aber das Volk. Es ist keine soziale Leistung! Es ist einfach unfassbar! Meine Nachbarin, 57 Jahre alt, seit 7 Jahren beim AMS, kein Cent angehoben. Rechnen Sie sich aus, um wieviel ihr Geld abgewertet ist. Vor allem jetzt bei dieser Inflation. Jedes Jahr ist Sie durchgehend wegen ENORMER gesundheitlichen Einschränkungen durchgehend 1 Jahr im Krankenstand, danach folgt Antrag bei der PVA. Ablehnung und so im Kreis 7 Jahre! Sowas gibt es nur in Österreich! Es ist das bürokratischste und konservativste Land in Europa. Unmögliche Hürden und Gesetze! Was soll diese Frau machen? Von der Reichsbrücke springen? Leute, ihr habt keine Ahnung wo ihr lebt. Viele von euch jung und gesund, keine Ahnung von solchen Sachen, da selbst nicht betroffen. Aber auf die anderen draufhauen könnt ihr gut. Typisch Österreichisch! In diesem Land muss sich vieles ändern, dies wird nie gelingen bei den passiven Österreichern, die sich alles gefallen lassen und nur nicken, bitte und danke sagen! Österreich hat das niedrigste ALG in Europa. In vielen anderen Sachen Schlusslicht! Eine Berufsunfähigkeit hat man seit 2014 UNMÖGLICH gemacht. Und die Österreicher wählen immer dieselben! Jahrzehnte lang!

  2. Ein Volk das sich um “Brot anstellen” muss ist leicht zu steuern. Die ganze “Almosenpolitik” die mit unserem Steuergeld nun schon seit Jahren betrieben wird, hat nur ein Ziel. Um dieses Ziel des Kapitalismus (wenige Reiche und viele Arme) zu vereiteln, gibt es nur eine für uns Wähler*innen machbare Alternative. Hart nach links wählen! Alles andere wird den “Karren Österreich” über den braunen Rand kippen auf den ÖVP und FPÖ uns zusteuern!

    • Die Linken, das waren doch damals die mit dem Gulag in Sibirien – oder ?
      Abgesehen davon, die DDR Bonzen wohnten in Villen und ihre Soldaten erschossen Flüchtende in den Rücken.
      Also so schwärmerisch – wie Sie im Text ? – würd ich mir Hart-Links nicht vorstellen.
      Aber wer weiss, vielleicht arbeiten ja mal HartLinks mit HartRechts zusammen – abseits der Ideologie, nur ums Volk “gemeinsam” zu tyrannisieren ?

  3. Diese Auswirkungen (und das eben nicht nur auf Arbeitslose) waren schon lange so vorhersehbar und verweise ich hier, wie auch zu anderen ähnlichen Themen von mir schon so, auf meine schon vor vielen Wochen dazu erfolgten Postings.
    Es zeigt aber auch, dass das alles was hier abgeht eben wissentlich ist und ist damit nur über einen entsprechenden Vorsatz dafür überhaupt noch denk- und vorstellbar.
    Da es damit aber bereits um vorsätzliche Zerstörungen der Existenz und der Menschen geht, liegt hier meiner Meinung nach konkludent damit der dringende Verdacht von Menschenrechtsverletzungen und damit einhergeben auch der dringende Verdacht von strafbaren Handlungen damit vor?

    So konnte ich aber in Österreich bisher noch nie einen Prozess gegen und wegen Menschenrechtsverletzungen überhaupt beobachten und frage mich damit auch, ob Menschenrechtsverletzungen vielleicht nur totes Recht in unserer Wahldemokratie sind und immer schon waren?

  4. Es muß einmal explizit ausgesprochen werden, daß die Rekordinflation Österreichs in der Eurozone der Unfähigkeit des Wirtschaftsministers Kocher geschuldet ist, der reif ist für den Rücktritt.

  5. Also bitte ich versteh die Aufregung nicht …
    Und vergessen wir nicht den ganzen Stolz des Österreichischen Sozialstaates
    – die Sozialmärkte
    – die Essensausgaben
    diese ‘Projekte’ gelten als Meilenstein, der vom Staat nicht ‘gewartet’ werden müssen, des mochn eh ‘die anderen’
    Tja und irgendwann mal spenden wir dann eh wieder für Licht ins Dunkel, doch bis dahin lassen wir (zumindest im Sinne der ProKopfRechnung an verschwendeten Lebensmitteln, san mia mia, ned) die Coloniakübel nach wie vor übergehen vor lauter genießbaren Lebensmitteln.
    Des loss ma uns ned nehmen, so zu leben, wo kumm denn da hin …

    • Eigentlich ein Schande, daß wir soetwas brauchen.
      Aber bevor ich einem NGO-Manager seinen SUV finanziere, steck ich lieber einem Bedürftigen einen Schein zu.
      Da kommen dann 100% an.

  6. Es gibt anscheinend soviele offenen Stellen wie noch nie.
    Also ist das ALG offensichtlich noch viel zu hoch.

    • Auf die ach so vielen freien Stellen kann sich aber grundsätzlich jeder (zB. unzufriedene, abwanderungswillige Mitarbeiter in einem Unternehmen) bewerben, ned nur Erwerbsarbeitslose …
      Da relativiert sich dann die ohnehin wieder rückläufige Zahl der freien Stellen.

    • Was denn..
      Lieber anderen etwas wegnehmen – bevor man selbst mehr bekommt ?
      Nutze deine Energie lieber, daß DU selbst fairer bezahlt wirst.

  7. Die Arbeitslosenunterstützung ist eindeutig zu gering, war sie schon vor der hohen Inflation. Zum Vergleich:
    In der Schweiz beträgt das Arbeitslosengeld 70 % des letzten Gehaltes, bei Personen mit Kind und bei niedrigem Gehalt sogar 80 %.
    Dafür muss der / die Arbeitslose nachweisen, dass Suchbemühungen im Ausmass von 8 – 12 Stellenbewerbungen pro Monat vorgenommen wurden.

    • aet Fidel
      Also würde man für die Erhöhung des ALG/der NSH an eine Änderung der Stellensuchekriterien knüpfen, dann würde man vermutlich für 70% ALG verlangen, dass die Betroffenen nur noch mit einem geschlossenen Auge schlafen dürfen …
      … is andere geöffnete Auge muss auch während der Schafphase der permanenten Arbeitssuche gewidmet sein.
      Das Schließen des geöffneten Auges, während des Schlafs, ist bei Strafe verboten und zieht Sanktionen gegen das ALG nach sich – beim ersten Vergehen, Entzug des ALG auf 26 Wochen, beim zweiten Verstoß 52 Wochen und alles was danach folgt …
      … na brauch i woih nimma schreiben, ned.

      • Sie täuschen sich denn das eine Auge hat der permanenten Qualifikation und Selbstoptimierung offen zu stehen, während das andere sich der Arbeitssuche widmet.

        • äht Durand
          ‘permanenten Qualifikation und Selbstoptimierung’
          Gossip und Kaffeetratsch – egal ob vor oder hinter dem Rücken der Betroffenen – beherrschen die Leit ohnehin im Schlaf …
          Daher kann ein Auge bedenkenlos dem Schlaf gewidmet werden.

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