Samstag, Juli 27, 2024

Für Orbán, gegen Soziales: Wie die FPÖ im EU-Parlament abstimmt

Seit der letzten EU-Wahl 2019, bei der die FPÖ 17,2 Prozent erreichte, sitzen drei Abgeordnete der Freiheitlichen im EU-Parlament. ZackZack hat sich angesehen, wie Vilimsky und Co. im EU-Parlament abstimmen und wie sie erklärten EU-Feinden wie Viktor Orbán die Stange halten.

Brüssel/Straßburg | Einmal im Monat kommen die Abgeordneten des EU-Parlaments zur Plenarsitzung zusammen, um über vorgeschlagene Gesetze der EU-Kommission abzustimmen. Ins Blickfeld hat ZackZack das Abstimmungsverhalten der Freiheitlichen Abgeordneten Harald Vilimsky, Georg Mayer und Roman Haider genommen. Ablehnung von Frauen- und Sozialthemen stehen dabei ebenso im Vordergrund wie ein Bündnis mit Orbán und Kaczyński.

Europas Feinde  – Vilimskys Freunde

Immer wieder stimmte das EU-Parlament seit 2022 über eine gemeinsame Haltung betreffend Demokratiedefizite in Ungarn und Polen ab. Gegenüber Polen wurden wegen der umstrittenen Justizreform, die die unabhängige Arbeit von Richtern unterbinden sollte, Milliarden an EU-Geldern zurückgehalten. Auch Ungarn musste aufgrund von Mängeln bei Rechtsstaatlichkeit und Korruption zuletzt auf Milliarden an EU-Geldern verzichten.

Unterstützer haben die beiden Staaten, in denen kontinuierlich an der Rechtsstaatlichkeit gesägt wird wenige. Einzig rechtspopulistische Fraktionen wie die FPÖ unterstützen Ungarn und Polen. Einige Beispiele:

In der Plenarsitzung des Parlaments vom 21. bis zum 24. November 2022 wurde über das Einfrieren von EU-Geldern für Ungarn abgestimmt. Während alle anderen österreichischen Delegationen einstimmig für die Sanktionierung stimmten, waren die Abgeordneten der FPÖ geschlossen dagegen.

Schon im September hatten sich die FPÖ-Abgeordneten schützend vor Orbáns Regierung gestellt. Damals entschied das Parlament über den Zerfall der Demokratie und kam zu dem Schluss, dass Ungarn nunmehr eine „Wahlautokratie“ sei. Die FPÖ unterstützte als einige politische Vertretung Österreich die Entschließung nicht.  

Zu einer Verflechtung von sozialen Fragen mit der ungarischen EU-Politik kam es im Juli 2022. Damals forderte das Parlament Ungarn in einer gemeinsamen Entschließung dazu auf, dessen Veto gegen die Besteuerung von multinationalen Konzernen zu beenden. Abermals stimmte unter den österreichischen Delegationen nur die FPÖ gegen die Entschließung.

Im Juni 2022 stellte sich die FPÖ-Delegation hingegen schützend vor Polens Abschaffung der unabhängigen Justiz. Sie wollte, anders als die anderen Fraktionen, die polnische Regierung nicht zur Umsetzung von EU-Forderungen zwingen ehe 35 zurückgehaltene Milliarden von der EU an Polen fließen. Auch im Mai stimmte die FPÖ gegen eine Entschließung zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn und Polen. Die Liste ließe sich erweitern.

Die Solidarität der FPÖ mit den autokratischen Regierungen in Ungarn und Polen zeigt, dass Vilimsky und Co. Verstöße gegen demokratische Grundsäulen wie Medienfreiheit und unabhängige Gerichte indirekt unterstützen. Wichtiger als funktionierende europäische Rechtsstaaten scheint das Wachsen des rechten Blocks in der EU zu sein.

Lohntransparenz, LGBTQ+ und Mindestlohn

Nicht mittragen will die FPÖ-Delegation auch Entschließungen des Parlaments zu den Themen Frauenrechte, Minderheitenschutz und Mindestlohn.

Im April 2022 wurde mit den Stimmen der anderen Fraktionen ein Gesetz zur Lohntransparenz in Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeitern durchgewunken. Dieses sah vor, die oftmals diskriminierende Bezahlung von Frauen zu unterbinden, indem Löhne in Zukunft einsehbar und vergleichbar gemacht werden. Die FPÖ unterstützte die Entschließung, genauso wie die Mehrheit der ÖVP, nicht.  

Im Februar 2023 forderte das EU-Parlament die Kommission auf, die Istanbul-Konvention zu ratifizieren. Diese sieht einen stärkeren Gewaltschutz für Frauen vor. Die FPÖ enthielt sich als einzige österreichische Delegation der Stimme.

Während die FPÖ hierzulande oft vom Frauenbild muslimischer Einwanderer warnt, gleichzeitig aber auf EU-Ebene Gesetze zur Stärkung von Frauen nicht mitträgt, offenbart, wie ernst es die Freiheitlichen mit der Sorge um Frauen nehmen.

Ähnliches lässt sich beim Schutz von sexuellen Minderheiten beobachten. Anlässlich eines Mordes in Bratislava an zwei Homosexuellen brachte das Parlament im Oktober 2022 eine Entschließung zur Bekämpfung von Hassverbrechen gegen LGBTQ+-Personen ein. Allein die FPÖ scherte aus und stimmte mit Nein.

Die gesetzliche Stärkung von angemessenen Mindestlöhnen in den Mitgliedsländern wurde von der Arbeiterkammer hierzulande als „historisch“ und als „Paradigmenwechsel hin zu einem sozialen Europa“ gefeiert. Die Richtlinie, die Arbeitnehmer auch auf kollektivvertraglicher Ebene in ihrer Position stärkt, wurde von der FPÖ abgelehnt.

Das untergraben von Mindestlöhnen seitens der FPÖ ist insbesondere angesichts des harten Migrationskurses der FPÖ verwunderlich, könnte doch ein Anheben der Löhne im europäischen Ausland zu weniger Migration in reichere Länder wie Österreich führen. Das Gesetz sieht keinen Zwang zu einheitlichen Löhnen oder Tarifverträgen vor, drängt die Mitgliedsländer aber dazu, auf nationaler Ebene Anpassungen bei Mindestlöhnen und Kollektivverträgen zugunsten der Arbeitnehmer vorzunehmen. Die FPÖ, die sich gerne in der Rolle der “Partei des Kleinen Mannes” sieht, scheint eher an Allianzen mit demokratiefeindlichen Regierungen interessiert, als an Verbesserungen für Arbeitnehmer.  

Gegen europäische Integration

Dass die freiheitlichen Abgeordneten die Kompetenzen der Europäischen Union eher zurückdrangen als ausbauen wollen, überrascht nicht. Grafiken vom FPÖ-Abstimmungsverhalten offenbaren das Ausmaß der Ablehnung von EU-Politik in unterschiedlichsten Bereichen, so etwa im Klima-, Wald- oder Datenschutz. Nicht selten werden deshalb alle Beschlussvorlagen des Parlaments abgelehnt:  

Titelbild: YANN COATSALIOU / AFP / picturedesk.com, Grafiken Österreichische Gesellschaft für Europapolitik

Autor

  • Daniel Pilz

    Taucht gerne in komplexere Themengebiete ein und ist trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm stecken geblieben.

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