WKO-Chef Harald Mahrer bestätigt jetzt: Die Regierung hat aus „ideologischen Gründen“ auf eine wirksame Bekämpfung der Inflation verzichtet. Marktdoktrinen waren ihr wichtiger als das Überleben von Familien und Betrieben.
„Ein großes Thema sind die Energiepreise. Wir haben zur Strompreisbildung gemeinsam als Sozialpartner mit Experten bereits vor einem Jahr das iberische Modell vorgeschlagen. Das wollte man nicht, auch aus ideologischen Gründen.“ Vor zwei Tagen hat Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer das einem Redakteur der „Kleinen Zeitung“ gestanden. „Das war eine grundfalsche Entscheidung. Denn jetzt wird nachträglich subventioniert, dabei haben sich die Preise schon durch die gesamte Volkswirtschaft gefressen und sind bei uns allen angekommen. Superbitter.“
Rettungsring
Vor genau einem Jahr wurde aus Preissteigerungen eine Inflationswelle und aus einem Problem eine Gefahr. „Den Betrieben steht das Wasser bis zum Hals! Wir brauchen den Strompreis-Rettungsring, bevor Arbeitgeber und Arbeitsplätze untergehen!” Hoteliersvereinigung und Gewerbeverein appellierten an die Regierung. Es war klar, dass immer mehr Betriebe und Familien in der Preisflut untergehen würden.
Es war auch klar, woher das Problem kam. In ganz Europa hatten Energieversorger ihre Marktmacht missbraucht, um sich selbst mit Extraprofiten zu versorgen. Die Inflation war eine Gierflation. Nicht nur in Madrid und Lissabon wusste man das. Aber nur dort wurde gehandelt.
Gas- und Strompreisdeckel wirkten sofort. Vermögenssteuern schöpften die Giergewinne ab. Zwei Regierungen schützten mit Zustimmung aus Brüssel wirkungsvoll Menschen und Unternehmen. Doch in Wien sagte die Regierung „Nein“.
Jetzt liegt die Rechnung am Tisch. Österreich ist Inflations-Europameister, und das Wirtschaftswachstum bricht ein.
Marktschwurbler
Warum haben Bundeskanzler Nehammer, Finanzminister Brunner und Wirtschaftsminister Kocher ihre folgenreichen Fehlentscheidungen getroffen? Warum haben sie Betrieben und Familien Hilfe verwehrt und unverdiente Milliardenprofite von der OMV bis zum Verbund geschützt?
Zumindest Brunner und Kocher haben gewusst, was sie tun. Diesmal gibt es keine Hinweise, dass große Parteispenden aus Öl- und E-Wirtschaft eine Rolle gespielt haben. Nehammer, Brunner und Kocher haben es aus Überzeugung getan. Sie wollten nicht in den Markt eingreifen. Sie lehnen Preisdeckel ebenso ab wie Vermögenssteuern, weil beides ihren Prinzipien widerspricht. Sie haben alles falsch gemacht, weil sie Marktschwurbler sind.
An der Macht
Marktschwurbler unterscheiden sich von Impfschwurblern in zwei Punkten:
- Zuerst unterscheiden sie sich in der Sache. Im Grunde sind sie beide Sektierer, die die Welt durch eine Zerrbrille betrachten. Sie lehnen Eingriffe ab, die einen in unser Immunsystem, die anderen in unseren Markt. Nur wenn es zu arg wird, greifen sie zum Entwurmungsmittel.
- Der zweite Punkt ist folgenreicher. Impfschwurbler sitzen – mit Ausnahme Niederösterreichs – nicht in der Regierung. Marktschwurbler sind an der Macht.
„Grundsatztreue“
Die gefährlichsten Schwurbler sind nicht dumm, sondern verrückt. Sie lehnen Tatsachen ab, weil sie ihrem Glauben widersprechen. Ein Jahr lang ist kaum jemand in den Medien auf die Idee gekommen, dass die Inflationspolitik der Regierung verrückt ist.
Eine breite Allianz der Vernunft von ÖGB bis Wirtschaftskammer ist totgeschwiegen worden. Jetzt wundert sich „Kleine Zeitung“-Herausgeber Huber Patterer: “Auch zu viel Grundsatztreue im falschen Moment kann einem den Blick auf das Dringliche verbauen.“
Ich kann mir schwer vorstellen, dass Patterer Imfschwurblern ähnlich übertriebene Grundsatztreue vorgeworfen hätte. Aber auf dem Marktauge ist der Großteil der Herausgeberschaft nach wie vor verlässlich blind. Jetzt ist alles „superbitter“ – und geht bei Mietpreisdeckeln und Vermögenssteuern einfach so weiter.
Zum Schluss die in jeder Hinsicht letzte Frage: Warum machen die Grünen da mit? Bitte fragt mich etwas Leichteres…