Samstag, Juli 27, 2024

Wiener Holding-Arena: Zum Sieger geschrumpft

Warum ist das Projekt einer Briefkastenfirma, die den Qualitätsvergleich verloren hat, zum Sieger gekürt worden? Neue Details aus der geheimen „Tischvorlage“ des Aufsichtsrats der Wien Holding werfen neue Fragen an den Wiener Stadtrat Peter Hanke auf.

In der Wiener Holding rumort es. Die geplante Vergabe des Auftrags zur Errichtung der „WH-Arena“ ist beim Wiener Verwaltungsgericht gelandet. Aus der „Tischvorlage“, die dem Wien-Holding Aufsichtsrat am 29. Juni 2023 unter strenger Geheimhaltung vorgelegt und ZackZack zugespielt wurde, geht klar hervor, dass das Unternehmen, an das die Holding den Großauftrag vergeben will, eine Londoner Briefkastenfirma namens „OVG Bristol Ltd“ ist.

Aber in der Tischvorlage finden sich noch mehr brisante Details, die zeigen, wie es zur umstrittenen Entscheidung des Holding-Aufsichtsrats gekommen ist.

Geschrumpft

Das Vorbild für Bauten wie die „WH-Arena“ steht in London. Die „O2-Arena“ hat als führende Veranstaltungshalle der Welt 100.000 m² verbaut. Wien orientierte sich an London. Mit der „Projektkonsolidierung“ legte die Holding GmbH die Ziele der Ausschreibung fest. Die Halle, die in Wien gebaut wird, sollte eine „Fläche inklusive Tiefgarage“ von 108.207 m² haben. Das Projekt von „CTS“ bot mit 92.405 m² 85 Prozent der Fläche – und fiel durch. „OVG“ bot mit 64.172 m² nur 59 Prozent der Fläche an – und gewann.

Am Quadratmeterpreis kann es nicht gelegen haben. Die „Tischvorlage“ weist hier für „OVG“ 4.535 und für „CTS“ 4.651 Euro aus.

Wie konnte „OVG“ mit einem auf fast die Hälfte geschrumpften Projekt gewinnen? Die Informationen, die ZackZack vorliegen, führen zu mehreren Antworten. Es beginnt mit der „Bewertungskommission“.

Der doppelte Gollowitzer

Kurt Gollowitzer steht als Direktor und Geschäftsführer an der Spitze der Wien Holding GmbH. Sie ist Auftraggeber des nach ihr benannten Projekts „WH-Arena“.

Am 20. Juni 2023 traf sich die Bewertungskommission, um zu einer endgültigen Bewertung der beiden verbliebenen Angebote von „OVG“ und „CTS“ zu kommen. In der Wien-Holding wurde das Ergebnis mit Spannung erwartet.

Für einen Holding-Direktor war es nicht so spannend. Als Mitglied der Bewertungskommission wusste Kurt Gollowitzer, was er selbst als Holding-Chef erfahren würde. Die Personalunion von Auftraggeber und Bewerter ist ungewöhnlich. Aber für „OVG“ war es offensichtlich kein Nachteil, dass alles in einer Hand war.

Die Kommission sollte die „Qualität“ der Angebote bewerten. Allen war klar, dass „CTS“ ein deutlich größeres und besseres Angebot vorgelegt hatte. Aber in einigen Punkten wurde „OVG“ genauso gut bewertet wie „CTS“. Am Ende hieß es 320 zu 260 zugunsten „CTS“. Damit war „OVG“ nach wie vor im Rennen.

Die Prüfung durch die Kommission war das Vorspiel. Danach ging alles ganz einfach. „OVG“ hatte den Qualitätsvergleich verloren. Das konnte jetzt beim Vergleich der erhofften Einnahmen wettgemacht werden. „OVG“ musste nur weit höher „hoffen“ als die qualitativ überlegene Konkurrenz von „CTS“.

„Doppelt so hoch“

Genauso kam es. Der Londoner Briefkasten „OVG“ erwies sich als deutlich optimistischer als „CTS“. Die Tischvorlage beschreibt das: „OVG plant mit einer höheren durchschnittlichen Besucher*innenzahl pro Veranstaltung.“ 1,4 Millionen Besucher – da konnte „CTS“ mit 1,2 Millionen nicht mithalten.

Aber „OVG“ legte laut „Tischvorlage“ noch etwas Entscheidendes drauf: „Zudem kalkuliert OVG mit einem wesentlich höheren Umsatz aus Veranstaltungen bei ähnlichem Niveau der Gesamtkosten wie bei CTS.“ 72 Millionen Euro im dritten Jahr versprach „OVG“ und hängte damit „CTS“ mit 52 Millionen Euro deutlich ab.

Entscheidend war jetzt das „EBITDA“ – der Gewinn ohne Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Diese abschließende Rechnung ergab: 32 Millionen für „OVG“, nur 18 Millionen Euro für „CTS“. Die Autoren der Tischvorlage fassten zusammen: „OVG kann ein doppelt so hohes EBITDA ausweisen wie CTS.“ Damit war das Rennen gelaufen.

Auf einen Vergleich mit London wurde auch hier offensichtlich verzichtet. Vielleicht hätte niemand erklären können, warum das Wiener EBITDA pro Besucher weit über dem des Weltmarktführers in London liegen soll.

Es war ganz einfach: Flächen minimieren, Einnahmen maximieren – und damit einen Konkurrenten, dessen Angaben möglicherweise realistischer und damit seriöser waren, nach Punkten schlagen. „OVG“ konnte sich offensichtlich darauf verlassen, dass die Angaben nicht auf Plausibilität überprüft wurden.

Ohne Porr und „Live Nation“

Experten für Ausschreibungen wundern sich, dass das so einfach ging. Aber vielleicht musste es so einfach gehen. Kurz vor Ende der Ausschreibung war das Bieterkonsortium unter der Führung des österreichischen Baukonzerns „Porr AG“ zerfallen. Der weltweite führende Veranstaltungsspezialist „Live Nation“ hatte sich überraschend zurückgezogen, die Porr folgte aus noch ungeklärten Gründen.

„OVG Bristol Ltd“ war plötzlich als Bieter allein und musste sich im letzten Moment ein neues Bauunternehmen suchen. Doch der Aufsichtsrat der Wien Holding GmbH war einverstanden, dass eine Briefkastenfirma, die den Qualitätsvergleich verloren hatte, zum Schluss als Sieger dastand.

Das Verwaltungsgericht Wien entscheidet, ob das alles rechtens war. Auch für diesen Fall weiß die „Tischvorlage“, was zu tun ist. Unter „Zuschlagsentscheidung OVG – mögliche Konsequenzen“ hält sie fest: „Antrag von CTS wird stattgegeben: Verfahrensfortführung Status Abgabe Letztangebote“.

Die politische Verantwortung für die Arena-Affäre nimmt Stadtrat Peter Hanke jedenfalls niemand ab. Dazu demnächst mehr auf ZackZack.

Titelbild: HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com, Screenshot Realisierungskonzept OVG

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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