Freitag, April 26, 2024

„Ungeziefer ausrotten“

Die faschistische Radikalisierung schreitet in wahnwitzigem Tempo voran. Wolken aus den 30er Jahren werfen dunkle Schatten auf die offene Gesellschaft.  

Wenn er zurückkomme, werden „die Globalisten rausgeworfen“, sagte Donald Trump unlängst bei einer Rede. „Wir versprechen euch, die Kommunisten, die Marxisten, die Faschisten und die linksradikalen Schurken auszurotten, die wie Ungeziefer in unserem Land leben und bei Wahlen lügen, stehlen und betrügen“. Der Gegner, der gefährlichste Gegner, gegenüber dem alles an Gegenwehr erlaubt sei, das sei „der innere Gegner“, hämmerte der faktisch unangefochtene Anführer der amerikanischen Konservativen und Rechten. Ein „Echo von Hitler und Mussolini“ sei das, so die einhellige Kommentierung, auch der politischen Mitte.

Nicht ausgeschlossen, dass dieser Wahnsinnige nächstes Jahr wieder US-Präsident wird.

Begeisterte Selbstradikalisierung

In Argentinien haben sie jetzt den „Libertären“ Javier Milei mit erschütternden 56 Prozent der Wählerstimmen zum Präsidenten gewählt, einen ultraradikalen Schreihals, der nicht für einen schlanken Staat eintritt, sondern für die Zerstörung aller staatlichen Institutionen. Milei versteht sich als „Anarchokapitalist“ und schwenkt die gelb-schwarze Fahne. Gelb steht für Gold, also den Reichtum eines entfesselten Kapitalismus, Schwarz für die Anarchie. Er will das Gemeinwesen von allen Ministerien befreien, den Dollar als Landeswährung einführen, die Zentralbank abschaffen. Er redet viel von Freiheit, will aber zugleich die Abtreibung verbieten. Den Papst nennt er einen „dreckigen Linken“. An seiner Seite hat der Exzentriker die Fans der ehemaligen Militärdiktatur, die sich wehmütig daran erinnern, dass man einstmals „dreckige Linke“ einfach aus fliegenden Flugzeugen werfen konnte.

Messer wetzen, herprügeln

In Österreich zieht Herbert Kickl derweil durch seine wohlorganisierte Festzelt-Tour, bei der man – es ist bestimmt nur als kleiner, provokanter Scherz gemeint – seine Messer zum Schleifen mitbringen kann. Der Kärntner Parteichef erklärte aufgewühlt, eine konkurrierende Politikerin werde er sich „herprügeln“, der burgenländische Spitzenmann liest die ausländisch klingenden Namen von Schulkindern im Landtag vor, Kickl verspricht, es werde „Verletzungen und Verwundungen“ bei den Gegnern geben, und man lädt einen waschechten Faschisten wie Götz Kubitschek ins Parlament ein.

Vorher darf er noch auf Einladung der FP-Studenten vor der Universität provozieren, ein Anlass, bei dem ein Rechtsextremer einem anderen Rechtsextremen mit einer Flasche beinahe den Schädel eingeschlagen hat, was die Polizei nicht einmal als Grund sah, den Aufmarsch der Schlägertruppe aufzulösen. Die Identitären werden hofiert. Die FP-Jugend haben sie praktisch übernommen. Hans Rauscher konstatierte im „Standard“, was hier zu beobachten ist, sei eine Art von beschleunigter „Re-Nazifizierung“.

Was daran zunächst einmal auffällt ist die irrwitzige Selbstradikalisierung der Rechtsextremisten. Alle Hemmungen fallen. Die Parole hat der radikale, faschistische Flügel der deutschen AfD ausgegeben: die Strategie der „Mäßigung“ sei immer falsch, die Zeit des Kreidefressens sei vorbei. Wobei das zwei Erscheinungsformen annimmt: Radikale, die immer schon radikal waren und sich kein Blatt vor den Mund mehr nehmen. Und Rechte, die sich in einen Irrwitz hineinsteigern und selbst immer radikaler werden. Die also heute selbst radikaler sind, als noch vor ein, zwei Jahren.  

Das Gift der Verrohung

Dabei sollte auch der Aufstachelungs-Effekt mit dem Publikum nicht übersehen werden. Täglich wird mehr an Gift zugeführt. Die Anhängerschaft wird mit jeder Grenzübertretung selbst immer radikaler, und das wirkt auf die Anführer zurück. Es ist eine induzierte Selbstradikalisierung. Schritt für Schritt begibt man sich in ein Wahnsystem hinein. Die Entzivilisierung geht nicht von heute auf morgen, aber zugleich brechen die Dämme auch sehr schnell. Verrohte Sprache führt zu Verrohung und Gewaltbereitschaft. Das ist die Geschichte aller Massenmorde, Gemetzel und Genozide. Auch die Nazis haben 1933 nicht einfach hergehen können und sagen, wir bringen jetzt alle Juden um. Aber 1938 hatten sie das Klima soweit. Und auch in Ruanda brauchte es Kampagnen der Zuspitzung, Radikalisierung und vor allem Entmenschlichung der Opfer, bis man zum Völkermord bereit war.

Die Libertären und die Faschisten

Die Geschichte lehrt, das geht relativ schnell, und besonders schnell geht es, wenn man den Gegner als Bedrohung, Ungeziefer, nicht so sehr als Schwächling, sondern eher als elementare Gefahr für das Eigene hinstellt. Als jemanden, der einen selbst „überfluten“ würde, wenn man sich nicht mit allen Mitteln wehrt. Und wenn man hippe Medien hat, die die Botschaft verbreiten. Die Massengräber der Massakrierten sind voll von Leuten, die aus vermeintlicher Notwehr erschlagen wurden.

Das Dritte, was in dieser Woche besonders auffällt ist natürlich die Allianz des wahnwitzigen Flügels der Neoliberalen – also der autoritären Libertären – mit Rechtsextremen, Nazis und Faschisten. Intuitiv würde man ja annehmen, dass der „Freiheits“-Pathos und der Individualismus der Libertären mit der Menschenschinderei und dem Antidemokratischen der Faschisten nicht gut zusammen geht. Da hat man sich aber immer schon getäuscht, weshalb manche auch wirklich überrascht waren, als Galionsfiguren der Neoliberalen wie Milton Friedman zu Bewunderern von Militärdiktatoren wie Augusto Pinochet wurden.

Aber diese Radikallibertären verstehen unter Freiheit vor allem Wirtschaftsfreiheit, danach individuelle Freiheitsrechte, also die Freiheit, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden – und deswegen sind sie oft explizit gegen die Demokratie und viele demokratische Freiheiten. „Die Besteuerung dessen, was ein Mensch durch Arbeit erworben hat, ist gleichbedeutend mit Zwangsarbeit. Das ist, als würde man eine Person dazu zwingen, n Stunden für den Nutzen eines anderen zu arbeiten“, schrieb der Sozialphilosoph Robert Nozick, sozusagen der Begründer des „Anarchokapitalismus“. Im Grunde ist sogar der absolute Minimalstaat ein Anschlag auf die Freiheit, vom regulierenden Staat ganz abgesehen, der vielleicht sogar umverteilt und versucht, Chancenungerechtigkeiten auszugleichen.

Liberal getünchter Wahnwitz

Der Gedankengang, dem sie sich verschrieben haben, ist folgender: Freiheit gibt es nur in einer freien Wirtschaft, in der der Stärkere sich durchsetzen kann und nicht an seiner Schaffenskraft gehindert wird, indem er andere durchfüttern muss.

Demokratische Freiheiten – vor allem das allgemeine Wahlrecht und andere Maximen der Demokratie – haben aber die Folge, dass die große Masse mitreden darf, und die wird natürlich schöne Gemeindewohnungen fordern oder einen Sozialstaat, der für Sicherheit sorgt. Außerdem dürfen sich in freien Demokratien auch Sozialisten und Kommunisten engagieren, was dieses Übel noch verschärft. Deswegen verlangt die „Verteidigung der Freiheit“, dass man Demokratie möglichst einschränkt und vor allem die Sozialisten und Kommunisten mit allen Mitteln bekämpft, also dass man sie im Notfall aus Flugzeugtüren wirft, wie es in Argentinien während der Militärdiktatur geschehen ist. Einsperren oder aus dem Land werfen oder nur ihre Parteien verbieten ist zur Not auch ein Anfang. Der Ökonom Milton Friedman formulierte, dass eine freie Wirtschaft eine notwendige Voraussetzung für eine demokratische Gesellschaft sei, dass aber „eine demokratische Gesellschaft, wenn sie einmal gefestigt ist, die freie Wirtschaft zerstört“. Friedmans Aversion gegen die Demokratie war nicht sonderlich exzentrisch. Schon Friedrich August Hayek, der Säulenheilige schlechthin der Neoliberalen, hatte genaue Vorstellungen davon entwickelt, wie eine politische Demokratie einzurichten sei, die nur mehr von ihrem Begriff her eine Demokratie sein sollte. Demokratie sei nur dann mit Marktwirtschaft zu verbinden, wenn staatliches Handeln an möglichst restriktive Regeln gebunden sei, dozierte er. Diese Regeln sollten verhindern, dass Politiker überhaupt in Versuchung kommen könnten, in die „Wirtschaftsfreiheit“ einzugreifen. Hayek schlug Parlamente vor, deren Mitglieder nur einmalig für 15 Jahre gewählt werden dürfen, und jeder Bürger sollte nur einmal in seinem Leben an einer Wahl teilnehmen dürfen, und zwar im Alter von 45 Jahren. Partei- und Interessensvertreter und auch Gewerkschaftsfunktionäre sollten vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen sein.

Dieser liberal getünchte Wahnwitz geht heute oft mit den faschistischen Ideologien Hand in Hand. Trump und Milei, sie spielen sowieso auf beiden Klaviaturen, der eine mit mehr Nachdruck mit der einen, der andere mit der anderen Hand. Dass beide dieser Wahnsysteme weite Kreise ziehen, zeigt sich daran, dass es selbst bei unseren ganz zutraulichen NEOS Leute gibt, die Figuren wie Milei bewundern und es nicht schaffen, sich klar von einem autoritären Verschwörungstheoretiker und Extremisten zu distanzieren.

Titelbild: Miriam Moné

Robert Misik
Robert Misik
Robert Misik ist einer der schärfsten Beobachter einer Politik, die nach links schimpft und nach rechts abrutscht.
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7 Kommentare

  1. Nicht lieber Herr Misik,

    die freie Gesellschaft wurde seit 2020 durch bis vor kurzem unvorstellbare Verordnungen, radikale Einschränkungen der Grundrechte und durch gezieltes diffamieren eines Teils der Bürger, durch Spaltung und Verarmung massiv geschädigt ud geht seitdem ständig weiter – siehe Ukrainekrieg, siehe Israel.
    Sie wird seit 2015 durch den massenhaften Zuzug von fundamentalistischen Anhängern einer Religion die zum Teil in ihrer tiefsten mittelalterlichen Ausprägung gelebt wird zerstört.
    Übrigens hat wenigstens die FAZ über den Überfall im Stil der Hamas auf ein französisches Dorffest berichtet.
    Weiße killen, war die Devise!
    Im Moment macht mir das alles mehr Sorgen, als die Wortmeldungen von ein paar Krakeelern.

  2. “Globalisten” ist der derzeitige Code für “Weltjudentum”. Alle verstehen das.

    In RU gibt es diese faschistische Kommunikation seit 20 Jahren unverblümt und noch viel deutlicher, nämlich aggressiver und sadistisch motiviert. Jedes Jahr ein Stück weit deutlicher in Richtung öffentlich machender Mordgelüste. Das Hinmeucheln von Massen an Menschen ist schon tägliches Programm in den Abendtalkshows, Politiker in der Duma träumen davon, 20% der Russ:innen in ein Lager zu stecken oder zu töten, wenn das effizienter ist, weil ihm unverständlich ist, wieso Putin nur 80% bei den Wahlen erhalten solle.

    Ich kann die Auslassung Russlands, wenn es um Verrohung und Faschisierung der Gesellschaft nicht hinnehmen. Russland hat es vorgemacht, wir haben nicht hingeschaut. Russland forciert die Faschisierung in allen demokratischen Gesellschaften, allein für D steht dem rus Militärgeheimdienst 1 Milliarde € zur Verfügung. Das Geld wird in Medienstationen, Trollfabriken etc. Geschäftsleitungen haben Offiziere des Militärgeheimdiensts inne. Und ja, die arbeiten konsequent daran.

    Diese Faschisierung, Verrohung ist doch nicht vom Himmel gefallen. Als ob es “passiert”. Nein, es gibt politische Interessen, die diese Verrohung vorantreiben. Und es gibt Trittbrettfahrer, die sich da draufsetzen und das bereitwillig weiterverfolgen. Aber braucht niemand glauben, dass die das noch aus freien Stücken tun können. Wer einmal mit der Mafia verbandelt war, wird es sein ganzes Leben sein.

    Und wenn das in der politischen, kommunikativen Reflexion ausbleibt, dann wird die Jammerei solange weitergehen, bis Jammern ein Grund sein wird, in ein Vernichtungslager geschickt zu werden, wie es in RU ja bereits der Fall ist.

  3. Tempi passati
    Die derzeit weltbewegenden Fragestellungen, Energietransformation, Erderwärmung, Überbevölkerung, Industrielle Transformation, Korruption, Kapitalvernichtung und Kapitalkonzentration, … werden sich nicht mit gescheiterten Ideologien bewältigen lassen.
    Das Programm Bablers mag von ihrem geschichtlichen Buch, Marxismus für Eilige, geprägt sein. Daraus gezogene Schlußfolgerungen dürften seine zum Parteiprogramm erhobenen Visionen zu Grunde liegen. Die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Situation erfordert realpolitische Sachpolitik, zur Lösung der großen Problemfelder.
    Im nostalgischen Rückblick sind Ideologien mit Sicherheit kein probates Mittel, in der Realität anzukommen.
    Ein politischer Neuanfang, auch zur Sicherung der Demokratie wird nur in der Überwindung von Ideologie und Religion möglich sein.

    • Warum sollte Babler keine realpolitische Sachpolitik zustande bringen? Weil er als “Marxist” verunglimpft wird ? Ist denn die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit keine Option angesichts der Tatsache, dass in 10 Jahren voraussichtlich 1/3 aller Tätigkeiten von künstlicher Intelligenz verrichtet werden? Was genau ist denn eigentlich die sogenannte “Realpolitik”? Weiterwursteln wie in den letzten Jahrzehnten im Dienste eines immer schwerer zu erreichenden Wirtschaftswachstums damit unser System nicht kollabiert ? Und die Kollateralschäden an der Natur und den Verlierern dieser “Realpolitik” blenden wir halt weiter aus. Was wir dringender brauchen als “Realpolitik” sind Visionen wie wir zukünftig leben wollen. Als Nostalgie sehe ich das jedenfalls nicht, wenn man sich auf seine Grundwerte besinnt statt wie andere Parteien den rechten Populisten hinterher zu hecheln. Reicht eh schon wenn die ÖVP das tut.

      • Die Sachthemen liegen auf dem Tisch, es wäre ein leichtes, diese aufzunehmen und Lösungskonzepte zu entwickeln. Die Präsentation von Schlagzeilen ist zu wenig.
        Lassen wir das von ihnen genannte Beispiel gelten, sollte klar sein, wie differenziert die Situation am Arbeitsmarkt zu betrachten wäre.
        Den in vielen Branchen latenten Fachkräftemangel würde die Verringerung der AZ nicht lösen.
        In den Pflegeberufen arbeiten viele an ihrer Leistungsgrenze. Mit einer Reduzierung der AZ wäre das System nicht mehr aufrecht zu halten.
        Wer finanziert die gleichbleibenden Löhne und den höheren aber real nicht umsetzbaren Mitarbeiterbedarf? Konkurrenzunfähigkeit und Abwanderung würden folgen.
        Bisher ist nicht einmal eine Roboter/Maschinensteuer auf Schiene, wie stellt sich Herr Babler die Besteuerung auf KI vor?
        Menschenrechte sind das Eine, qualifizierte Zuwanderung das Andere, …
        Mit glaubwürdiger Umweltpolitik, nicht Ein Wort von Herrn Babler, würde die SPÖ ihre Chance auf neue Wähler öffnen, aber nicht einmal dazu gibt es Ansätze.
        Und dann grätscht Ludwig mit der nächsten Sinnlosschlagzeile, mit der Abschaffung der Matura ins Feld und das obwohl auch das gescheiterte Wiener Schulsystem nach konkreten und klaren Lösungen schreit! …

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