In Deutschland stehen Fußballtrainer auf und stellen sich gegen die AfD. In Österreich steht die ÖVP auf und hebt den Rock.
“Wer’s jetzt nicht verstanden hat, der versteht’s nie und der hat nichts verstanden in der Schule, wo Geschichtsunterricht war.” Damit überraschte der deutsche Fußballtrainer Christian Streich die Sportjournalisten, die zu seiner letzten Pressekonferenz gekommen waren, um Fußballfragen zu stellen.
Bayern-Legende Uli Hoeneß erinnerte sich bei der Beckenbauer-Trauerfeier im Münchner Allianz-Stadion, „wie viele Tausende mit der schwarz-rot-goldenen Fahne durchs Land gefahren sind. Weil sie stolz waren auf unser Land. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da müssen wir wieder hinkommen in unserem Land, dass alle stolz sind!“ Und dann: „Aber ich möchte ganz deutlich betonen, dass ich bei diesem Prozess die AfD nicht dabeihaben möchte!“
Es geht mir jetzt nicht um österreichische Trainer und Vereinslegenden, sondern um etwas anderes: In Deutschland steht die demokratische Republik auf Plätzen und in Stadien gegen die Gefahr von rechts auf. In Österreich bleibt sie sitzen. Warum?
Vielleicht gibt es darauf eine beruhigende Antwort: weil es bei uns längst nicht so schlimm ist wie in Deutschland. „Die FPÖ ist ja nicht die AfD.“ Die Antwort ist falsch.
Hass im Gleichschritt
Mit Kickl ist die FPÖ eine andere Partei als mit Strache. Das hat einmal mit der Person „Kickl“ zu tun. Er ist aus härterem Holz geschnitzt als sein Vorgänger, dem die Partei nur eine Leiter zu einem Leben mit rauschenden Festen und einer Vielzahl von Sport- und Damenhandtaschen war. Herbert Kickl will die Macht, weil ihn sein lange aufgestauter Hass treibt. Er will nicht dazugehören, sondern abrechnen, mit dem „alten System“, was immer das ist.
Das ist der erste Grund. Der zweite heißt „AfD“. Zu HC-Zeiten war der kleine deutsche Bruder ein schmuddeliges Kellerkind, mit dem man sich nicht gerne zeigte. Die AfD von heute hat ihre Keller verlassen und ist am Weg in den ersten Stock. Von der Stärke her kann sie in Deutschland das werden, was die FPÖ in Österreich seit langem ist.
Jetzt fällt Kickl neben ihren Spitzen in den Gleichschritt. Was mit Kellernazis nicht ging, ist mit Erdgeschossnazis kein Problem. „Rechts zwei drei, und rechts zwei drei“ – gegen alles, was im Weg steht. AfD-Spitzen tauchen erstmals als FPÖ-Gäste im Parlament in Wien auf. Die Grenzen zwischen AfD, Identitären und FPÖ sind weg. Der politische Bodensatz beginnt in Wien und Berlin synchron nach oben zu schwimmen: „Heute gehört uns der Keller – und morgen Berlin und Wien“.
Protestwähler und Mob
Strache suchte nach Protestwählern. Kickl setzt zunehmend auf den Mob. Seine neuen Anhänger glauben, dass sie zuerst als „Versuchskaninchen“ kaputt geimpft und dann als „Bevölkerung ausgetauscht“ werden sollen. Immer mehr von ihnen lehnen „den Staat“ ab. Wirr und hasserfüllt sammeln sie sich unter neuen Fahnen. Sie sind bereit für einen Führer.
Kickl dürfte genau wissen: dass das, was den Mob beseelt, Unsinn ist; dass der Unsinn wirkt; und dass der Mob ihm folgt.
Der Mob – das ist etwas ganz anderes als die Protestwähler. Auch heute scheinen Zehntausende bereit, eine unbestechliche soziale Alternative zu wählen. Sie fühlen sich im Stich gelassen und wollen, dass das Leben für sie wieder besser wird. Wenn sie niemanden finden, der glaubhaft für sie und ihre Anliegen kämpft, wählen sie FPÖ, aus Zorn und aus Verbitterung.
Ich kenne viele von ihnen, und ihre Meinung über Herbert Kickl unterscheidet sich kaum von meiner. Sie spüren nicht nur im blauen Bierzelt, dass Kickl keine Menschen, kein Bier und wahrscheinlich nicht einmal sich selber mag und dass sie von ihm nichts Gutes zu erwarten haben. Es lohnt sich, um diese Menschen zu kämpfen, und es ist eine Schande, wenn sie leichtfertig von anderen Parteien Kickl überlassen werden.
Der Mob ist etwas ganz anderes. Er lebt in einer Parallelwelt, in der das Verrückte normal und Kickl ein Vorbild ist. Für den Mob braucht die FPÖ klassische Medien kaum mehr, weil sich die neuen Marschgenossen in asozialen Medien und abgeschotteten Echokammern ihre „Medien“ längst selber machen. Dort sind sie Kickls nützlichste Idioten.
Protestwähler wollen, dass sich etwas ändert. Der Mob will mehr. Er ist zu allem bereit.
Terror gegen Verfassung
Rechte Mobparteien brauchen für ihren Hass geeignete Objekte. Die FPÖ hat gelernt und „Juden“ längst durch „Ausländer“ ersetzt. Zuerst wollte sie die Ausländer „nicht ins Land lassen“. Dann sollten möglichst viele von ihnen, die noch keine Staatsbürgerschaft hatten, „abgeschoben“ werden. Nach dem Kellertreffen in Deutschland geht es erstmals um „Millionen“, die man „deportieren“ will, auch mit Staatsbürgerschaft, weil man glaubt, das Recht zu haben, ihnen alle Rechte zu nehmen.
Mit dem Mob sind Parteien wie AfD und FPÖ dabei, den Boden von Verfassung und Gesetzen zu verlassen. Sie wollen einen anderen Staat, ihr Regime.
Das ist der Punkt, an dem Rassismus in Terror und Rechtsextremismus in offene Verfassungsfeindlichkeit umschlägt. An diesem Punkt stehen in Deutschland Hunderttausende mit den Fußballtrainern auf. Bei uns steht die ÖVP auf, hebt den Rock und hält den Hintern hin.
Im türkisen Puff
Die Volkspartei verhält sich dabei wie eine Prostituierte, die darauf besteht, nur in kleinen Hotels zur Verfügung zu stehen: „auf Bundesebene nicht!“ In Niederösterreich und Salzburg hat letztlich der Preis gestimmt, da geht man dann eben mit und weiß, dass man, wenn es so weit ist, auf „Bundesebene“ nicht viel mehr verlangen wird.
„Fußballfans sind Bürger. Und Fußballtrainer sind auch Bürger.“ Das waren die ersten Sätze von Fußballtrainer Streich. Bundeskanzler, Landeshauptfrau und Landeshauptmänner und Nationalratspräsident sind das offensichtlich nicht. Sie sind Komplizen. Das ist das Problem, das wir lösen müssen: bei der nächsten Wahl.
p.s.: Den Traktorschwurblern, den Rück-, Spinn- und Umvolkern, den Entwurmern und den Staats- und Denkgegnern in ihre dünnen Stammbücher: Nicht nur in Deutschland ist es ziemlich klar – Wir sind das Volk.