Der Präsidentschaftswahlkampf in den USA wirft seine Schatten voraus. Es sind lange Schatten der Vergangenheit, die wenig Ausblick auf eine sonnige Zukunft zulassen. Ein Problem für die USA. Aber auch ein Problem für die Welt.
Mit dem US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf hat das nächste Spektakel begonnen, das uns die nächsten Monate in beklemmender Weise vor Augen halten wird, wie rückschrittlich die angeblich so schnelllebige und wie bestialisch reaktionär und autoritär die angeblich so demokratisch westliche Gesellschaft heute ist. Statt Ziele vorzugeben und Debatten zu führen, wie und womit man in den nächsten vier Jahren fortschrittlicher und demokratischer werden könnte, scheint der politische Diskurs in den Vereinigten Staaten insgesamt verödet zu sein und sich auf die Entscheidung zwischen zwei Personen zuzuspitzen.
Die Demokratie der USA, das wissen wir, hat schwere strukturelle Mängel. Das Wahlmännersystem ist eine Altlast, die man offensichtlich nicht los wird. Das Ergebnis: undemokratische Ergebnisse, also solche, die dem Stimmverhalten des Volkes nicht entsprechen, wie es z.B. 2016 der Fall war. Die USA sind eben kein moderner Staat und schon gar kein modernisierender Staat, sondern von Infrastruktur, über Sozialpolitik bis zu seinem Wahlsystem durch und durch veraltet.
Is America trying to become great again, again?
Noch schlimmer ist, dass das Spektrum politischer Standpunkte spätestens seit 1981 kontinuierlich nach rechts rückt. Da versprechen republikanische Kandidaten stets eine Rückkehr zu alten Werten und in gute alte Zeiten. Make America Great Again, hieß es bei Trump. Aber welche Zeit, in der America angeblich great war, ist hier gemeint? Diese Frage wird nicht beantwortet.
Vor allem die republikanischen Präsidenten haben in den letzten hundert Jahren kaum Erfolge vorzuweisen. Will man William McKinley und Theodore Roosevelt noch zu den Großen rechnen, so muss man schon nach dem Black Thursday im Jahr 1929 ein gigantisches Versagen der Republikaner unter Präsident Herbert Hoover feststellen. Nicht von ungefähr kamen die vier Amtszeiten des Franklin D. Roosevelt, der diese Krise meistern konnte. Man musste das 22nd Amendment verabschieden, damit es nicht wieder zu einer so langen Präsidentschaft kommen kann.
Was meint Trump mit great?
Wer war also great? Eisenhower, in dessen erster Amtsperiode mit McCarthy eine Ära der Paranoia und Säuberungspolitik fiel, und der mit Churchill Mossadeq aus dem Iran vertrieb und dort eine Monarchie installierte? Eisenhower war ein Demokratiefeind erster Klasse. Der hochkorrupte Richard Nixon? Er trat schließlich aus eigenen Stücken zurück. Reagan, der ganz offiziell damit begann, radikale Islamisten mit Waffen zu beliefern und damit den Grundstein für die bis heute andauernde „Außenpolitik“ der USA legte?
Doch auch die demokratischen Präsidenten nach Eisenhower haben leider nichts anderes getan, als die republikanische Politik fortzusetzen. Carter war vielleicht die Ausnahme. Doch für eine zweite Amtsperiode wurde er nicht gewählt. Es gab demokratische Kandidaten mit vielversprechenden Reformprogrammen: Walter Mondale und Michael Dukakis waren aus heutiger Sicht unglaublich progressiv, doch beide konnten die Wahl nicht gewinnen. Auch ist progressive Politik in den USA nicht ganz verstummt, wenn wir an Bernie Sanders denken, aber heute hat sie keine Chance, sich innerhalb der demokratischen Partei durchzusetzen.
Wieder einmal: Das geringere Übel
Die letzten demokratischen Präsidenten haben wenig vorzuweisen, außer den republikanischen Kurs auf moderatere Weise gehalten zu haben. Bill Clinton hat noch das Budget saniert. Aber weder Clinton noch Obama noch Biden ist es gelungen, eine Phase progressiver Sozialpolitik und Umverteilung, die drängende Sanierung der kaputten Infrastruktur und Reformen der Demokratie auch nur anzugehen. Schon allein der Umstand, dass Obama – ein Friedensnobelpreisträger – an seiner eigenen Ansage, das völkerrechtswidrige Gefängnisses in Guantanamo zu schließen, scheiterte, enttäuschte. Dass die Demokraten nicht in der Lage sind, die Verfolgung von Assange und Snowden zu beenden, und zuzugeben und ihnen sogar dafür zu danken, dass sie gravierende Fehlleistungen amerikanischer Politik aufgedeckt haben, beweist leider, dass wir es in den USA mit nur einer Partei mit höchstens zwei verschiedenen Geschmacksrichtungen zu tun haben. Bleibt für die Demokraten also in jedem Wahlkampf nur die Aufforderung, das geringere Übel zu wählen.
Wer Trump verhindern will (und was bei den Republikanern noch viel Schlimmeres nach ihm kommt), wird zuvorderst andere Paradigmen in die Politik einführen müssen, wird es schaffen müssen, dass diese diskutiert werden und muss sie größeren Anstrengungen unterordnen: die Demokratie zu erhalten und auszubauen, das soziale Gefüge zu erhalten und zu sichern, die Infrastruktur zu sanieren und auszubauen. Und schließlich: In der Welt als Friedensstifter aufzutreten und nicht als Aufrüster und Waffenlieferant von Terroristen und kriegsführenden Ländern.
Keine Demokratie ohne Gleichheit
Mit Trump als Präsidenten hat Russland den Kalten Krieg gewonnen. Er ist ein brauchbarer Statthalter Russlands und Chinas in den USA, mit bizarren populistischen Zügen, ein deklarierter Demokratiefeind, der vor der Aufwiegelung gegen die eigenen staatlichen Institutionen nicht zurückschreckt. Je weiter die Kumulierung des Kapitals fortschreitet und je weniger Menschen einen immer größeren Teil des Kapitals besitzen, desto einfacher wird die Lenkung von Medien und Regierungen durch dieses Kapital. Es ist keine Frage, dass die Milliardäre und Konzernchefs Trump als Präsidenten wollen. Es ist keine Frage, dass das Großkapital demokratiefeindlich ist. Wer sich mit der Erörterung dieser Frage aufhält, den überholt die Realität.
Sanders hat es auf den Punkt gebracht: Billionaires should not exist. Demokratische Politik muss an der Herstellung der Gleichheit arbeiten. Denn ohne Gleichheit gibt es keine Demokratie.
Titelbild: Miriam Moné