Mittwoch, Dezember 11, 2024

Ausgerechnet: Zeit für gerechte Reichen-Steuern

Unser Steuersystem basiert auf dem Prinzip: Wer mehr hat, kann auch mehr beitragen. Für Superreiche ist dieses Prinzip aber längst ausgehebelt. Wer etliche Millionen oder sogar Milliarden Euro hat, zahlt niedrigere Steuersätze als eine Mittelstands-Familie.

Von Barbara Schuster

Weil unser Steuersystem für Einkommen aus Arbeit progressiv gestaltet ist, müssen Menschen die im Jahr weniger als rund 12.000 Euro bekommen, keine Lohnsteuer zahlen. Wer über eine Million Jahresgehalt bezieht, hat einen Spitzensteuersatz von 55 Prozent. Je mehr Gehalt du bekommst, desto höher ist der Steuersatz, den du dafür bezahlst. So weit so gut. Kommen dann noch die Beiträge zur Sozialversicherung hinzu, sehen wir aber: Österreich ist ein Hochsteuerland für Menschen mit mittleren und geringen Einkommen. Im EU-Vergleich ist Österreich unter den ‘Top’ 5 der Länder mit den höchsten Steuern- und Abgaben auf das Einkommen aus Arbeit. Von 100 Steuereuros kommen 80 allein aus den Steuern auf Arbeit und Konsum.

Niedrigsteuerland, aber nur für die Reichsten

Für Vermögende schaut die Sache aber ganz anders aus. Denn stellt man sich die Frage, was wie hoch besteuert wird, fällt auf: Kaum ein anderes Land in der EU besteuert Arbeit stärker und gleichzeitig Vermögen geringer als Österreich. Von 100 Steuereuros im Land kommen gerade einmal 4 Euro aus vermögensbezogenen Steuern, wie etwa der Grundsteuer. Für die Reichen ist Österreich also ein echtes Niedrigsteuerland. Das hat Konsequenzen, wie jüngst auch die Europäische Zentralbank bestätigt hat. Österreich gehört zu nur drei Ländern der Eurozone, in denen die reichsten fünf Prozent der Menschen mehr als die Hälfte des Nettovermögens besitzt.

Steuerbeiträge im Gerechtigkeits-Check

Das Momentum Institut hat zusammen mit Oxfam Deutschland und dem Netzwerk für Steuergerechtigkeit die tatsächlich geleisteten Steuer- und Abgabenbeiträge von jeweils drei Gruppen in Österreich, Deutschland und der Schweiz analysiert und miteinander verglichen. Im Zentrum stand dabei die Frage “Wer trägt wie viel seiner Einkünfte zu den Staatsfinanzen bei?”. Herangezogen wurden dafür jeweils eine durchschnittliche Mittelstands-Familie, typische Multi-Millionär:innen, sowie Beispiels-Milliardär:innen.

Die Studie zeigt: Eine Durchschnitts-Familie in Österreich trägt von ihrem Brutto-Einkommen rund 42 Prozent als Steuern und Abgaben zu unserem gemeinsamen Staatshaushalt bei. Der Steuerbeitrag der Mittelschicht-Familie besteht nahezu gänzlich aus Steuern und Abgaben auf das Arbeitseinkommen. Der Steuersatz eines durchschnittlichen Millionärshaushalts liegt hingegen bei nur rund 30 Prozent. Bei einem Millionärshaushalt kommen zwei Drittel des Steuerbeitrags aus Steuern aus unternehmerischer Tätigkeit, also aus Unternehmensgewinnen. Der große Unterschied: Während das Arbeitseinkommen progressiv besteuert wird, werden die Unternehmensgewinne und Kapitalerträge zur Freude des Muster-Millionärs mit einem einheitlichen Satz besteuert. Der ist nicht nur niedrig, sondern wird auch noch laufend weiter gesenkt.

Mittelstand hat höheren Steuersatz als Milliardäre

Der durchschnittliche Steuersatz eines Muster-Milliardärs ist mit lediglich 26 Prozent sogar noch niedriger als der von Millionär:innen. Der Steuerbeitrag eines Milliardärs liegt also noch weiter unter jenem der Durchschnittsfamilie und entspricht weniger als der Hälfte des Einkommen-Spitzensteuersatzes von 55 Prozent.

Für Milliardär:innen spielt Arbeitseinkommen de facto keine Rolle – und damit geht auch die progressive Besteuerung flöten. Denn Milliardär:innen tragen meist nur die Flat-Tax für Unternehmensgewinne bei. Zusätzlich können sie völlig legal über Stiftungen und Holding-Strukturen ihre Steuersätze noch weiter drücken, weil sie dort Vermögen parken und somit außer der Körperschaftsteuer keine zusätzliche Steuer darauf fällig wird. Und wenn man diese Unternehmensbeteiligungen dann vererbt, fällt überhaupt keine Steuer dafür an, denn eine Erbschaftsteuer haben wir ebenfalls nicht in Österreich.

Politische Entscheidung gegen Vermögensteuer

Unsere Ergebnisse zeigen: Sogar der Steuersumpf Schweiz besteuert Superreiche stärker. Und angesichts der Tatsache, dass sich eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung die Einführung einer stärkeren Besteuerung von Vermögen wünscht, ist es eigentlich ein Trauerspiel, dass Österreich und Deutschland keinen gerechten Beitrag von Superreichen zur Finanzierung des Staatshaushalts einheben. Es ist schließlich kein Naturgesetz, dass wir Arbeit hoch besteuern und extrem Vermögende auslassen. Sondern das ist das Ergebnis von politischen Entscheidungen. 

Das Prinzip, nach dem unser Steuersystem eigentlich funktioniert, wäre so einfach: Jeder muss einen Beitrag leisten. Und wer mehr hat, soll auch mehr für die Gemeinschaft tun. Instrumente dafür gibt es einige: Die Vermögensteuer, eine Erbschafts- und Schenkungssteuer oder auch die Steuer auf Unternehmensgewinne wieder auf den alten Satz von 34 Prozent anzupassen.

Den gerechten Beitrag der Reichsten brauchen wir nämlich dringend: Wir müssen mit Maßnahmen zum Klimaschutz in die Gänge kommen – etwa Öffis ausbauen und Gebäude thermisch sanieren. Wir müssen die Kinderbetreuung ausbauen und die Kinderarmut abschaffen. Wir brauchen eine bessere Pflegeversorgung. All das kostet Geld. Würde die Politik den Rahmen schaffen, um Superreiche gerecht zu besteuern, könnten wir jährlich, laut aktuell zirkulierenden Modellen, 5 Milliarden Euro einnehmen. Damit lässt sich einiges machen, und zwar für alle, nicht nur für die Reichsten der Reichen.


Barbara Schuster hat Volkswirtschaft in Wien, Edmonton und New York studiert. Als Ökonomin am Momentum Institut forscht sie zu Klimapolitik, Vermögens- und Einkommensverteilung. Als feministische Ökonomin immer auch mit besonderem Auge auf geschlechtsspezifischen Ungleichheiten.

Titelbild: Miriam Moné, Ingo Pertramer

Autor

  • Momentum

    „Momentum“ rechnet nach und analysiert. Jenseits von Regierungspropaganda und „Wirtschaftsinteressen“.

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